Reinbek. Reinbeker wettern gegen Pläne, einen öffentlichen Weg zugunsten der Firma Allergopharma zu schließen. Lenkt die Politik nun ein?

Tiefes Misstrauen gegenüber der Verwaltung und Skepsis, ob die Firma Allergopharma mit offenen Karten spielt – so lässt sich die Stimmung bei der Einwohnerversammlung am Mittwochabend in der Aula der Gemeinschaftsschule in Reinbek zusammenfassen. Thema: Der Verkauf eines Fußweges zwischen der Hermann-Körner-Straße und dem Herrengraben. Dort hat der Medikamenten-Hersteller seinen Sitz im Gewerbegebiet. Doch das Betriebsgelände ist zweigeteilt. Ein öffentlicher Weg verläuft mitten hindurch. Das möchte Allergopharma ändern und der Stadt den etwa 200 Meter langen und drei Meter breiten Fußweg abkaufen. Anwohner müssten Umwege machen, um zum Einkaufscenter oder dem Sportpark zu kommen.

„Man will den Weg verkaufen. Wieso machen sie sonst das Ganze hier?“, empört sich ein Mann aus dem Publikum. Michael Vogt, als Sachbearbeiter in der Verwaltung zuständig für Bauleit- und Stadtplanung, versucht zu beschwichtigen: „Jeder kann an die Stadt mit Wünschen und Ideen herantreten.“ So habe auch Allergopharma einen Wunsch geäußert. Nun werde geprüft, ob die Stadt dem nachkomme. Dazu gehöre es auch, die Bürger einzubeziehen. „Deswegen machen wir diese Veranstaltung hier“, sagt Vogt.

Der Umweg wird 270 Meter betragen

So stellte das Planungsbüro Argus die Ergebnisse einer Verkehrsuntersuchung mit dem Schwerpunkt Fuß- und Radwegeverkehr vor. Sollte der Fußweg bei Allergopharma gesperrt werden, hätten die Anlieger der Schützenstraße künftig einen 120 Meter längeren Weg, sagen die Gutachter. Anwohner des Prahlsdorfer Wegs müssten hingegen 270 Meter mehr in Kauf nehmen.

Allein diese Zahl sorgte bei einigen Besuchern für Verärgerung. Denn die Verwaltung hatte zuvor mitgeteilt, dass maximal 130 Meter Umweg entstünden. Eine weitere Untersuchung der Planer ergab, dass an einem Freitag 277 Menschen den Weg benutzten, an einem Sonnabend 200. „Und warum haben sie nicht an einem anderen Wochentag gezählt, da wären Sie auf ganz andere Zahlen gekommen“, rief ein Besucher in den Raum.

Ferner kam das Planungsbüro bei einer Befragung in der Gemeinschaftsschule zu dem Ergebnis, dass nur zehn Kinder den Weg als Schulweg nutzen. „Wenn Sie auch die Grundschule miteinbezogen hätten, wären Sie zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen“, kritisierte ein Bürger.

Alternative Wege müssten sicherer gemacht werden

Ein weiterer Punkt in der Untersuchung waren Alternativen zum Fußweg. Eine Brücke, die beide Betriebsgebäude verbindet, ist laut Planer baulich nicht möglich. Ein Fußgängertunnel komme nicht infrage, weil dafür lange Rampen benötigt würden. Die beste Alternative: Die bestehenden Straßen und Wege drumherum nutzen. Allerdings müsste mehr für die Sicherheit der Menschen unternommen werden. So fehlen Querungshilfen über die Hermann-Körner-Straße. Vorschlag der Planer: Zebrastreifen, eine Verkehrsinsel, Kreisverkehre und barrierefreie Wege.

Rund 100 Menschen sind zur Einwohnerversammlung in die Aula der Gemeinschaftsschule Mühlenredder in Reinbek
Rund 100 Menschen sind zur Einwohnerversammlung in die Aula der Gemeinschaftsschule Mühlenredder in Reinbek © Dorothea Benedikt | Dorothea Benedikt

„Das kostet Millionen“, rief ein Bürger. Ein anderer: „Wer soll das bezahlen?“ Und es kommt Wut bei den Menschen auf. „Allergopharma kauft den Weg für 50.000 Euro, das ist für die die bequemste Lösung. Und der Steuerzahler darf den Umbau der Wege zahlen“, heißt es im Publikum. Ein Anwohnerin mahnt, die Schließung des Weges nicht mit den schlecht ausgebauten Fuß- und Radwegen zu verquicken. Auch für Erich Wollenberg ist dies ein Ärgernis. Der 70-Jährige saß früher im Behindertenbeirat. „Wir haben immer wieder daraufhingewiesen, dass die Wege nicht barrierefrei sind. Doch passiert ist nie etwas“, sagt der Mann und fügt hinzu: „Meine Frau saß im Rollstuhl ich habe sie zehn Jahre geschoben und weiß, wovon ich spreche. Heute ist Wollenberg selbst auf einen Krückstock angewiesen: „Da sind 270 Meter sehr viel.“ Zudem lebe er seit 1972 dort und benutze den Weg. Das solle auch so bleiben. Ein anderer Gast fast zusammen: „Allgemeinwohl geht vor Einzelwohl.“

Grünen und FDP fehlen Beweise für eine Auflage

Auch Günther Herder-Alpen von den Grünen meldete sich zu Wort: „Für mich gab es heute eine wesentliche neue Information. Der Fußweg ist die beste von vielen schlechten Lösungen.“ Und: „Vielleicht überlegt sich die Politik, ob sie da noch weiter machen möchte.“ Ein Satz, an den sofort der FDP-Politiker Volker Dahms anknüpfte: „Unser Vorschlag ist ein interfraktioneller Antrag, um diesen Blödsinn zu beenden.“

Dahms zweifelt genauso wie eine Initiative, die sich für den Erhalt des Fußweges gegründet hat, daran, dass Allergopharma nur Medikamente in den USA verkaufen kann, wenn die Firma über ein geschlossenes Betriebsgelände verfügt. Klaus Schumacher von der Initiative sagte, dass es diese Auflage nicht schriftlich gebe, die Firma es nur behaupte. „Wenn wir es schwarz auf weiß haben, dann kann man sich zusammensetzen und eine Lösung finden.“ Auch Grünen und FDP fehlen Beweise für diese Auflagen. Eine Sprecherin von Allergopharma verweist gegenüber dem Abendblatt auf Standards der Arzneimittelbehörde der Vereinigten Staaten.

Doch das reicht der FDP und den Grünen nicht. Herder-Alpen stimmt dem interfraktionellen Antrag zu: „Wir wollen das jetzige Verfahren auf Eis legen.“ Volker Müller, Fraktionsvorsitzender der SPD, der ebenfalls im Publikum saß, kritisierte seine Politik-Kollegen: „Diese Veranstaltung ist nicht das Forum für Stadtpolitik.“