Auf den Sitzungen der Stadtvertreter werden der Ton rauer, die Angriffe persönlicher. Woran liegt das? Eine Analyse.

Streit und Unmut auf der konstituierenden Sitzung der neuen Stadtvertretung, ein deutlich verschärfter Umgangston in den Monaten davor. Politiker, die sich nicht nur gegenseitig Vorwürfe machen, sondern zum Teil auch die Verwaltung und ihre Chefin scharf angreifen. Ist die Harmonie in Bargteheide zu Ende?

„Das Klima hat sich verändert“, sagt Gorch-Hannis la Baume. Er ist Fraktionsvorsitzender der FDP und seit Jahren Stadtvertreter. „Früher haben wir so lange über Themen diskutiert, bis wir meist ein einstimmiges Ergebnis hatten. Wir haben uns alle respektiert.“ Im Kommunalwahlkampf sei dieser Respekt von den Grünen „mit den Füßen getreten“ worden. Er bezieht sich auf einen Beitrag der Fraktionsvorsitzenden Ruth Kastner in einem kostenlosen Werbeblatt, in dem sie Filz-Vorwürfe geäußert hatte (wir berichteten).

Zum Hintergrund

Mit 63,4 Prozent der Stimmen gewann Birte Kruse-Gobrecht im Juni 2016 die Bürgermeisterwahl in Bargteheide. Die parteilose Bewerberin, die zuvor Stormarner Gleichstellungsbeauftragte war, setzte sich gegen CDU-Kandidat Sven Noetzel (Bauamtsleiter in Reinbek) durch. Sie war von den Grünen unterstützt worden.

Kruse-Gobrecht trat die Nachfolge von CDU-Mitglied Henning Görtz an, der im Januar 2016 zum Stormarner Landrat gewählt worden war. Er war mehr als sieben Jahre Bürgermeister gewesen, hatte sich bei seiner ersten Wahl gegen zwei Frauen von SPD und Wählergemeinschaft durchgesetzt. Bei seiner Wiederwahl im Mai 2014 hatte er keinen Gegenkandidaten.

Bei der Kommunalwahl im Mai waren die Grünen die Gewinner. Sie erhielten 23,6 Prozent (sieben Sitze) und überflügelten die SPD (19,2 Prozent, sechs Sitze). Die CDU verlor viel, blieb mit 30,3 Prozent (zehn Sitze) aber stärkste Fraktion (vorher 41,5). Die WfB bekam 17,9 Prozent (sechs Sitze), die FDP 6,6 Prozent (zwei Sitze). Auch Einzelbewerber Klaus Mairhöfer schaffte es in die Stadtvertretung. jjd

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Diese Aussagen hatten auf der konstituierenden Sitzung der Stadtvertretung für Wirbel gesorgt – und wahrscheinlich auch dafür, dass die Grünen-Chefin bei der folgenden geheimen Wahl zur zweiten stellvertretenden Bürgermeisterin durchfiel. Die Vorwürfe belasteten immer noch das Verhältnis zu den Grünen, sagt la Baume. „So etwas pauschal und ohne Begründung zu unterstellen, finde ich unverschämt. Das nehme ich übel.“

Politiker: Gegenseitiger Respekt ist verloren gegangen

„Die Atmosphäre ist jetzt in Ordnung“, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende Jürgen Weingärtner
„Die Atmosphäre ist jetzt in Ordnung“, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende Jürgen Weingärtner © SPD Bargteheide | SPD Bargteheide

Vertreter der SPD und der Grünen haben sich nach der Wahl getroffen, um über gemeinsame Themen für Bargteheide zu sprechen. „Die Atmosphäre ist jetzt in Ordnung“, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende Jürgen Weingärtner. Seine bisherige Stellvertreterin Anke Schlötel-Fuhlendorf, die ihr Mandat gerade aus beruflichen Gründen zurückgegeben hat, ist anderer Meinung. „Den anderen Fraktionen wurde eine Straftat vorgeworfen, ohne Ross und Reiter zu benennen“, sagt sie. „Das hat jede Atmosphäre zerstört und fördert nicht gerade die Zusammenarbeit.“ Wie der FDP-Chef spricht auch sie von einem „respektvollen Umgang“, der früher die Politik in Bargteheide gekennzeichnet habe. „Wir sind gern nach den Sitzungen zusammen in die Kneipe gegangen“, sagt Schlötel-Fuhlendorf. „Diese Zeiten sind vorbei.“

„Leider ist es mit dem Vertrauen zurzeit eine schwierige Sache in Bargteheide“, sagt Ruth Kastner (Grüne)
„Leider ist es mit dem Vertrauen zurzeit eine schwierige Sache in Bargteheide“, sagt Ruth Kastner (Grüne) © HA

