Bad Oldesloe. 1200 Oldesloer mussten ihre Häuser verlassen. Kampfmittelräumdienst entschräft den gefährlichen Blindgänger. So lief es ab.

Es ist 11.25 Uhr, als Polizeisprecher Holger Meier am Rand der Sperrzone die gute Nachricht übermittelt bekommt: Die Experten des Kampfmittelräumdienstes haben die hochgefährliche Zehn-Zentner-Fliegerbombe, wegen der in Bad Oldesloe rund 1200 Menschen ihre Häuser verlassen mussten, erfolgreich entschärft. Nur 30 Minuten benötigten Oliver Kienast und sein Kollege Heinz Kollath, um den Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg unschädlich zu machen.

„Es lief gut“, sagt Kienast. „Besser als gedacht.“ Obwohl der Sprengmeister bereits gut 100 Bomben entschärft hat, ist ihm die Erleichterung anzumerken. Denn das im Neubaugebiet Claudiussee entdeckte Exemplar verfügte über eine enorme Sprengkraft und galt als unberechenbar. „Sie hätte bei der Entschärfung jederzeit hochgehen können“, sagt Kollath. Durch die lange Liegezeit unter der Erde war der Zünder angerostet, dreckig und verkrustet.

Im Umkreis von 500 Metern Häuser evakuiert

Im Falle einer Explosion hätte die Bombe den Experten zufolge ein etwa zwölf Meter breites und mindestens vier Meter tiefes Loch in die Erde gerissen – und eine „gewaltige Druckwelle“ erzeugt. „Im Krieg sind viele Menschen nicht an den Splittern der Bomben gestorben, sondern wegen der Druckwellen“, sagt Kollath. „Durch den enormen Druck kann zum Beispiel eine Lungenembolie ausgelöst werden.“

Baggerfahrer Stefan Borchert hat den Blindgänger im Neubaugebiet Claudiussee in einer Tiefe von fünf Metern entdeckt. Er sollte eigentlich Müll aus einem Bombentrichter beseitigen
Baggerfahrer Stefan Borchert hat den Blindgänger im Neubaugebiet Claudiussee in einer Tiefe von fünf Metern entdeckt. Er sollte eigentlich Müll aus einem Bombentrichter beseitigen © HA | Janina Dietrich

Aus Sicherheitsgründen evakuiert die Polizei deshalb alle Häuser im Umkreis von 500 Metern um die Bombe herum. Betroffen ist das gesamte Stadtgebiet südlich von Sülzberg und Pölitzer Weg. Auch der Bahnverkehr wird vorübergehend eingestellt. Denn der Fundort der Bombe ist in direkter Nähe zur Bahnstrecke Hamburg–Lübeck. 20 Polizisten aus Bad Oldesloe und Umgebung sperren bereits am frühen Montagmorgen die betroffenen Straßen ab. Ein Streifenwagen fährt durch das Sperrgebiet, die Polizisten wenden sich immer wieder per Durchsage an die Bevölkerung. „Achtung! Achtung! Hier spricht die Polizei. Aufgrund einer Bombenentschärfung bitten wir alle, ihre Häuser bis 10 Uhr zu verlassen. Unterstützen Sie auch hilfsbedürftige Menschen und ausländische Mitbürger“, rufen sie.

Ein Bus als kurzzeitige Unterkunft

Claudia Maercker (34) macht während der Bombenentschärfung ein Picknick an der Trave
Claudia Maercker (34) macht während der Bombenentschärfung ein Picknick an der Trave © HA | Janina Dietrich

Per Auto, Fahrrad und zu Fuß verlassen die Oldesloer die Sperrzone – alles ist entspannt und ruhig. „Ich gehe in die Stadt, ein Bier trinken“, sagt ein Anwohner. „Und danach vielleicht noch etwas spazieren.“ Claudia Maercker hat eine Picknickdecke eingepackt, will es sich an der Trave Richtung Sehmsdorf gemütlich machen. „Ich hoffe, dass unser Haus nachher noch steht“, sagt die 34-Jährige und blickt noch einmal auf den inzwischen verwaisten Wohnblock an der Straße Sülzberg zurück. Ihre Kaninchen hat sie dort zurückgelassen, das bereitet ihr Sorgen. „Ein bisschen Angst habe ich schon“, sagt sie. „Es könnte ja auch etwas passieren.“ Einem älteren Nachbarn hat sie noch Bescheid gegeben, „damit er bloß nicht vergisst, seine Wohnung zu verlassen“.

Für alle Oldesloer, die nicht Spazierengehen wollen oder bei Familienangehörigen unterkommen können, steht am Bahnhofsvorplatz ein klimatisierter Bus bereit. Acht Helfer des Arbeiter-Samariter-Bundes kümmern sich um die Gestrandeten, reichen ihnen kalte Getränke. „Wir könnten 54 Menschen aufnehmen“, sagt Einheitsleiter Hans-Peter Vogt. „Und haben zwei weitere Busse auf Abruf.“ Aber diese werden nicht benötigt. Denn nur wenige Oldesloer nehmen das Angebot wahr.

Sprengstoffexperten rücken oft nach Bad Oldesloe aus

Domenik Bobsien (19) vom Arbeiter-Samariter-Bund kümmert sich am Bahnhofsvorplatz in einem klimatisierten Bus um Ilka Barg. Das Haus der 68-Jährigen liegt in der Sperrzone
Domenik Bobsien (19) vom Arbeiter-Samariter-Bund kümmert sich am Bahnhofsvorplatz in einem klimatisierten Bus um Ilka Barg. Das Haus der 68-Jährigen liegt in der Sperrzone © HA | Janina Dietrich

Eine von ihnen ist Ilka Barg. „Die Hitze tut mir nicht so gut, deshalb habe ich mich für den Bus entschieden“, sagt sie. Die 68-Jährige wohnt in der Hebbelstraße. Von ihrem Haus kann sie direkt auf die Baustelle blicken, auf der Baggerfahrer Stefan Borchert die Bombe am Donnerstag gefunden hat. „Ich sollte einen alten Explosionstrichter reinigen, in den nach dem Zweiten Weltkrieg Müll entsorgt wurde“, sagt Borchert. Dass unter dem Abfall auch noch ein Blindgänger lag, sei für alle eine Überraschung gewesen. Für den Kampfmittelräumdienst holt er den Sprengkörper am Montagmorgen aus einem fünf Meter tiefen Loch. „Da hatte ich schon ein mulmiges Gefühl“, sagt er.

Die Sprengstoffexperten, die in Groß Nordsee (Kreis Rendsburg-Eckernförde) stationiert sind, müssen häufig nach Bad Oldesloe ausrücken. Die Stadt zählt zu den Angriffsschwerpunkten in Schleswig-Holstein während des Zweiten Weltkrieges. Der Kampfmittelräumdienst hatte das Neubaugebiet deshalb vor Beginn der Bauarbeiten auf Blindgänger abgesucht. „Wir hatten einige Verdachtspunkte“, sagt Kienast. „Dort haben wir die Erde aufgebohrt.“ Eine Stelle sei direkt neben der jetzt entschärften Bombe gewesen. „Wir haben sie knapp verpasst.“ Das gesamte Gelände abzusuchen, sei damals aber nicht möglich gewesen. Kienast sagt: „Das hätte Millionen gekostet.“