Reinbek/Kuddewörde. Nach Sturmtief „Burglind“ kämpfen Feuerwehr und THW in Stormarn und dem Herzogtum Lauenburg gegen die Fluten.

Erst kam Sturmtief „Burglind“, dann der Dauerregen der letzten Tage. In der Folge stiegen die Pegel der Flüsse in Schleswig-Holstein an, sie sorgten an vielen Stellen für Überflutungen. Straßen wurden überspült, Keller liefen voll. Besonders betroffen: die Kreise Stormarn und Herzogtum Lauenburg, durch die sich das Flüsschen Bille schlängelt, das schnell zu einem reißenden Gewässer anschwoll.

In Stormarn wurde sein Wasserstand unterhalb des Reinbeker Wehrs am Freitag bei zwei Metern über dem Normalwasserstand gemessen – und dürfte damit wahrscheinlich der höchste Wasserstand seit Installation des Pegels 1976 sein. „Wir werden noch drei Tage Lage haben“, lautete die Prognose von Hans-Jörg Haase, Oberwehrführer der Freiwilligen Feuerwehr (FF) Reinbek, zur Hochwasserlage der Bille am Freitagmorgen. Lage heißt Katas­trophen­lage, und die hält derzeit nicht nur 35 Reinbeker Feuerwehrleute, sondern viele weitere Einsatzkräfte im Süden Stormarns in Atem.

Ausgelöst wurde sie durch außerordentlich starke Regenfälle im Herzogtum Lauenburg im Verlauf des Bille-Oberlaufs. Auch die als Pollerfläche deklarierte Wiese am Reinbeker Krankenhaus konnte die nachfließenden Wassermengen wie viele andere Böden nicht mehr aufnehmen.

Pumpen können 16.000 Liter Wasser pro Minute pumpen

Am Wehr in Reinbek seien am Donnerstag um 5 Uhr morgens zusätzliche 40.000 Liter pro Minute gemessen worden. Mittlerweile sei in Brunstorf ein Katastrophenstab-Lagezentrum des Herzogtums Lauenburg eingerichtet, an dem Feuerwehren und Einheiten des THW aus Kiel und Lübeck mit leistungsstarken Pumpen im Einsatz seien. „Wir bekommen aus dem Lagezentrum Meldung, mit wie viel Wasser wir zusätzlich rechnen müssen“, sagt Oberwehrführer Haase, der ebenso angespannt wirkte wie die Lage. „In den anderen Ortschaften oberhalb der Bille wird an sieben Stellen gepumpt“, schilderte er die Situation. Zwischen 2000 bis 16.000 Liter pro Minute betrage die Kapazität der Pumpen, das Wasser sammle sich zusätzlich in der Bille.

Im schlimmsten Fall könnte sich ein Pfropfen, verursacht durch abgebrochene und mitgeschwemmte Äste oder Unrat, am Schlosswehr bilden. Die Folgen wären katastrophal, Häuser in der Stadtmitte nähmen unweigerlich Schaden. „Der Kanal ist das schwächste Glied“, erläutert Feuerwehrmann Haase. Er rechnete mit bis zu 90.000 Liter pro Minute mehr Aufkommen. „Wenn die Grander ihre Pumpen anschmeißen, bekommen wir weitere 14.000 dazu.“ Erste Priorität: Gewährleistung des störungsfreien Abflusses der Bille Richtung Bergedorf im Bereich zwischen Reinbeker Wehr und Böge.

Wirtsleute verbringen die Nacht in ihrer Grander Mühle

Inzwischen hilft das Technische Hilfswerk (THW). Die Einsatzkräfte fangen mit einem Boot das Treibgut ab. Zwei Gebäude an der Bahnhofstraße und Oberen Bahnstraße wurden zuvor mit Sandsäcken gesichert. Das Museum Rade brachte seine Exponate in Eigenregie in Sicherheit.

Eigenregie ist auch von Leonardo und Nicoletta Santoiemma gefordert, den Betreibern des Restaurants Il Caminetto in der historischen Grander Mühle. Die Nacht von Donnerstag auf Freitag verbrachte das Ehepaar im Restaurant statt zu Hause, immer Pegelstand und Feudel im Blick. An der Mühle halten Sandsäcke das Wasser in Schach, sind Pumpen im Einsatz. Am Donnerstag fiel eine aus. Innerhalb von Minuten lief die große Gaststube voll Wasser. Zum Glück konnte die Feuerwehr schnell eine neue Pumpe organisieren, inzwischen ist der Raum wieder trocken.

Das Hochwasser in der Bille

Eine Gruppe Schafe in Aumühle am Ufer der Bille, die wegen starker Regenfälle schon an mehreren Stellen über die Ufer tritt
Eine Gruppe Schafe in Aumühle am Ufer der Bille, die wegen starker Regenfälle schon an mehreren Stellen über die Ufer tritt © dpa | Daniel Reinhardt
Eine Barriere aus Sandsäcken verhindert, dass das Hochwasser der Bille in den Wintergarten eines Hotels in Aumühle läuft.
Eine Barriere aus Sandsäcken verhindert, dass das Hochwasser der Bille in den Wintergarten eines Hotels in Aumühle läuft. © dpa | Daniel Reinhardt
Eine Feuerwehrfrau in Kuddewörde an einer Sandsack-Barriere an der Bille.
Eine Feuerwehrfrau in Kuddewörde an einer Sandsack-Barriere an der Bille. © dpa | Daniel Reinhardt
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„Heute gibt es keine Pizza, nur Pasta“, bedauert der Wirt, der Strom werde für die Pumpen benötigt. Es ist bereits das vierte Mal, dass die beiden seit Einzug in das denkmalgeschützte Gebäude mit Hochwasser zu kämpfen haben. Obwohl die Säcke diesmal noch ein Stück höher geschichtet werden mussten, geben sie nicht auf. „Wir sind sehr glücklich hier“, sagt Nicoletta Santoiemma, ganz gerührt von der Solidarität der Gäste. „Viele fragen, ob sie helfen können.“

Bis sich die Lage entspannt hat, werden die Pegelstände an der Bille rund um die Uhr überwacht. Hoffnung auf Besserung macht die Wettervorhersage fürs Wochenende: Es soll trocken und schön im Norden werden.