Barsbüttel. Bürger kritisieren Hamburger Behörde, dass sie über Hauptverkehrsader monatelang nicht in die Gemeinde gelangen. Es gibt ein Treffen.
Noch rund zwei Monate – dann beginnt die Sanierung der Barsbütteler Straße auf Hamburger Gebiet. Und die Stormarner Gemeinde wird über diese Strecke bis Jahresende nicht zu erreichen sein. Zahlreiche Bürger sind darüber entsetzt, schimpfen auf die zuständige Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) in der Hansestadt. Dazu gehört auch Daniela Röwekamp, die beim Nahversorgungszentrum in der Straße Am Akku mit ihrem Mann eine Physiotherapiepraxis betreibt. Sie sagt zum Abendblatt: „Wir werden dadurch die Grundversorgung für Patienten nicht mehr sicherstellen können. Denn bei Hausbesuchen rechnen wir mit einer Zehn-Minuten-Anfahrtszeit. Wenn es länger dauert, und das wird demnächst der Fall sein, fressen uns die Kosten auf.“
SPD-Fraktionschef sieht keine Chance für Planänderung
Die Unternehmerin wird am Montag, 25. Juni, einer Einladung der Barsbütteler Verwaltung in die Erich-Kästner-Gemeinschaftsschule am Soltausredder 28 folgen. Dort stehen ab 19 Uhr unter anderem BWVI-Vertreter Rede und Antwort. Es ist ein Treffen mit Konfliktpotenzial. Die Grünen haben per Flugblatt die Bevölkerung aufgerufen, bei dieser Veranstaltung zu protestieren. Unter anderem heißt es: „Wir lassen uns nicht vor vollendete Tatsachen stellen!“. Vieles deutet auf eine hohe Besucherzahl beim Treffen hin. „Ich schätze, dass es Ärger gibt. Denn es ist nicht erkennbar, dass Hamburg auf die berechtigten Sorgen der Bürger eingehen wird“, sagt Rainer Eickenrodt, Fraktionschef der örtlichen Wählergemeinschaft BfB. Sie ist die stärkste politische Kraft in der 13.700 Einwohner zählenden Stormarner Kommune. Der Kommunalpolitiker beklagt, dass bei dem Projekt ausschließlich die Interessen der Hansestadt eingeflossen seien.
Wie berichtet, wird die Hauptverkehrsader, auf der täglich rund 19.000 Fahrzeuge unterwegs sind, ab dem 20. August auf einem 720-Meter-Abschnitt zwischen Holsteiner Tor an der Landesgrenze und Ratiborweg grunderneuert. Ursprünglich war das Projekt für März 2019 geplant. Grund für den vorzeitigen Start sind Arbeiten auf Ausweichwegen wie der Möllner Landstraße im kommenden Jahr. Die Hamburger Behörde hat entschieden, dass Autos die Barsbütteler Straße bis Jahresende nur stadteinwärts befahren können. Wer also nach Barsbüttel will, muss Umwege von bis zu 20 Kilometer Länge in Kauf nehmen. Die Umleitungsstrecke ist über Oststeinbek, Glinde und die Kreisstraße 80 ausgeschildert, Alternativen sind die Autobahnen 1 und 24.
Barsbüttels Gemeindevertreter verabschieden Resolution
Barsbüttel ist bei Treffen in Hamburg mehrmals angehört worden und hatte Bedenken eingebracht. Umgesetzt werden die Vorschläge aus Stormarn aber nicht. So hatten Politiker einen Wechselspurverkehr samt Ampelschaltung ins Spiel gebracht. Im April verabschiedeten Barsbüttels Gemeindevertreter dann eine Resolution mit der Forderung, dass Hamburg Änderungen beim Projekt vornimmt – vergebens. Im Mai legte die örtliche CDU nach und beschwerte sich beim Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). „Eine Antwort haben wir nicht erhalten“, sagt Henri Schmidt, Fraktionsvorsitzender der Christdemokraten.
Seine Fraktion werde geschlossen zum Treffen gehen. „Unser Ziel ist es, das Thema auf die große Ebene zu ziehen.“ Hamburg müsse aufhören, nur bis an die Landesgrenze zu denken. „Die Barsbütteler Straße ist ein Beispiel für fehlende Zusammenarbeit“, so Schmidt. Auch die Grünen waren aktiv und starteten parallel zum CDU-Schreiben eine Initiative. Die Partei verteilte 6000 Protestkarten in der Gemeinde sowie in Jenfeld mit dem Slogan „20 Kilometer Umleitung für eine 720-Meter-Baustelle! Stoppt den Wahnsinn!“ Diese sollten unterschrieben an Tschentscher geschickt werden. „Die Resonanz war sehr groß. Bürger haben Karten gleich für ihre Nachbarn mitgenommen und auch Betriebe haben mitgemacht“, sagt Fraktionschef Joachim Germer. Er habe die Hoffnung, dass die Einbahnstraßenregel über 24 Stunden pro Tag aufgegeben und zu bestimmten Zeiten der Weg nach Barsbüttel ermöglicht werde.
Geschäftsinhaber und Dienstleister erwarten Einbußen
Tankstellenbetreiber Patrick Meyer ist einer, der die Karte unterschrieben hat. Er sagt: „Ich hoffe, dass ganz Barsbüttel zur Informationsveranstaltung kommt. Genauso wie Meyer wird auch Ulf Haverland dabei sein. Er hat das Ärztezentrum Am Akku gebaut, betreibt dort eine Apotheke sowie eine weitere in Jenfeld nahe dem Beginn der Baustelle. „Die Sperrung wird eine Katastrophe“, so Haverland. In seinem Hamburger Geschäft werde er das wirtschaftlich spüren. „Andere trifft es noch schlimmer. Unternehmer sind stocksauer.“ Zum Beispiel der Betreiber des örtlichen Edeka-Ladens, Mirko Strache: „Ich erwarte Umsatzeinbußen.“
Die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation hat inzwischen Anwohner in der Hansestadt sowie alle Haushalte in Barsbüttel angeschrieben, informiert darin über die Planungen. Zu Prüfungen und Überlegungen einer Ampellösung oder provisorischen Fahrbahnen auf Gehwegen heißt es: „Diese sind jedoch wieder verworfen worden, da diese aufgrund der Arbeits- und Verkehrssicherheit nicht möglich sind oder zu einer erheblich längeren Bauzeit geführt hätten.“
SPD-Fraktionschef Hermann Hanser macht den Barsbüttelern keine Hoffnung, dass sie durch ihren Protest ein Umdenken in Hamburg bewirken: „Die Sache ist längst in trockenen Tüchern. Leider müssen wir es akzeptieren.“