Bad Oldesloe. Polizeipsychologin Gundhild Ameln über die Folgen von Schüssen bei Einsätzen. Nur ein Drittel kann bald danach wieder arbeiten.
Die große Mehrheit der rund 300.000 Polizisten in Deutschland kommt in ihren Dienstzeit nicht in Situationen, auf Menschen schießen zu müssen. Für Beamte, die ihre Waffe einsetzen, sind die Folgen oft weitrechend. Für eine Masterarbeit an der Hochschule der Deutschen Polizei hat ein Student 2009 Polizisten befragt, die im Dienst einen Menschen getötet haben. Das Ergebnis: Nur ein Drittel kann bald danach wieder arbeiten. Ein weiteres Drittel hat lange an den Folgen zu arbeiten, oft bleibt nur die Versetzung in den Innendienst. Das letzte Drittel ist dauerhaft stark traumatisiert.
In Schleswig-Holstein bietet der Landespsychologische Dienst der Polizei sowohl unmittelbare Soforthilfe als auch bei Bedarf längerfristige Betreuung. Dazu gibt es speziell ausgebildete „Betreuern nach belastenden Einsätzen“. Die Diplom-Psychologin Gundhild Ameln leitet den Landespsychologischen Dienst. Sie beantwortet Fragen zum Oldesloer Fall.
Wie läuft die Begleitung ab? Sind Gespräche Pflicht?
Gundhild Ameln: Die Gespräche sind natürlich freiwillig. Aufgezwungene Gespräche können keine positive Wirkung entfalten. Vorgesetzte bemühen sich aber, betroffene Beamtinnen und Beamte zu einem Gespräch zu ermuntern.
Was sind die größten Probleme, die Betroffene nach solchen Einsätzen haben?
Es gibt nicht „das“ größte Problem! Problemstellungen ergeben sich durch Besonderheiten der Einsatzsituation oder in Zusammenhang mit dem Verlauf der Bearbeitung des Schusswaffengebrauchs und in Verbindung mit der Akzeptanz des polizeilichen Handelns des Schützen. Viele Polizeibeamte finden es aber befremdlich, dass sie sich im Nachhinein für ihr Handeln in einer Art „Rechtfertigungsposition“ befinden, obwohl sie die Einsatzsituation als „aufgezwungen“ erlebt haben.
Wie kann es gelingen, dass sie wieder in den Arbeitsalltag zurückkehren?
Das ist von vielen Faktoren abhängig. Ein gewisser Teil hat mit individuellen Konstellationen der Schützen zu tun. Ein sehr wichtiger Faktor ist aber auch die Frage der psychosozialen Unterstützung in der Organisation nach dem Schusswaffengebrauch. Vor allem ist die Unterstützung in der rechtlichen Abarbeitung der Situation sehr wichtig. Leider ist es so, dass es einem gewissen Prozentsatz von Kolleginnen und Kollegen nach einem tödlich verlaufenden Schusswaffengebrauch nicht mehr gelingt, in den Beruf zurückzugehen. Die Gefahr, als Polizist lebensbedrohliche und derart tief in die Psyche eingreifende Situationen wieder erleben zu können, ist durch den Schusswaffengebrauch nicht mehr zu verdrängen.
Wie viele Beamte schaffen es, tatsächlich wieder im Streifendienst unterwegs zu sein?
Diese Frage lässt sich so nicht beantworten. Wir führen keine Statistik über die Zahl der aus dem Dienst scheidenden Beamten. Ein nicht genau zu beziffernder Anteil der Kollegen mit tödlichem Schusswaffengebrauch scheidet danach leider aus dem Dienst aus.