Bargteheide. Immer wieder hat es am Schulzentrum in Bargteheide Ärger mit „feiernden“ Jugendlichen gegeben. Abendblatt war auf Spurensuche.
Als er noch selbst hier Schüler war, hat er mit seinen Freunden häufiger am Schulzentrum gesessen. Heute kommt das seltener vor. Er ist Mitte zwanzig, möchte seinen Namen nicht in der Zeitung lesen und steht mit einer Freundin auf dem Parkplatz hinter dem Kleinen Theater in Bargteheide. In Blickweite liegt das Schulzentrum. Jenes zentrale Areal mit Bänken und Tischtennisplatten, Treppen und schummriger Beleuchtung, das Jugendliche auch weit nach Schulschluss gern aufsuchen. Früher mehr, heute weniger – dazu später mehr. Ein ganz normaler Freitagabend in Bargteheide, es ist 19.30 Uhr. Dämmerung. Bald beginnt die Nacht.
Vor einer Woche zur gleichen Zeit haben sich in der Kleinstadt mehr als hundert Jugendliche auf eine große Feier vorbereitet. Sie verabredeten sich über mehrere WhatsApp-Gruppen zu einem Treffen, das am Famila-Supermarkt an der Hamburger Straße begann – und in der Nacht mit in einem Großeinsatz der Polizei in der Straße Am Volkspark endete. Die Bilanz: 64 Beamte im Einsatz, Rettungskräfte mit Flaschen beworfen, 117 Platzverweise.
Ein Arbeitskreis will bald Ergebnisse präsentieren
Der Fall, über den überregional berichtet wurde, wirft auch eine Woche später noch Fragen auf – und wird Bargteheide noch weiter beschäftigen. Besonders wenn man ihn als vorläufigen Höhepunkt einer Entwicklung versteht, die sich schon länger in der Kleinstadt abzeichnet: Hat die Stadt ein Problem mit ihrer jugendlichen Partyszene? Seit mehr als einem Jahr beschäftigt sich bereits ein Arbeitskreis unter anderem mit dieser Frage. Das Schulzentrum ist von der Polizei zum „gefährlichen Ort“ erklärt worden. Die Beamten dürfen daher von Jedem, der sich hier aufhält, die Personalien kontrollieren und die Tasche durchsuchen. Das ist in Stormarn einzigartig.
Hintergrund ist eine Häufung unterschiedlicher Delikte in dem Areal: Raub, Drogenmissbrauch, Körperverletzung, Sachbeschädigung – und ein Einbruch ins Schulzentrum. Der Arbeitskreis will bald ein Maßnahmenpaket vorstellen. Polizei, Verwaltung, Sozialarbeiter– sie alle haben sich bereits zu dem Thema geäußert. Aber was sagen die Jugendlichen selbst dazu?
Besuch beim Autonomen Jugendhaus, in der Innenstadt
„Es gibt solche und solche“, sagt der junge Mann auf dem Parkplatz. Zu den Störern gehören Jugendliche unter 18, die sich mit hartem Alkohol betrinken – auch Drogen seien im Umlauf. Die Stimmung sei dann nicht immer entspannt. Stress gehe aber – auch das ist ihm wichtig – von Einzelnen aus. Was das für eine Gruppe sei? „Unterschiedlich“, sagt er. „Leute aus Bargteheide.“ So um die zehn bis 20 Personen. Ob die gefährlich sind? „Es ist gut, jemanden zu kennen, wenn Du da hingehst“, sagt der junge Mann.
Bis in die Nacht sind wir heute in Bargteheide unterwegs, um mit jungen Menschen ins Gespräch zu kommen. Wir besuchen das Autonome Jugendhaus, sind in der Innenstadt und mehrfach auf dem Gelände des Schulzentrums. Eine auffällig große Gruppe Jugendlicher treffen wir dort heute Abend nicht. Jene, die wir in Bargteheide ansprechen, erzählen aber gern. Auch, weil sie das Gefühl haben, dass in der Vergangenheit nicht alles in der Öffentlichkeit richtig dargestellt worden ist. „Das sind hier keine Zustände wie auf dem Kiez in Hamburg“, sagt der junge Mann auf dem Parkplatz.
