Glinde . Der Bürgerentscheid ist zwei Jahre bindend. Danach könnte das Thema über die Eigenständigkeit beider Schulen wieder aktuell werden.
Es ist eine schallende Ohrfeige für Glindes Politiker. Auch am Morgen danach herrschte bei Wolf Tank, dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen, noch Ratlosigkeit, nachdem der einstimmige Beschluss der Stadtvertretung zur Fusion der beiden Gemeinschaftsschulen Wiesenfeld und Sönke Nissen zum Sommer 2018 am späten Sonntagabend per Bürgerentscheid gekippt wurde. Dieser ist zwei Jahre bindend. Und dann? In Stein gemeißelt ist die Eigenständigkeit beider Bildungseinrichtungen jedenfalls nicht. Politiker senden ein klares Signal an die Gegner der Zusammenlegung: dass sie sich nicht in Sicherheit wähnen sollen.
„Ein erneuter Fusionsbeschluss ist möglich“, sagt Tank. Damit das nicht passiert, fordert er jetzt Lösungsvorschläge von den Schulen für die Probleme, die Anlass für die Entscheidung der Parteien gewesen seien. Der Politiker: „Wir sollten regelmäßig über den Stand der Gespräche informiert werden. Es müssen endlich Resultate her.“
CDU, SPD und Grüne hatten Zusammenlegung beschlossen
Ähnlich sieht es der CDU-Fraktionsvorsitzende Rainer Neumann, beschreibt es aber mit anderen Worten: „Ich will jetzt erstmal die Entwicklung abwarten und die Situation in zwei Jahren neu beurteilen.“ Er habe Zweifel, dass die Bereitschaft zu einer Kooperation nach dem Bürgerentscheid größer sei als vorher. „Es ist aber nicht mein Anliegen, den Bürgerentscheid gleich zu konterkarieren.“ CDU, SPD und Grüne hatten die Zusammenlegung beschlossen, weil sie das „Zwei-Klassen-System“ abschaffen und für mehr Gerechtigkeit sorgen wollten.
Die Sönke-Nissen-Schule hat keine Oberstufe, ist deshalb weniger beliebt als die andere Gemeinschaftsschule. Wiesenfeld musste in der Vergangenheit viele Kinder wegen der hohen Nachfrage ablehnen, die also nicht ihre Wunschschule besuchen durften und dafür beim kleineren Nachbarn landeten. Hinzu kommt, dass Flüchtlingskinder in den DAZ-Klassen ausschließlich in der Sönke-Nissen-Schule unterrichtet werden, die ohnehin unter Schülerschwund leidet.
Direkte Fusionskosten in Höhe von fünf Millionen Euro
Der Schulentwicklungsplan prognostiziert bis 2022 an der Bildungseinrichtung 32 Prozent weniger Jungen und Mädchen auf dann 344. Sinkt die Zahl längerfristig unter 240, könnte das Ministerium die Schule schließen.
Widerstand gegen das Projekt leistete vor allem die Wiesenfelder Elterninitiative „Interessengemeinschaft Schulvielfalt in Glinde“ (IG), die ein Bürgerbegehren initiierte, das in einem Entscheid mündete. Mit klarem Votum: 64,9 Prozent sprachen sich gegen die Zusammenlegung aus. Die IG fürchtete unter anderem eine anonyme Lernfabrik mit 1350 Schülern und zu hohe Kosten. Denn die Wiesenfelder sollten vom Holstenkamp ins Schulzentrum am Oher Weg zur Sönke-Nissen-Schule ziehen und mit dem dort ansässigen Gymnasium ihre neuen Räume tauschen. Laut Bürgermeister Rainhard Zug hätten die direkten Fusionskosten rund fünf Millionen Euro betragen.
Wiesenfelder Rektor schlägt Bildung eines runden Tisches vor
Bis zuletzt hatte eine zweite Initiative mit dem Namen „Pro Schulfusion“ versucht, die Bürger von der Notwendigkeit eines Zusammengehens zu überzeugen. Sprecher Philipp Maschmann ist ob des Ergebnisses zwar geknickt, sagt aber: „Es muss nicht immer da, wo es Gewinner gibt, Verlierer geben.“ Er hoffe nun, dass ein von der Wiesenfelder Schule kommuniziertes Angebot zur Kooperation ernst gemeint sei.
Daran lässt der Wiesenfelder Rektor Johannes Haarbeck, der sich zuletzt bewusst aus den Diskussionen herausgehalten hatte, keine Zweifel. „Wir müssen einen runden Tisch bilden und schauen, wie wir die Schullandschaft in Glinde stärken.“ Möglich sei zum Beispiel, dass Schüler der Sönke-Nissen-Schule bei entsprechender Leistung einen Rechtsanspruch auf einen Platz in der Oberstufe bekämen, nicht aber auf ein Profil. „Den Zuschlag können wir auch denjenigen nicht garantieren, die unsere Schule schon seit Jahren besuchen“, sagt der 52-Jährige. Haarbeck halte eine Kooperation mit Beginn des Schuljahres 2018/19 für machbar.
Für zeitnahe Gespräche plädiert der Leiter der Sönke-Nissen-Schule, Sascha Plaumann: „Wir sind mit der Integration überfordert, müssen mit dem Schulträger und der Gemeinschaftsschule Wiesenfeld Lösungen für die strukturellen Probleme finden.“ Plaumann war genauso wie Haarbeck nicht bei der Verkündung des Ergebnisses am Sonntagabend im Bürgerhaus, stand allerdings ständig in telefonischem Kontakt mit der Verwaltung. Somit war er über das Votum in den jeweiligen Wahlbezirken informiert.
Elterninitiative will an Konzept für bessere Schule mitarbeiten
Silke Lumpe von der Interessengemeinschaft „Schulvielfalt in Glinde“ möchte sich und ihre Mitstreiter nicht als Verhinderer und Protestler ohne Konzept verstanden wissen. „Wir machen weiter, Glinde braucht Unterstützung. Wir wollen Lösungen für eine gute Schullandschaft erarbeiten und unser Versprechen halten“, sagte sie dem Abendblatt.
Der am Sonntag wiedergewählte Bürgermeister Rainhard Zug kündigt baldige Gespräche mit den Schulen und den Politikern an. Zu einem möglichen Fusionsbeschluss in 2019 sagt er: „Davon rate ich ab.“ Sein Wunsch sei es jetzt, aus der Sönke-Nissen-Schule eine starke Gemeinschaftsschule ohne Oberstufe zu machen.