Stapelfeld. 350.000 Tonnen Abfall landen jedes Jahr in der Müllverbrennungsanlage in Stapelfeld und werden zu Strom und Wärme. Ein Ortstermin.
Es riecht nach... nichts. Jedenfalls fast überall auf dem viereinhalb Hektar großen Gelände der Müllverbrennungsanlage (MVA) in Stapelfeld. Dabei kommen hier im Minutentakt Lastwagen voller Müll angefahren, rund 130 jeden Tag. Erst in der sogenannten Kipphalle, wo der Abfall ausgeladen wird und in eine riesige Betonrutsche fällt, riecht es intensiv nach dem, was jeder von uns tagtäglich in den Abfalleimer wirft. Bis zu 350.000 Tonnen Müll kann die Anlage pro Jahr verbrennen. Davon stammen rund 54.000 Tonnen aus Stormarner Haushalten und Betrieben, der Rest aus den Kreisen Bad Segeberg und Herzogtum-Lauenburg sowie Hamburg.
Seit dreieinhalb Jahren ist Holger Heinig Technischer Geschäftsführer der MVA, die 1979 ihren Betrieb aufnahm und seit März vergangenen Jahres der chinesischen Beijing Enterprises Holding Limited gehört. Heinig ist es auch, der durch die Anlage führt. „Besuchergruppen sind immer sehr erstaunt, wie viel technisches Knowhow in solch einer Anlage steckt“, sagt der Ingenieur. „Der ein oder andere hat wohl die Vorstellung, dass hier ein paar Männer um ein offenes Feuer herumtanzen.“ Das wäre vielleicht ganz nett anzusehen, hätte aber keinesfalls den gewünschten Effekt. Aufgabe des Stapelfelder Betriebes ist es nämlich, den Müll nicht nur zu verbrennen, sondern ihn auch energetisch zu nutzen. „Eine Tonne Abfall erzeugt 600 Kilowattstunden Strom“, sagt Holger Heinig. Damit sei Müll eine wichtige Ressource, deren Heizwert mit dem von Braunkohle vergleichbar ist.
Die Anlage versorgt 38.000 Haushalte mit Strom
Die MVA produziert jährlich 132.000 Megawattstunden Strom und versorgt damit umgerechnet 38.000 Haushalte. Der verbrennende Müll erzeugt auch mehr als 240.000 Megawattstunden Fernwärme, von der 25.000 Haushalte in Stapelfeld und in Teilen Hamburgs profitieren. „Einfach ausgedrückt: Wir sind ein Kraftwerk mit Müll als Brennstoff“, sagt Holger Heinig, während er nach einer Aufzugfahrt und langen Gängen durch das scheinbare Labyrinth der MVA die Tür zur Schaltwarte öffnet. Dort sitzt Niels Flottwell mit vier Kollegen der Tagesschicht. Sie überwachen an Monitoren, ob innerhalb der Anlage alles läuft, wie es laufen soll.
„Wir kontrollieren unter anderem die Temperaturen und die Messwerte“, erklärt Flottwell. „Sobald die sich ändern, können wir von hier aus gegensteuern.“ Messwert ist das Stichwort für Geschäftsführer Holger Heinig. „Wir arbeiten sehr korrekt und liegen mit unseren Emissionswerten weit unter den vorgeschriebenen Grenzen“, sagt er. Die Anlage Stapelfeld, die zur EEW -Gruppe (Energy from Waste) gehört, sei eine der saubersten Verbrennungsbetriebe Europas. Das, was aus dem 110 Meter hohen Kamin herausströmt, sind 140 Grad heiße Abgase, die zuvor durch Aktivkoksfilter, Elektrofilter und einen Katalysator gereinigt wurden.
Polizei und Zoll verbrennen Drogen und Schmuggelware
„Den hohen Standard haben wir seit dem Umbau 1997 und halten ihn durch regelmäßige Investitionen und ständige Überprüfung aufrecht“, sagt Heinig. Unter diesen Voraussetzungen gebe es für ihn heute und in Zukunft keine bessere und umweltschonendere Alternative bei der Müllentsorgung. Die rund 70 Arbeitnehmer, die die MVA beschäftigt, müssen sich laut Heinig um ihren Arbeitsplatz keine Gedanken machen. Er sagt: „Die Recyclingquote ist noch nicht so hoch, dass ein Abwärtstrend in der Müllverbrennung ersichtlich ist.“ Heißt, es wird auch künftig genügend Abfallrohstoff geben, der auf den beiden je zehn Meter langen und sechs Meter breiten Verbrennungsrosten bei 1100 Grad in Flammen aufgeht.
Damit das reibungslos funktioniert, muss Kranführer Michael Martinsen vorher für eine gut brennbare Müllmischung sorgen. In einem geruchsdichten Glaskasten thront er im sogenannten Bunker hoch über den Abfällen. Geschickt lenkt Martinsen den fünf Tonnen schweren Greifer samt Inhalt durch den dunklen Raum. Ist die Mischung gut, lässt er sie in den Trichter fallen, wo sie nach und nach in den Feuerkessel rutscht. „Alle paar Monate landen hier auch Drogen, gefälschte Sportkleidung oder geschmuggelte Zigaretten, die Polizei oder Zoll sichergestellt haben“, sagt Geschäftsführer Heinig. „Die Beamten werfen das Zeug selbst in den Trichter.“ Eine Überdosis schadet der Anlage nicht – mächtige Baumstümpfe dagegen schon. Erst vor kurzem verstopften sie den sogenannten Entschlacker. Hitze und Brenndauer reichten nicht aus, um aus den Stümpfen Asche zu machen. „Dafür ist unsere Anlage nicht ausgelegt“, sagt Holger Heinig. „Die haben wir bei der Masse an Müll übersehen, sonst hätten wir sie vorher aussortiert.“ Die Anlage musste gestoppt werden, die Baumstümpfe wurden per Kettensäge und hohem Wasserdruck zerkleinert. „Das war ein gefährlicher Einsatz für unsere Mitarbeiter. Zum Glück haben wir solche Probleme mit normalem Hausmüll nicht“, sagt Heinig. Ab und an landen aus Gewerbebetrieben jedoch meterlange Metallrohre bei ihnen. Auch die könnten der Anlage schaden. „Deshalb gehören die nicht hierher, sondern auf den Recyclinghof.“
Ein Annahmekatalog legt fest, was für die MVA geeignet ist. Davon bleibt nach der Verbrennung kaum etwas übrig: Von 100 Prozent Volumen sind es gerade einmal zehn Prozent. Und selbst der Abfall von der Müllverbrennung wird verwertet: Die Schlacke kommt im Straßenbau zum Einsatz, Flugasche und herausgefilterte Stäube dienen beispielsweise in stillgelegten Salzbergwerken zur Auffüllung von Hohlräumen. Mit diesem ganzen Wissen macht selbst der übelriechendste Müll wieder Sinn – wenn er so effektiv und umweltschonend genutzt wird wie in Stapelfeld.