Ruth Kastner, Fraktionsvorsitzende der Grünen, kann die Kritik nicht nachvollziehen. „Wir Grüne haben ein Gefühl beschrieben, das in der Bargteheider Bevölkerung vorhanden ist“, sagt sie. „Wenn sich jemand persönlich angesprochen fühlt, tut uns das leid. Und wir fragen uns, warum manche so darauf angesprungen sind.“ Für sie liegt das Problem tiefer. „Wir erleben in Bargteheide einen Umbruch, was die Kommunalpolitik angeht“, sagt Kastner. Das habe 2016 mit der Wahl von Birte Kruse-Gobrecht zur Bürgermeisterin begonnen, die sich als Parteilose deutlich gegen den CDU-Kandidaten Sven Noetzel durchgesetzt hatte. Und es habe sich bei der Kommunalwahl fortgesetzt, als CDU und SPD Stimmen einbüßten, während sich die Grünen über Gewinne freuten. „Das müssen einige erst noch verdauen“, sagt Kastner. Für eine gute Zusammenarbeit müssten sich jetzt alle aufeinander zubewegen. „Leider ist es mit dem Vertrauen zurzeit eine schwierige Sache in Bargteheide.“

„An der Spitze der Verwaltung steht eine neutrale Person – daran muss sich die CDU erst gewöhnen“, sagt Norbert Muras (WfB)
„An der Spitze der Verwaltung steht eine neutrale Person – daran muss sich die CDU erst gewöhnen“, sagt Norbert Muras (WfB) © WfB

Dass sich seit dem Wechsel an der Spitze der Verwaltung vor zwei Jahren etwas verändert hat – diesen Eindruck hat auch Norbert Muras, Fraktionsvorsitzender der Wählergemeinschaft für Bargteheide (WfB). „Das hat einen Riss gegeben“, sagt er. „Die CDU war es gewohnt, mit Henning Görtz einen direkten Draht zur Verwaltung zu haben. Jetzt sitzt da eine neutrale Person.“ Daran müsse sich die CDU offenbar erst noch gewöhnen.

Klausurtagung am Sonnabend soll die Wogen glätten

„Tonwahl und Tonart haben sich verändert“, sagt CDU-Fraktionschef Mathias Steinbuck
„Tonwahl und Tonart haben sich verändert“, sagt CDU-Fraktionschef Mathias Steinbuck © HA | Ha

„Es ist anders als vorher“, sagt Mathias Steinbuck, Fraktionsvorsitzender der Christdemokraten. „Aber die Veränderung ist für alle Fraktionen gleich groß.“ Henning Görtz habe sich als Bürgermeister trotz CDU-Parteibuchs immer neutral verhalten. „Die Informationen wurden gleichmäßig verteilt, wir hatten da keinen Vorteil“, so Steinbuck. Und wie läuft die Zusammenarbeit mit Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht? „Sachorientiert. Wir treffen uns öfter, um das eine oder andere zu klären“, sagt der Stadtvertreter. Und weiter: „Wir haben Sachthemen abzuarbeiten. Das gelingt mal besser und mal schlechter.“ Nach einem entspannten oder gar freundschaftlichen Umgang klingt das nicht. Darauf angesprochen, lächelt Steinbuck, sagt: „Mit Freunden mache ich keine Kommunalpolitik.“

„Der gegenseitige Respekt ist leider teilweise verloren gegangen“, sagt Gorch-Hannis la Baume (FDP)
„Der gegenseitige Respekt ist leider teilweise verloren gegangen“, sagt Gorch-Hannis la Baume (FDP) © Martina Tabel

Das angespannte Verhältnis zwischen Bürgermeisterin und Teilen der Politik sei auf die Anfangszeit zurückzuführen, sagt FDP-Mann la Baume. Wenige Monate nach ihrer Wahl verweigerten die Stadtvertreter Kruse-Gobrecht mehr Personal fürs Rathaus. Seitdem verhalte sie sich den Politikern gegenüber reservierter, so der Eindruck von la Baume. „Das kennen wir vom vorherigen Bürgermeister nicht.“ Er ist der Auffassung, dass „diese Dinge, die auf die Stimmung drücken“, ganz einfach mit einem Gespräch beseitigt werden könnten. „Aber das passiert nicht. Damit macht die Bürgermeisterin einen Fehler“, sagt er.

Kruse-Gobrecht: Wahlkampf hat für Unruhe gesorgt

Birte Kruse-Gobrecht sagt: „Ich hätte mir gewünscht, dass wir schon in einer ruhigeren Phase wären.“ Die Verwaltungschefin bezeichnet es als „normale Reaktion“, dass nach ihrer für viele überraschenden Wahl vor zwei Jahren Unruhe entstanden sei. „Wenn eine neue Konstellation entsteht, brauchen beide Seiten Zeit, um einander kennenzulernen und zu wissen, wie der andere tickt“, sagt sie. Durch die Kommunalwahl im Mai, den Wahlkampf davor und die neuen politischen Mehrheiten danach sei diese Unruhe noch einmal hochgekocht. „Alle Parteien wollten mit ihren Themen bei der Bevölkerung punkten“, sagt Kruse-Gobrecht. Doch nun gebe es eine feste, langfristige politische Konstellation. „Ich hoffe, dass wir jetzt eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen den Politikern, aber auch zwischen Politik und Verwaltung hinbekommen.“

