Bargteheide/Lübeck. Es geht weiter im Bargteheider Mordprozess: Verteidiger fordert eine Verurteilung wegen Totschlags an seiner Ex-Freundin.

„Er ist ein nicht gerade sympathischer Mensch. Er ist ein Widerling, der lachend jemandem ins Gesicht lügt und auch gewalttätig wird.“ Mit diesen Worten beschreibt Jan Marcus Schulte in seinem Plädoyer seinen Mandanten Sven S. Der Verteidiger läuft dabei hinter dem Angeklagten, der im August 2016 in Bargteheide seine Ex-Freundin getötet hat, auf und ab. Die linke Hand hat er leger in der Hosentasche, in der anderen hält er einen DIN-A-4-Zettel, auf den er immer wieder blickt.

„Mit Verlaub Herr Vorsitzender, er ist ein echtes Arschloch. Weil er so ist, macht es ihn aber noch nicht zum Mörder“, so der Anwalt weiter. Mit dieser Einleitung versucht er, die I. Große Strafkammer am Landgericht in Lübeck davon zu überzeugen, dass Sven S. nicht wegen Mordes, sondern wegen Totschlags zu verurteilen ist. Der Bargteheider könnte damit einer lebenslangen Freiheitsstrafe – also mindestens 15 Jahre Haft – entgehen. Ein konkretes Strafmaß nennt der Anwalt aus Kiel bei dieser Forderung nicht. Für Totschlag sind fünf bis 15 Jahre möglich.

Motiv für die Tat: Trennung von Svea T. nicht akzeptiert

„Er hat sie getötet“, sagt Schulte und erklärt anschließend in einem fast 30-minütigen Vortrag, warum die Mordmerkmale Heimtücke und niedrige Beweggründe, wie sie die Staatsanwaltschaft sieht, in diesem Fall nicht erfüllt seien.

Wie berichtet, ist die Anklagebehörde davon überzeugt, dass Sven S. seine Ex-Freundin in seiner Wohnung in einen Hinterhalt gelockt und dort mit drei Schüssen getötet hat. Das Motiv: Er hat die Trennung von der 28-jährigen Svea T. nicht akzeptiert.

Die Verteidigung sieht es anders und stellt die Frage, ob das Opfer tatsächlich arglos war? Sven S. hatte sie per WhatsApp-Nachricht gebeten, für ihn am 12.August 2016 einzukaufen und die Lebensmittel in seine Wohnung zu bringen. Er gab an, im Urlaub in Italien zu sein und am nächsten Tag wiederzukommen.

Verteidiger ist sicher: Sven S. hat die Tat nicht geplant

Verteidiger Jan Marcus Schulte sagt: „Es kam zu einem kurzen und heftigen Streit und danach hat’s geknallt. Von Heimtücke kann nicht die Rede sein
Verteidiger Jan Marcus Schulte sagt: „Es kam zu einem kurzen und heftigen Streit und danach hat’s geknallt. Von Heimtücke kann nicht die Rede sein © HA | Dorothea Benedikt

Doch der Urlaub war eine Lüge. Sven S. wartete auf seine Ex-Freundin. Noch im Wohnungsflur schoss der Bodybuilder auf Svea T. Diese hätte laut Jan Marcus Schulte wissen können, dass sein Mandat wieder zu Hause war. Dies hatte er seiner Schwester und Freunden mitgeteilt, somit sei nicht ausgeschlossen, dass Svea T. auch davon erfahren habe. Ferner habe er sie nicht in einen Hinterhalt gelockt. „Es kam zu einem kurzen, heftigen Streit und danach hat’s geknallt“, so der Anwalt, der damit begründet, dass die Tat nicht geplant war.

Auch, dass Sven T. noch zweimal auf die am Boden liegende Svea T. geschossen hat, begründet der Verteidiger damit, dass sein Mandant das zu Ende gebracht habe, was er angefangen hatte. Er spricht von einer spontanen Tat, und nicht von einem Hinterhalt oder niedrigen Beweggründen. Letzteres könne S. auch nicht vorgeworfen werden, weil er sei wie sei. An dieser Stelle verweist der Jurist an seine Beschreibung zu Beginn des Plädoyers.

Opfer soll Angst gehabt haben vor dem Angeklagten

Staatsanwalt Nils-Broder Greve sieht dies anders. Für ihn ist bei dieser Frage die Persönlichkeit heranzuziehen. Er betont, dass Svea T. sehr wohl in einen Hinterhalt gelockt wurde. „Er hätte schließlich schreiben können, dass er früher zurückkommt und sie nicht einkaufen muss.“ Ferner habe Sven S. sehr wohl gewusst, dass T. am Morgen die Wohnung betreten werde.

Warum die junge Bargteheiderin ihrem Ex-Freund diesen Gefallen tun wollte, ist unklar. Freunde, die im Prozess als Zeugen aussagten, gaben an, dass Svea T. Angst vor dem Angeklagten hatte. Sie hatte sogar wenige Monate vor der Tat ein Kontaktverbot beim Amtsgericht erwirkt, weil ihr Ex-Freund sie bedrohte. Bekannte des Opfers sagten, sie hielt dennoch weiter Kontakt zu S., aus Sorge, er könnte ihr oder ihren Eltern etwas antun. Sogar die Polizei habe ihr dazu geraten.

Am Mittwoch, 29. November, soll um 9 Uhr das Urteil gegen Sven S. verkündet werden.