Wer einen Führerschein hat, fährt abends weg
Mittlerweile ist es Nacht, zumindest was die Lichtverhältnisse angeht. Auf den Straßen sind einige Autos mit lauter Musik unterwegs, auf den Fußwegen Jugendliche auf Fahrrädern oder kleine Gruppen mit Flaschen in den Händen. Die Sitzbänke der Lokale in der Innenstadt sind gut gefüllt. Eine Joggerin steht an einer Ampel. Ob sie Angst habe, in der Dunkelheit in Bargteheide zu laufen? „Überhaupt nicht“, sagt sie – und läuft weiter. Das bestätigt auch ein Pärchen, das mit seinem Hund regelmäßig und auch spät am Abend noch am Schulzentrum unterwegs ist. „Die Jugendlichen bleiben unter sich, aber der Müll nervt.“
Die, die gern unter sich bleiben, sehen das ähnlich – zumindest das Schulzentrum betreffend. Sie nervt nicht der Müll, sondern das dort „unentspannte Typen“ abhängen, wie eine junge Frau sagt, die mit ihren Freundinnen heute Abend noch nach Hamburg fährt. Die jungen Bargteheider berichten immer wieder davon, dass es in ihrer Stadt kaum Räume gibt, um zu feiern. Die Partylandschaft beschreiben sie so: Die einzige Diskothek in der Stadt, das Cuzco, wird Ende September geschlossen. Das Autonome Jugendhaus sei eher etwas für die linke Szene. Der Rest: Fährt weg, wenn er einen Führerschein hat, geht auf Privatpartys – oder feiert eben unter freiem Himmel, am liebsten ungestört.
Rewe-Geschäft ist in der Nähe des Schulzentrums
Das macht Orte wie das Schulzentrum mit dem angrenzenden Parkgelände unter Jugendlichen so beliebt. 100 Meter entfernt ist ein Rewe-Geschäft, das montags bis sonnabends bis 22 Uhr geöffnet hat. Eine gute Gelegenheit, um sich für die Nacht einzudecken. Neben dem Einkauf einer Mutter mit Kind, liegen auf dem Band an der Kasse um kurz vor 21 Uhr auch schon eine Wodka-Flasche und zwei Flaschen mit Energydrinks. Vor dem Laden wartet eine Gruppe in Feierlaune, unterhält sich lautstark und in knappen Sätzen.
Eine andere Gruppe von noch nicht volljährigen Teenagern ist zu einem Geburtstag unterwegs, als wir ins Gespräch kommen. Drei von ihnen waren bei der Party am Freitag vor einer Woche dabei, die hier jeder unter dem Namen „Project X“ kennt. Angelehnt an einen gleichnamigen Hollywood-Film ging es wohl darum, einem 18. Geburtstag in der Umgebung ohne Einladung zu besuchen. Weil zu viele zusagten, einigte man sich, das Treffen nach Bargteheide zu verlegen. Mit dem bekannten Ergebnis. „Es gibt Typen, die immer wieder Stress machen“, sagt einer der Jugendlichen. „Mit denen stellt man sich am besten gut, dann hat man keine Probleme.“
Jugendliche haben auch Redebedarf
Bargteheide wird sich in Zukunft weiter mit solchen Problemen auseinandersetzen müssen. Mit mehr Polizei allein wird das nicht gehen, wie Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht sagte. Sie setzt auch auf gesellschaftlichen Dialog. Wer mit Bargteheider Jugendlichen spricht, kann sich dabei einer Erkenntnis kaum entziehen: Redebedarf haben auch sie.