Dazu soll auch eine ganztägige Klausurtagung am morgigen Sonnabend beitragen. Die Bürgermeisterin hat alle Stadtvertreter und bürgerlichen Mitglieder der Fraktionen zu dem Treffen eingeladen, dazu einige Rathausmitarbeiter. „Ich möchte, dass wir dort gemeinsam die Grundlagen schaffen, wie wir in Zukunft störungsfrei und gemeinsam Entscheidungen für Bargteheide treffen können.“ Es sei jetzt an der Zeit, „dass die Dinge auf den Tisch kommen und wir miteinander reden statt übereinander“, so Kruse-Gobrecht weiter. Es solle darum gehen, einen Raum zu schaffen, in dem niemand seine politischen Überzeugungen aufgeben müsse, aber die Kommunikation fair und auf Augenhöhe geschehe. „Es geht um die Stadt. Das eint uns alle“, sagt sie. „Wir wollen für die Menschen, die hier leben, einen guten Job machen.“

Darum geht es auch Norbert Muras. Die Streitigkeiten zwischen den Parteien bewertet der WfB-Mann als „Profilierungsarbeit“. „Es werden zum Beispiel ständig umfangreiche Anfragen an die Verwaltung gestellt, die wenig nützlich sind“, sagt er. „Das sorgt natürlich für Unruhe. Aber ich führe das darauf zurück, dass wir so viele neue Stadtvertreter haben.“

„Giftpfeile“ statt konstruktives Miteinander

„In den Ausschüssen wird schon mal der eine oder andere Giftpfeil verschossen“, sagt Klaus Mairhöfer (parteilos)
„In den Ausschüssen wird schon mal der eine oder andere Giftpfeil verschossen“, sagt Klaus Mairhöfer (parteilos) © HA

Einer dieser Neuen ist Klaus Mairhöfer. Er wurde als parteiloser Einzelkandidat ins Gremium gewählt und stellt gern Nachfragen bei der Verwaltung. Er habe das Gefühl, dass sie als Überwachung empfunden werden – sowohl von den Mitarbeitern des Rathauses als auch von anderen Politikern. „Dabei geht es mir nur um Informationen“, sagt er. „Die Bereitschaft, bestehende Prozesse zu überprüfen, halte ich in Bargteheide für ausbaubar.“

Welche Eindrücke hat er sonst noch gewonnen? „Auf der Ebene der Fraktionsvorsitzenden herrscht ein positives Miteinander, es wird lösungs- und fachorientiert gearbeitet“, sagt der Diplom-Betriebswirt. In den Ausschüssen werde dagegen „schon mal der eine oder andere Giftpfeil verschossen“. Das sei manchmal ein Störfaktor.

Ein solcher „Giftpfeil“ ist auf der Internetseite der SPD zu finden. Unter dem Titel „Warum in der letzten Stadtvertretung mal dringend Klartext nötig war“ greift Anke Schlötel-Fuhlendorf (SPD) in einem Beitrag vom Februar die Grünen und vor allem die Verwaltung scharf an. Dabei geht es unter anderem um die Erdgastankstelle, die die Stadt kaufen wollte. Dazu schreibt sie: „Dass die Bürgermeisterin selbst ein Erdgas betriebenes Fahrzeug fährt, ist da sicher nur eine Randnotiz, von der die Bürger jedoch, ganz im Sinne der von der Bürgermeisterin häufig geforderten Transparenz, Kenntnis haben sollten.“ Nach Harmonie klingt das nicht.

In Zukunft soll es mehr Gespräche geben

„Tonwahl und Tonart haben sich verändert“, sagt Mathias Steinbuck (CDU). Woran das liegt, könne er nicht erklären. „Ich bedauere das sehr, denn bisher waren wir so etwas nicht gewöhnt.“

Jürgen Weingärtner von der SPD möchte, dass zumindest ein Thema in diesem Jahr nicht wieder zum Problem wird: Nach dem Ärger und den monatelangen Verzögerungen beim Haushalt 2018 (wir berichteten) habe er als neuer Vorsitzender des Finanzausschusses Grundsätze der Haushaltsplanung vorgeschlagen. So soll die Verwaltung bei­spielsweise überprüfen, ob Investitionsvorhaben im veranschlagten Jahr „von den zur Verfügung stehenden Mitarbeitern im Rathaus umgesetzt werden können“. Zudem sollen zusätzliche Sitzungen für die Beratungen eingeplant werden – mehr Gespräche ­also.

Die möchte auch die Bürgermeisterin. „Mein Ziel ist es, dass wir uns regelmäßig austauschen“, sagt Kruse-Gobrecht. „Und dass wir dabei gemeinsam nach Lösungen suchen – anstatt gegenseitig nach Fehlern.“