Bad Oldesloe. Kommunen diskutieren über Beteiligung von Anwohnern an Kosten für Ausbau und Sanierung. Verwaltungsrechtler zeigt Alternativen auf.

Fast alle Stormarner Städte und Gemeinden diskutieren derzeit über die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge, die nach einer Änderung des Landesgesetzes möglich geworden ist. Doch gibt es eine gerechtere Alternative? Der Kieler Professor und Fachanwalt für Verwaltungsrecht Dr. Marcus Arndt lieferte in einer Einwohnerversammlung in Bad Oldesloe jetzt die nötigen Fakten als Entscheidungshilfe. Die zeigen: Bei anderen Modellen drohen Kostenfallen und Klagewellen.


Warum erheben Gemeinden Beiträge?
Die Idee hinter der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ist, dass etwa eine Wohnstraße für die Anlieger einen wesentlich größeren Nutzen hat als für die Allgemeinheit. „Sie müssen ja ihre Grundstücke erreichen und Besuch empfangen, während ein Bürger aus dem anderen Ende der Stadt die Straße eher selten nutzt“, erklärte Arndt. Gemeinden können daher bis zu 85 Prozent der Sanierungskosten auf Hausbesitzer umlegen. Die Höhe der Beteiligung hängt von der Art der Straße ab. Anwohner einer Stichstraße werden stärker belastet als die einer Durchgangsstraße, die auch von der Allgemeinheit genutzt wird. Bislang waren Städte und Gemeinden in Schleswig-Holstein per Gesetz gezwungen, Beiträge zu erheben. Diese Beitragspflicht wurde von der Kieler Landesregierung zum 20. Januar aufgehoben. Seitdem dürfen Kommunen selbst über die Art der Straßenfinanzierung entscheiden.


Warum stehen Straßenausbaubeiträge in der Kritik?

Die Bescheide können sich je nach Art der Straße und Größe des Grundstücks schnell auf einige Tausend Euro belaufen. In dem Oldesloer Ortsteil Seefeld könnte die Sanierung verschiedener Wirtschaftswege horrende Kosten verursachen: Einige Anwohner rechnen mit bis zu 80.000 Euro. Wann eine Straße saniert werden muss und dementsprechend Kosten ins Haus stehen, ist schwer absehbar.


Der Fachanwalt für Verwaltungsrecht Prof. Dr.  Marcus Arndt referierte in Bad Oldesloe über Straßenausbaubeiträge und Alternativen
Der Fachanwalt für Verwaltungsrecht Prof. Dr. Marcus Arndt referierte in Bad Oldesloe über Straßenausbaubeiträge und Alternativen © HA | Finn Fischer

Sind „wiederkehrende Beiträge“ eine bessere Alternative?
Einige Städte versuchen sich bereits in einer anderen Art der Beitragserhebung, sogenannten wiederkehrenden Beiträgen. „Dabei wird das gesamte Straßennetz im Grunde als eine öffentliche Einrichtung begriffen, für die dann Beiträge erhoben werden“, erklärt Professor Dr. Marcus Arndt. In dem Finanzierungsmodell erstellt eine Gemeinde einmal im Jahr eine Abrechnung über die Sanierungen und legt die Summe dann auf alle Grundstückseigentümer um. Alternativ wird über einen Zeitraum von fünf Jahren kalkuliert, welche Sanierungen anliegen und was diese voraussichtlich kosten. Die Beitragszahler gehen also in Vorleistung. Dabei entsteht zwangsläufig eine Über- oder Unterdeckung, die in den nächsten Planungszeitraum übertragen wird. Für gerecht oder praktisch hält Professor Arndt das Modell in den seltensten Fällen. So muss in einer Beitragserhebung immer ein Nutzen für den jeweiligen Zahler erkennbar sein. „Das ist nicht der Fall, wenn ein Bürger einen Beitrag für eine Straßensanierung in einem anderen Stadtteil entrichtet“, erklärt der Jurist. Daher müssten größere Städte wie Bad Oldesloe in Abrechnungsgebiete unterteilt werden und das – so beobachtet es Arndt in anderen Städten – bedeutet zwangsläufig Ärger: „Es ist unmöglich, diese Grenzen sinnvoll zu ziehen, das ist reine Willkür.“ In einem Bezirk werden Anlieger immer stärker belastet, als in anderen. Dadurch könne es zu Streitigkeiten kommen, die nicht selten vor Gericht landen. Außerdem bedeuten wiederkehrende Beiträge einen hohen Verwaltungsaufwand, der Kosten im Haushalt verursacht.


