Tangstedt. Das Tier soll ein Rehkitz getötet haben. Der Leiter der Tangstedter Polizeistation prangert uneinsichtige Hundehalter an.

Eigentlich sucht die Polizei bei Öffentlichkeitsfahndungen nach Einbrechern, Räubern oder Vergewaltigern. Nicht aber in diesem ungewöhnlichen Fall aus Tangstedt. Mit blutverschmiertem Fell reckt ein Hund, vermutlich ein Australian Shepherd oder ein Border Collie, den Kopf in die Höhe. Soeben hat das Tier nach Zeugenaussagen ein Rehkitz gerissen, kurz darauf fotografieren ihn entsetzte Spaziergänger, dann läuft der Hund weg – ein Halter ist weit und breit nicht zu sehen. Der Tatort befindet sich im Forstgebiet zwischen Tangstedt und Duvenstedt, und zwar im unbefestigten Teil der Wulksfelder Dorfstraße.

Die Hunde der Halter aus Eppendorf seien aggressiver

Formal handelt es sich lediglich um eine Ordnungswidrigkeit, es liegt eine Anzeige gegen Unbekannt vor. Unwahrscheinlich, dass sich der Hundebesitzer aus freien Stücken melden wird, zumal das Vergehen schon am 24. April zur Mittagszeit geschah. Für Volker Schmidt, Polizeihauptkommissar in Tangstedt, gibt es allerdings ein grundlegendes Problem: „Die Polizei hat regelmäßig mit Konflikten zwischen unangeleinten Hunden, sonstigen Waldnutzern und wildlebenden Tieren zu tun.“

Den Polizei- und Forstbeamten begegnen immer wieder uneinsichtige Hundehalter, die von der Leinenpflicht nichts wissen wollen. Genau deswegen stellt Schmidt diese Menschen nun an den Pranger. „Mit Weglassen der vorgeschriebenen Leine fallen auch bei so manchem Hundeführer die einfachsten Höflichkeitsregeln. Anstatt einer erwarteten Entschuldigung wird so mancher, der berechtigt Kritik übt, einfach nur beschimpft.“ Meist bleibe es dabei, dass Fußgänger, Jogger oder Radfahrer angebellt oder angesprungen würden, manchmal komme es aber auch zu Verletzungen durch Krallen oder sogar Bisse. Nach Erfahrung der Polizei sind viele Hundeführer nicht bereit, in diesen Fällen ihre Personalien anzugeben.

Viele Hund werden von ihren Besitzern nicht angeleint

Ein Rundgang durch das Forstgebiet südlich des Tangstedters Ortsteils Rade zeigt: Kaum ein Hund ist angeleint. Den Besitzern ist auf Nachfrage jeweils durchaus bewusst, dass sie ein Verwarnungsgeld von 50 Euro riskieren. „Die Hunde sollten natürlich auf den Wegen bleiben“, sagt eine Frau, die ihren nicht angeleinten Vierbeiner immer im Blick hat. Einen Tummelplatz sucht sie ungern auf. „Das ist viel zu eng.“ Neben ihr steht eine Dogwalkerin, die ein ganzes Rudel um sich herum hat – auch diese Hunde laufen frei durch den Wald. „In der Gruppe hauen die Hunde nicht ab, das machen eher einzelne Hunde“, sagt sie. Auch Karl Schröder aus Tangstedt lässt seinen 14 Jahre alten Podengo ohne Leine laufen. „Normalerweise gilt hier Leinenzwang. Aber alle Hunde sind ohne Leine, alle sind freundlich. Und es sind immer die selben Leute, die sich beschweren. Man darf Hunde nicht immer nur gängeln“, sagt er. Eine Einschränkung gibt er dennoch: „Früher waren hier nur Leute aus der Umgebung, da kannte jeder jeden. Jetzt kommen auch Menschen aus Eppendorf oder Eimsbüttel, und deren Hunde sind aggressiver.“

Ursula und Carl Garbe sind mit ihrer sieben Monate jungen Labradorhündin Lotta aus Langenhorn gekommen. „Hunde sind entspannter, wenn sie nicht an der Leine sind“, sagt das Ehepaar, deren Hund in der Alster badet. Sie weisen auf einen weiteren Aspekt hin: Wenn das eigene Tier angeleint ist, alle anderen Hunde jedoch nicht, wäre das ein Problem. „Es gibt hier eine Rangordnung.“

Es soll vermehrt Kontrollen im Waldgebiet geben

Einen Polizisten oder einen Kontrolleur des Ordnungsamtes haben die meisten Menschen im Wald noch nie gesehen. Das soll sich ab sofort ändern: Laut Volker Schmidt gibt es künftig vermehrte Kontrollen, Verstöße gegen die Leinenpflicht würden ausnahmslos sanktioniert. Die rechtliche Grundlage hierfür liefert das Landeswaldgesetz (Paragraf 17), wonach das Betreten eines Waldes für Hunde nur angeleint sowie auf den ausgewiesenen Wegen erlaubt ist.

Wer Hinweise zum gesuchten Hund und/oder Halter geben kann, soll sich bei der Polizei in Tangstedt unter Telefon 04109/92 82 melden. Wird der Halter ermittelt, muss er ein Bußgeld von mindestens 150 Euro zahlen. Zudem muss er dem für das Revier zuständigen Jäger Schadenersatz für das tote Reh leisten.

Neues Hundegesetz:

Seit Januar gilt das neue Hundegesetz. Die Landesregierung hat darin die sogenannte Rassenliste abgeschafft.

Kampfhunde gibt es nicht mehr, alle Rassen sind erlaubt. Dennoch kann ein Tier unabhängig von seiner Rasse als gefährlich eingestuft werden. Wenn Tiere wegen aggressiven Verhaltens auffallen, etwa durch Beißattacken, wenn sie andere Tiere hetzen oder reißen. Halter, deren Hunde als gefährlich eingestuft werden, müssen eine Sachkundeprüfung ablegen. Zudem muss ein Tierarzt den Hund begutachten.

Ein Antrag auf Rücknahmen der Einstufung als gefährlich kann frühestens nach zwei Jahren gestellt werden.

Einen Wesenstest muss das Tier zuvor bestehen. Verstöße können von den Kommunen mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 Euro geahndet werden.