Glinde. Bank-Geheimnisse: In unserer Serie stellen wir Stormarner auf ihrer Lieblingsbank vor. heute: Der 76 Jahre alte Reinbeker Rudolf Zahn.

Die lauten Töne sind seine Sache nicht. Er tritt stets bescheiden auf, arbeitet im Hintergrund, ist dabei aber extrem effektiv – als Ehrenamtler in verschiedenen Bereichen. Letzteres würde der Reinbeker Rudolf Zahn natürlich nicht von sich behaupten. Doch insbesondere diese Zahl sagt eigentlich alles: 200.000 Euro. So viel Geld hat der Vorsitzende des Vereins zur Förderung katholischer Gemeinden im Süden Stormarns mit seinen Mitstreitern generiert, damit die Kirche „Zu den Heiligen Engeln“ in Glinde saniert und erweitert sowie darüber hinaus mit zum Beispiel einer Induktionsanlage für Schwerhörige ausgestattet werden konnte.

Doch damit nicht genug des Einsatzes für das Gemeinwohl. Der 76-Jährige ist Mitorganisator der bekannten Kamingespräche im Schloss Reinbek und im Stiftungsvorstand des Museums Rade, das auf der gegenüberliegenden Straßenseite liegt. Dass er sich mit dem Abendblatt trifft, um über sich und sein Wirken zu sprechen, ist nicht selbstverständlich und bedurfte einiger Überredungskunst. Zahn mag es eben nicht, im Mittelpunkt zu stehen.

Rudolf Zahn kümmert sich um einen Syrer

Das betont er immer wieder, während er auf seiner hölzernen Lieblingsbank vor dem Glinder Gotteshaus sitzt und mit Begeisterung von anderen Menschen erzählt. Zum Beispiel jenen aus Kriegs- und Krisenregionen, die dort hinkommen. „Die Kirche ist inzwischen ein Zentrum für christlich-arabische Flüchtlinge. Bis zu 150 von ihnen besuchen uns regelmäßig“, sagt Zahn. Er selbst ist kein Flüchtlingspate, kümmert sich mit seiner Frau aber trotzdem um einen jungen Syrer. Dafür braucht er keine offizielle Bezeichnung, sondern hilft dort und dann, wo und wann es nötig ist – schnell und unkompliziert. Das entspricht seinem Wesen.

„Wenn man so viel Gutes im Leben erfahren hat, dann wäre es nicht in Ordnung, von diesem Guten nichts zurückzugeben. Das sollte Ansporn genug sein. Vor allem, wenn es dann auch noch so viel Spaß macht“, sagt der gebürtige Franke. Wer Rudolf Zahns Handeln verstehen will, muss auch um seine Kindheit wissen.

Der Katholik lernt, mit wenig auszukommen

Die Familie ist kirchlich geprägt. Er und seine vier Jahre ältere Schwester wachsen bei der Mutter und den Großeltern auf. Zu fünft leben sie in einer 50-Quadratmeter-Wohnung in Nürnberg. Der Vater fällt im Zweiten Weltkrieg. Es ist eine schwere Zeit. „Ich habe Riesenglück gehabt, die Bombenangriffe im Luftschutzkeller überlebt“, sagt Zahn. Er wird nach der Ausbombung mit seiner Familie aufs Land verschickt, findet Unterschlupf bei einem Landwirt. Er ist sehr dankbar, dem Schlimmsten entkommen zu sein.

Der Katholik lernt, mit wenig auszukommen und trotzdem zufrieden zu sein. Im Alter von elf Jahren besucht er ein kirchliches Jungeninternat in Regensburg. Zahn berichtet von einer strengen Erziehung bei den Jesuiten. „Wir haben mit 86 Jungs in einem Saal geschlafen und schlichtes Essen bekommen, zwei Scheiben Brot zum Frühstück mit Marmelade und ohne Butter.“ Das sei nach dem Krieg aber normal gewesen. Mit 15 verlässt er das Gymnasium, geht zurück nach Nürnberg und startet eine Lehre als Fotokaufmann. Nicht zu vergessen das ehrenamtliche Engagement in der Nürnberger Kirche als Betreuer von zwei Jugendgruppen.

Umzug von Nürnberg nach Hamburg wegen des Jobs

Zahn zeigt mit dem Finger auf die Glinder Kirche. Dann sprudelt es aus ihm heraus: „Das ist die aktivste Kirchengemeinde. Hier herrscht Einigkeit, etwas Sinnvolles zu tun.“ Er sagt, er sei überzeugt, dass es einen Herrgott gebe, bezeichnet diesen als treibende Kraft hinter seinen Aktivitäten. Demnach hat er göttlichen Beistand.

Womöglich war das auch an einem Tag Mitte September 1962 der Fall. Jedenfalls könnte man es so interpretieren. Zahn kann sich noch genau an das Gespräch erinnern, abends um 17 Uhr. Vor ihm Hanns Porst, sein Chef und Inhaber des gleichnamigen Unternehmens mit Sitz in Nürnberg. Der Foto-Experte hatte in Hamburg eine kleine Firma gekauft, die TV-Geräte vermietet, benötigte dafür einen Geschäftsführer. Die Wahl fällt auf Zahn, der die Hansestadt vier Wochen zuvor besucht und sich in diese verliebt hatte. Er sagt: „Einen Monat nach dem Angebot bin ich dann mit einem Koffer am Hamburger Hauptbahnhof ausgestiegen.“

Seit 25 Jahren unentgeltlich im Einsatz

Es ist ein Wendepunkt in seinem Leben. Hier lernt er seine Frau Karin (heute 68) kennen, in einem Reisebüro. „Ich musste neun Monate bis zum ersten Abendessen baggern.“ Das kinderlose Paar zieht mehrmals um, er wechselt nicht nur einmal den Job, ist auch selbstständig und reist beruflich viel in der Welt herum, vor allem in Asien.

