Oststeinbek. 25-Jähriger zahlt über Monate für ein Produkt, obwohl er keinen Vertrag abgeschlossen hat. Betreuerin prangert nun das Unternehmen an.

Es ist ein Fall, der fassungslos macht. Der die unsaubere Arbeitsweise von Telefonanbietern zeigt. Der dokumentiert, wie Firmen Geld generieren, das ihnen nicht zusteht – und Menschen verzweifeln lässt. Norayr Adamyan aus Oststeinbek geht in seiner Formulierung noch einen Schritt weiter, sagt: „Ich werde betrogen, zahle für eine Sache, obwohl ich nie einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen habe.“ Sein Groll gilt Vodafone. Dem Abendblatt liegen zahlreiche Dokumente vor, die belegen, wie oberflächlich der Umgang des Unternehmens mit dem Kunden ist.

Adamyan ist Armenier. 2015 flüchtet er nach Deutschland und schließt im November einen DSL-Kontrakt mit Vodafone, also Festnetz plus Internet. Der reicht ihm. „Mit den Konditionen war und bin ich zufrieden“, sagt der 25-Jährige. Damals ist er der deutschen Sprache noch nicht mächtig, erhält deswegen Hilfe eines Dolmetschers, der seinen Namen nicht öffentlich machen will. Dieser hinterlässt beim Anbieter seine Telefonnummer, um bei Fragen an Adamyan zu unterstützen.

Vodafone hatte keinen persönlichen Kontakt mit Adamyan

Im Januar dieses Jahres meldet sich Vodafone beim Dolmetscher. Die Frage, ob er Adamyan sei, verneint er, erhält aber ein Angebot aus dem Bereich TV und kommt der Bitte um Nennung seiner Adresse nach zwecks Senden einer Hardware. Das ist die Version des Dolmetschers. Dem Abendblatt sagt der Mann: „Ich habe das Gerät einen Tag nach Erhalt weitergereicht, wollte, dass Herr Adamyan prüft, ob die Sache für ihn interessant ist.“ Der wiederum schickt die Box sofort zurück an Vodafone. Damit ist die Angelegenheit für ihn erledigt, zumal die Firma nie mit ihm darüber kommuniziert hat.

Doch dann kommt es knüppeldick: Anfang März werden 79,98 Euro für das TV-Produkt vom Konto des Flüchtlings abgebucht. Auf der Abrechnung – Adamyan erhält fortan zwei pro Monat, eine davon für den DSL-Tarif – sind mehrere Posten aufgeführt, darunter ein Bereitstellungsentgelt. Kurios: Auf dem Adresskopf steht der Name des Dolmetschers.

Adamyan kündigt, dann nächste Auftragsbestätigung

Adamyan interveniert, erhält am 20. März eine Kündigungsbestätigung zum 15. April. Darin heißt es: „Zu viel bezahlte Beträge verrechnen wir mit Ihrer nächsten Rechnung.“ Doch nur einen Tag später flattert eine Auftragsbestätigung ins Haus für einen Digital HD-Recorder. Noch am Nachmittag besucht der Armenier den Vodafone-Flagshipstore am Jungfernstieg in der Hamburger City. Er ist allein unterwegs, kann sich inzwischen gut ausdrücken. Nach einem Praktikum sowie einem Hilfsjob macht er derzeit eine Ausbildung bei der Reinbeker Firma Party Rent, steht kurz vor der Sprachprüfung der Stufe B 1. Seine Frau (26) hat einen Minijob bei einer Drogeriehandelskette. Zu der Familie gehört auch ein zwei Jahre alter Sohn.

„Der Shopmanager hat mir mitgeteilt, ich sei im Recht und solle mich zwei, drei Tage gedulden“, sagt Adamyan zum Abendblatt. Er hat ein Schriftstück in DIN-A4-Format dabei. Inhalt: der Hinweis auf Arglist und die Aufforderung, das TV-Paket zu stornieren. Das Geschäft leitet die Reklamation ans Beschwerde-Management weiter.