Können die Straßen mit Steuergeld saniert werden?
Die neue Gesetzgebung macht es grundsätzlich möglich, Straßensanierungen mit Steuergeld zu finanzieren und dafür die Grundsteuer anzuheben. Das klingt erst mal gerecht: Immerhin befindet sich jedes steuerpflichtige Grundstück an einer Straße, die irgendwann mal saniert werden muss. Auch ist es vom Verwaltungsaufwand her die einfachste Möglichkeit: Komplizierte Rechnungen, welcher Anlieger wie viel zahlen muss, entfallen. Doch kritisiert wird bei dieser Variante, dass die größten Straßennutzer zu günstig davon kommen: Industrie und Gewerbe. Firmen müssen derzeit höhere Sanierungsbeiträge zahlen. Das würde komplett entfallen. Außerdem würden Mieter stärker belastet. Hausbesitzer können die Grundsteuer komplett umlegen. „Wenn morgen die Grundsteuer erhöht wird, muss der Mieter übermorgen mehr zahlen“, sagt Marcus Arndt. Einige Gemeinde hätten ausgerechnet, dass die Grundsteuer um 170 Prozentpunkte steigen müsse, um die Straßensanierungen finanzieren zu können.


Werden Beitragszahler erneut zur Kasse gebeten?
Bei einer Grundsteuererhöhung können für bereits zur Kasse gebetene Hausbesitzer keine Ausnahmen gemacht werden, weil eine Steuer grundsätzlich nicht zweckgebunden ist. Bei der Umstellung auf wiederkehrende Beiträge sind Übergangsfristen möglich. Doch wie lang muss diese Übergangsfrist sein, damit sie gerecht ist? Immerhin muss eine Straße nur etwa alle 35 bis 50 Jahre saniert werden. Eine passende Antwort darauf hat auch Fachanwalt Professor Dr. Arndt nicht.

Steuern, Beiträge, Gebühren: Was sind die Unterschiede?

Steuern fließen in den Haushalt: „Es wird in der politischen Diskussion häufig der Eindruck vermittelt, dass es für eine bezahlte Steuer auch eine bestimmte Gegenleistung gibt, doch das ist falsch“, sagt Professor Arndt. So seien Steuern nie zweckgebunden. Mit der Hundesteuer müssen keine Hundeparks gebaut werden, die Kfz-Steuer ist nicht für den Bau und die Erhaltung von Straßen da. Eine Steuer fließt in den allgemeinen Haushalt – je nach Art in den des Bundes, des Landes oder der Gemeinde.

Beiträge finanzieren bestimmte Projekte. „Sie sind dafür gedacht, Investitionskosten zu refinanzieren“, sagt Arndt: „Hier gibt es also eine konkrete Gegenleistung.“ Beiträge wurden eingeführt, damit der Staat für einen kleinen Teil der Bevölkerung Angebote schaffen kann, die nicht von der Allgemeinheit getragen werden müssen.

Gebühren decken Unterhaltskosten. Sie ähneln im Grundsatz dem Beitragsmodell, werden jedoch nicht für die Finanzierung einer Baumaßnahme genutzt, sondern für deren Unterhalt. Wer ein städtisches Angebot nutzt – etwa Schwimmbad, Bücherei oder Abwasserentsorgung – zahlt eine Gebühr.

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