Zeit für das Ehrenamt bleibt da erst einmal nicht. Das ändert sich nach dem Umzug von Hamburg nach Reinbek. Dort kaufen sich die Eheleute ein Einfamilienhaus. Inzwischen ist Rudolf Zahn seit rund 25 Jahren für gute Zwecke unentgeltlich im Einsatz – und eng dem Land Litauen verbunden.

Was darf Presse?

Deutschlandmitten im Bundestagswahlkampf: Was kann, was darf die Presse? Das ist das Thema beim Reinbeker Kamingespräch am Mittwoch, 13. September, um 19.30 Uhr im Festsaal des Reinbeker Schlosses mit Lars Haider, Chefredakteur des Hamburger Abendblattes.

Stormarns früherer Landrat Klaus Plöger moderiert die Veranstaltung. Der Eintritt ist frei.

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Beim Kamingespräch treten Referenten ohne Gage an

Dort ist er mehr als 20 Mal gewesen. „Die Begeisterung kam durch meine erste Lehrerin, die aus dem Baltikum stammte“, sagt der Rentner. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde Litauen wieder ein unabhängiger Staat und war auf einmal ohne funktionierende Krankenversicherung. Viele Menschen benötigten Unterstützung. Zahn hilft mit tatkräftiger Unterstützung seiner Frau, baut mit einem befreundeten Franziskaner eine Armenapotheke auf und sammelt unter anderem Spenden für ein Krankenhaus. Mehr als 30.000 Menschen profitieren davon.

Aus dieser Verbindung entstehen die Litauischen Kulturwochen 2003 und 2008 in Reinbek, zu deren Gästen der frühere Präsident Vytautas Landsbergis zählt. Organisiert hat die Veranstaltungen mit Zahns Mithilfe der damalige Reinbeker Kulturchef Bernd M. Kraske. Dieser habe „sehr viel dazu beigetragen, dass ich mich kulturell engagiere“, sagt er und fügt mit seiner so typischen Zurückhaltung hinzu: „Ich habe nie etwas allein gemacht, sondern alles mit anderen zusammen, die genauso viel eingebracht haben.“

Reinbeker Kamingespräche: freier Eintritt

Die beiden Männer verbindet noch immer vieles. Sie zeichnen verantwortlich für die Reihe „Reinbeker Kamingespräche“, bei der ein Experte zu einem Thema referiert und von einem Moderator befragt wird. Bischöfin Kirsten Fehrs, Hamburgs Schulsenator Ties Rabe und der Zukunftsforscher Horst W. Opaschowski sprachen vor bis zu 200 Gästen im Reinbeker Schloss.

Im November steht die 60. Auflage an. „Wir haben nichts, geben nichts und nehmen nichts“, sagt Zahn über das Format. Soll heißen: Es gibt keinen Etat. Referenten erhalten keine Gage, Zuschauer zahlen keinen Eintritt.

Kraske und Zahn arbeiten an neuem Projekt

Derzeit arbeiten Kraske und Zahn an einem neuen Projekt in ihrer Funktion als Stiftungsvorstände des Museums Rade. Sie möchten das Haus erweitern. Eine erste Idee ist spektakulär: Sie sieht einen Anbau in Halbei-Form vor mit einem Saal für 150 Gäste samt Bühne und Räumen drumherum. Dazu gibt es gläserne Fassaden, die einen Blick auf das gegenüberliegende Schloss ermöglichen sollen.

Dafür wollen sie Sponsoren gewinnen, hoffen zudem auf EU-Fördermittel. Doch auch die Stadt muss mitspielen. Sie ist Eigentümer der Gründerzeitvilla, in der das Museum beheimatet ist. Also gilt es für Zahn und Kraske, die Kommunalpolitiker zu überzeugen. Womöglich bedarf es keines Beistandes von oben, um in der Sache voranzukommen. Zahn weiß, wie er Menschen begeistern kann. Obwohl er das natürlich nicht von sich behaupten würde.

Zahn ist 14 Semester Gasthörer an der Uni Hamburg

Wie ernst ihm das Thema Glauben ist, zeigen auch weitere Aktivitäten nach seinem Ruhestand. 14 Semester ist Zahn Gasthörer an der Universität Hamburg, studiert evangelische Theologie und schreibt Arbeiten mit, die er allesamt besteht. „Ich wollte die andere Seite kennenlernen, die ja gar keine andere ist, weil wir an denselben Gott glauben“, sagt der Katholik. Der Dialog und die Zusammenarbeit zwischen christlichen Konfessionen sei von großer Bedeutung.

Priester wollte Rudolf Zahn übrigens nicht werden. Eigentlich schade: Er wäre gewiss ein guter mit einer modernen Weltanschauung gewesen.