Glinde. Stadt übernimmt Aufsichtsfunkition vom Kreis und könnte etwa über Tempo-30-Zonen selbst entscheiden. Falschparken wird jetzt geahndet.
Die Stadt Glinde will ihre Verkehrsprobleme künftig selbst in den Griff bekommen. Die Stadtvertreter haben mit großer Mehrheit beschlossen, dass die Kommune die Aufgaben der Verkehrsaufsichtsbehörde übernimmt. Einstimmig legten sie auch fest, das Glinde künftig den ruhenden Verkehr selbst regeln und ahnden darf.
Zuvor hatte nicht nur die Entscheidung der Kreisverkehrsbehörde, an den Straßen Holstenkamp und Kaposvár-Spange trotz zweier Schulen und Kitas die Tempo-30 Zone abzuschaffen, für viel Unverständnis und Kritik in der Stadt gesorgt. Auch die Parkplatznot am Markt sorgt für Dauerärger bei den Bürgern, weil Pendler hier viele Stellplätze ganztags belegen. Den Unmut der Einwohner bekamen die drei Bürgermeisterkandidaten im gerade abgelaufenen Wahlkampf deutlich zu spüren. Denn wer in Glinde derzeit sein Fahrzeug nicht ganz vorschriftsmäßig abstellt, kommt meist ohne Strafe davon. Anders als in anderen Stormarner Städten wie Reinbek oder Trittau gibt es in der südstormarner Kommune bisher keine städtische Parküberwachung. Die Polizei kann die Aufgabe mangels Personal nicht wahrnehmen. Die Beamten machen lediglich Stichproben und stellen Knöllchen aus, wenn sie zufällig eine Ordnungswidrigkeit entdecken.
Glinde will Antrag an das Land bis 1. Januar 2018 stellen
Seit dem 31. März dürfen Kommunen ab 10.000 Einwohner indes jene Verkehrsangelegenheiten, die rechtlich einen Ermessensspielraum erlauben, selbst regeln. Landesweit bekamen so 32 Verwaltungen die Möglichkeit, in ihrem Gemeinde- oder Stadtgebiet über Ampeln, Zebrastreifen, Tempolimits, Verkehrszeichen und andere Dinge gemäß den rechtlichen Rahmenbedingungen zu entscheiden. Zuvor betrug die Grenze 20.000 Einwohner. Für Städte und Gemeinden, die unterhalb der Einwohnergrenze liegen, ist die Straßenverkehrsbehörde des Kreises zuständig. Die Appelle der Bürger leiteten bei den zuvor zögernden Glinder Politikern ein Umdenken ein. „Es ist sinnvoll, dass wir das künftig vor Ort regeln können“, sagt der Vorsitzende des Hauptausschusses Wolf Tank (Bündnis 90/Die Grünen). In seinem Gremium war das Für und Wider der Übernahme der Verkehrsaufsicht und der Überwachung des ruhenden (Park-) Verkehrs noch einmal diskutiert worden. Dabei ging es auch um die Kosten, die der Stadt durch die zusätzliche Aufgabe entstehen. Denn dafür muss Glinde jährlich rund 85.000 Euro aufwenden. Für die Verkehrsaufsicht entstehen Personalkosten von circa 14.000 Euro im Jahr, bei acht Stunden pro Woche. Die Verfolgung und Ahndung der Verstöße des ruhenden Verkehrs erfordert für je eine 20-Stunden-Stelle in der Verwaltung und im Außendienst 54.000 Euro jährlich. Hinzu kommen 17.000 Euro pro Jahr für laufende weitere Kosten und einmalig etwa 12.000 Euro für die Ausstattung. Die geschätzten Einnahmen aus der Überwachung des ruhenden Verkehrs betragen laut Berechnung des Kreises Stormarn circa 88.000 Euro im Jahr. Dabei ist davon auszugehen, dass die Einnahmen nach einem gewissen Lerneffekt sinken werden.
Die Stadt will den Antrag an das Land für die Übernahme der Aufgaben bis zum 1. Januar 2018 stellen. Bürgermeister Rainhard Zug sagt: „Wir müssen dafür nachweisen, dass wir die finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen geschaffen haben.“ Bereits Ende des ersten Halbjahres 2018 könnten in Glinde dann Knöllchen an Parksünder verteilt werden.
Dauerthema: Klage über zugeparkte Wohnstraßen
Die umstrittene Tempo-50-Regelung am Holstenkamp wurde nach massiven und über ein Jahr andauernden Bürgerprotesten vom Kreis bereits korrigiert. Die Tempo-30-Regelung soll nun wieder auf Höhe der Straße Eichloh im Holstenkamp beginnen und am Netto-Markt an der Kaposvár-Spange enden. Die derzeitige Vorfahrtsregelung bleibt erhalten, ebenso die Ampel vor der Gemeinschaftsschule Wiesenfeld und der Radweg auf der westlichen Seite.
Mit dem zusätzlichen Personal für Verkehrsüberwachung könnte Glinde auch noch ein weiteres Ärgernis verstärkt angehen. Denn ein Dauerthema im Ordnungsamt sind auch Klagen über zugeparkte Wohnstraßen, die Feuerwehr oder Müllabfuhr die Durchfahrt erschweren. Als die älteren Wohngebiete der Stadt entstanden, gab es pro Eigenheim meist nur einen Pkw. Heute fahren Eltern und Nachwuchs Auto und finden kaum Stellplätze. Und während Autofahrer im Straßenverkehr für Retter mit Blaulicht selbstverständlich zur Seite fahren und so Platz schaffen, vergessen viele beim Parken, die notwendigen Durchfahrtswege frei zu lassen. Die Rettungsfahrzeuge der Feuerwehr benötigen aber eine Durchfahrtsbreite von exakt 3,05 Metern, die Tag und Nacht frei bleiben muss. Denn die gesetzliche Hilfsfrist, innerhalb derer die Retter im Brandfall vor Ort sein müssen, beträgt acht Minuten nach Alarmierung. Sie spiegelt die Zeit wieder, in der ein Mensch in einem Brandfall noch eine reelle Überlebenschance hat.