Bad Oldesloe. Zehn Zentner schwerer Blindgänger liegt in fünf Metern Tiefe im Neubaugebiet Claudiussee. Evakuierung am Montag bis 10 Uhr.

Sie ist zwei Tonnen schwer, 75 Jahre alt, hat eine enorme Sprengkraft und ist unberechenbar: Im Oldesloer Neubaugebiet Claudiussee ist bei einer Routineuntersuchung des Erdreichs eine Fliegerbombe gefunden worden. 1200 Anwohner müssen am Montag ihre Häuser verlassen. Auch der Bahnverkehr ist betroffen. Der Blindgänger soll vor Ort entschärft werden.

„Da in solchen Fällen die Gefahr besteht, dass der Sprengkörper doch vor Ort aktiviert wird, ist es unbedingt erforderlich, alle Gebäude im gefährdeten Umkreis zu evakuieren“, sagt Holger Meier von der Polizeidirektion in Ratzeburg. Bei der Bombe handelt es sich um eine Zehn-Zentner-Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg. Sie liegt etwa fünf Meter tief im Erdreich.

Die Bahn aus Hamburg fährt nur bis Bargteheide

Der Blindgänger befindet sich in direkter Nähe zur Bahnstrecke nach Hamburg. Die Sperrzone hat einen Radius von etwa 500 Metern (siehe Grafik). Betroffen ist das gesamte Stadtgebiet südlich von Sülzberg und Pölitzer Weg. Im Westen wird das Areal von der Beste, im Osten von der Landesstraße 90 begrenzt. Um die betroffenen Anwohner zu warnen, sind noch am Freitag Handzettel an die Haushalte verteilt worden. Die Evakuierung ist nicht freiwillig, alle Menschen müssen am Montag das Gebiet bis spätestens 10 Uhr verlassen, bestätigt Hauptkommissar Rolf Assmann vom Oldesloer Polizeirevier. Er sagt: „Wir sind mit 20 Beamten im Einsatz, um sicherzustellen, dass alle Anwohner ihre Häuser und Wohnungen räumen.“

Unterstützt wird die Polizei bei der Evakuierung von der Freiwilligen Feuerwehr und verschiedenen Rettungsdiensten. Dass sich Bürger weigern, ihre Wohnungen zu verlassen, kommt laut Assmann selten vor. In dem Fall kann die Polizei Zwangsmaßnahmen vornehmen und die Personen auch gegen deren Willen aus dem Gefahrengebiet bringen. Die dadurch verursachten Kosten werden in Rechnung gestellt.

Anwohner reagieren ruhig auf die Nachricht

Fernsehtechniker Serkan Gökduman (30) macht sich wegen der Evakuierung keine Sorgen
Fernsehtechniker Serkan Gökduman (30) macht sich wegen der Evakuierung keine Sorgen © HA | Lea Pölkow

Anwohner zeigten sich am Freitag wenig beeindruckt: „Mich betrifft das nicht, weil ich während der Entschärfung ohnehin arbeite und nicht zu Hause bin“, sagt Serkan Gökduman (30). Außerdem komme das in Oldesloe fast jedes Jahr vor, sagt er zum Abendblatt. Auch Manfred O. hat solche Entschärfungen und die damit einhergehenden Evakuierungen schon häufig miterlebt. „Die ganze Familie ist unterwegs, und ich nehme meinen Hund Moo mit zur Arbeit“, sagt der Lastwagen-Fahrer. Auch bei seiner Arbeitsstelle im Hamburger Hafen gebe es hin und wieder Bombenfunde.

Ärgerlicher ist es für einige im Sperrgebiet ansässige Firmen wie den Reetdach-Hersteller Hiss Reet. Dort bringt die Entschärfung den Zeitplan etwas durcheinander: „Wir bekommen am Sonntag eine Lieferung, die eigentlich am Montag hätte entladen werden sollen“, sagt Marketingleiter Sven Bormann (52). Die Mitarbeiter müssen das Firmengelände ab 9 Uhr verlassen, der Betrieb wird erst gegen Mittag wieder aufgenommen.

Auch er nimmt die Entschärfung gelassen: Lastwagen-Fahrer Manfred O. (55) mit seiner Hündin
Auch er nimmt die Entschärfung gelassen: Lastwagen-Fahrer Manfred O. (55) mit seiner Hündin © HA | Johanna Helbing

Als schwierig gestaltet sich die Evakuierung eines Seniorenheims am Pölitzer Weg. „Die Bewohner werden in einen Gebäudetrakt gebracht, der sich knapp außerhalb der Sperrzone befindet“, sagt Rolf Assmann. Eine komplette Evakuierung sei bei 200 teils bettlägerigen Bewohnern nur schwer zu machen, aber in diesem Fall auch nicht nötig.

Bahnverkehr wird zeitweise unterbrochen

Die Entschärfung der Fliegerbombe im Claudiussee-Neubaugebiet hat auch Auswirkungen auf den Bahnverkehr. Der letzte Zug darf die Strecke um 10.30 Uhr passieren, dann wird die Bahnlinie vorübergehend gesperrt. In dem Zeitraum fahren die Züge für etwa zwei Stunden vom Hamburger Hauptbahnhof aus nur bis Bargteheide. „Der Bahnverkehr von Bad Oldesloe Richtung Lübeck ist nicht betroffen“, sagt Bahnsprecherin Sabine Brunkhorst auf Abendblatt-Anfrage. Der Bahnhof liegt nicht im Sperrgebiet und ist ohne Einschränkungen erreichbar.

Oldesloer Anwohner sollten sich auf eine mehrstündige Abwesenheit einrichten, da die Dauer der erforderlichen Sperrungen noch nicht genau bestimmt werden kann. Ordnungsamt der Stadt Bad Oldesloe, Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei arbeiten in diesem Fall eng zusammen und versuchen, die Beeinträchtigung für die Bevölkerung so gering wie möglich zu halten.

Bürger erhalten Unterstützung

Für Personen, die nicht anderweitig bei Familienangehörigen oder Freunden unterkommen können, steht ab 8 Uhr am Busbahnhof in der Käthe-Kollwitz-Straße (Bahnhofsvorplatz) ein klimatisierter Großraumbus zur Verfügung. Der Kreis Stormarn wird ab 7.30 Uhr ein Bürgertelefon unter der Nummer 04531/160-11 60 einrichten. Dort erhalten Menschen Unterstützung, die sich nicht eigenständig in Sicherheit bringen können.

Im Oldesloer Stadtgebiet werden immer wieder Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden. Betroffen sind vor allem Areale um den Bahnhof und entlang der Bahnlinien. Die letzte Evakuierung in vergleichbarer Größe liegt vier Jahre zurück. Damals musste am Glinthorst eine Fliegerbombe entschärft werden.