Fünf Tage später wird der Widerruf abgelehnt

Fünf Tage später wird der Widerruf abgelehnt. Angeblich stimmt Adamyans Unterschrift nicht. Sie wurde im Laden am Jungfernstieg jedoch geprüft, das beteuert der Flüchtling, der in seiner Heimat Jura studiert hat. Im Schreiben des Telefonanbieters steht gleich im ersten Absatz: „Aus Datenschutzgründen können nur Sie Ihren Vertrag bei uns widerrufen.“

Helga Weber kann darüber nur den Kopf schütteln. Die 69-Jährige aus Oststeinbek betreut die Familie aus Armenien seit ihrer Ankunft im Ort und schaltet sich ein. Sie schickt eine Ausweiskopie des Betroffenen an den Vodafone-Kundenservice in Erfurt und fordert das eingezogene Geld zurück. Und sie teilt dem Anbieter mit, dass der 25-Jährige die Annahme der per E-Mail angekündigten Hardware verweigert.

Vodafone bedauert Verhalten auf Anfrage des Abendblattes

Ein weiterer Widerruf wird am 11. April erneut abgeschmettert. Begründung: die vorgesehene Frist von 14 Tagen sei abgelaufen. Diese unsinnige Erklärung bringt Weber noch mehr auf die Palme. Sie lässt sich eine Vollmacht von Adamyan ausstellen, telefoniert mit dem Kundenservice. „Uns wurde eine Teilerstattung der zu Unrecht gezahlten Gebühren angeboten mit dem Hinweis, dass der Vertrag erst 2020 endet“, so die Rentnerin. Über das Geschäftsgebaren von Vodafone hat sie eine klare Meinung: „Aus meiner Sicht ist das Betrug.“ Ihr sei eine ähnliche Sache mit einem anderen Anbieter passiert, dank ihrer Beharrlichkeit habe sich das aber geklärt.

Und diesmal? Am 2. Mai bekommt Adamyan die Kündigungsbestätigung zum TV-Produkt. Vertragsende ist demnach genau an jenem Datum. Fünf Tage später wird ihm eine Rechnung zugestellt und erneut Geld vom Konto abgebucht. In drei Monaten hat Vodafone 125,61 Euro eingezogen ohne Vertragsgrundlage. „Das Geld fehlt. Ich benötige es für meine Familie. Die ganze Angelegenheit stresst mich“, sagt der Armenier. Er erwägt, einen Anwalt und die Verbraucherzentrale einzuschalten. Und eines steht für ihn jetzt schon fest: „Meinen DSL-Vertrag, der am Jahresende ausläuft, werde ich nicht verlängern.“

Vodafone will dem Kunden 125,61 Euro erstatten

Das Abendblatt konfrontierte Vodafone mit dem Fall und bat um eine Stellungnahme. Eine Unternehmenssprecherin sagt: „Das Telefongespräch von Januar ist im Nachhinein leider nicht nachvollziehbar, insbesondere, dass es nicht mit dem Vertragspartner, sondern mit seinem Dolmetscher geführt wurde.“. Fakt sei, dass Vodafone eine abweichende Liefer- und Rechnungsadresse mitgeteilt wurde, an die der Digital-HD-Recorder versendet werden solle.

Vodafone verspricht, den Kabelvertrag umgehend zu beenden und dem Kunden 125,61 Euro zu erstatten. Dann sagt die Sprecherin: „Wir bedauern, hier nicht umgehend eine kulante Lösung im Sinne von Herrn Adamyan angeboten zu haben.“

Haben Sie Ähnliches erlebt mit Telefonanbietern? Dann schreiben Sie uns an Hamburger Abendblatt, Regionalausgabe Stormarn, Große Straße 11-13, 22926 Ahrensburg oder per E-Mail an stormarn@abendblatt.de

14.000 Mitarbeiter, 7,7 Millionen TV-Kunden

Vodafone Deutschland mit Firmensitz in Düsseldorf zählt zu den führenden Telekommunikationsunternehmen. Es beschäftigt hierzulande rund 14.000 Mitarbeiter, hatte im vergangenen Geschäftsjahr 46,3 Millionen Mobilfunk-Karten im Umlauf, 6,6 Millionen Festnetz- und 7,7 Millionen TV-Kunden.

Der Umsatz betrug mehr als zehn Milliarden Euro. Der deutsche Ableger ist die größte Landesgesellschaft der Vodafone-Gruppe. Der Konzern betreibt eigene Mobilfunknetze in 25 Ländern und unterhält Partnernetze in weiteren 46 Nationen.

Vodafone hat weltweit rund 535,8 Millionen Mobilfunk- und 19,7 Millionen Festnetz-Kunden.

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Lesen Sie hier einen Kommenta von René Soukup