Bargteheide/Lübeck. Das Verfahren vor dem Landgericht in Lübeck muss neu aufgerollt werden. Der Todesschütze hat einen neuen Verteidiger.

Die Haare millimeterkurz rasiert, der Gesichtsausdruck ohne jede Emotion – auch beim zweiten Prozessauftakt gegen Sven S., der sich wegen Mordes an seiner Exfreundin vor dem Landgericht in Lübeck verantworten musste, war beim 36-Jährigen von Reue wenig zu erkennen.

Ein erster Prozess vor der I. Großen Strafkammer war wegen einer Erkrankung des Verteidigers geplatzt. Denn das Verfahren musste für mehr als drei Wochen unterbrochen werden. Zuvor hatte Sven S. immer wieder einen neuen Anwalt verlangt, jedoch ohne Erfolg. Am Mittwoch startete der Prozess deswegen mit einem neuen Verteidiger an der Seite des Angeklagten.

Anklage wirft dem Bodybuilder Mord aus Heimtücke vor

Während Sven S. beim ersten Prozess fast nur stumm neben seinem Anwalt saß, sprach er sich am Mittwoch mit ihm ab. Es wirkte so, als beteilige er sich aktiv am Prozess. Doch abgesehen von dieser Szene begann der Prozess so wie der im Februar dieses Jahres. Staatsanwalt Nils-Broder Greve warf S. in der Anklage heimtückischen Mord aus niedrigen Beweggründen vor. Am 12. August 2016 hatte der Angeklagte Svea T. in seine Bargteheider Wohnung gelockt und dreimal auf die 28-Jährige geschossen. Vier Jahre lang hatten die beiden eine Beziehung geführt, die das spätere Opfer rund fünf Monate vor der Tat beendete. „Doch das akzeptierte der Angeklagte nicht. Er beleidigte und bedrohte sie“, sagte Nils-Broder Greve.

Weil die Bargteheiderin Angst vor ihrem Ex-Freund hatte, erwirkte sie vor dem Amtsgericht in Ahrensburg im April ein Kontaktverbot. Greve: „Doch den Kontakt ließ sie nicht abrupt abreißen, sie hatte Angst, der Angeklagte könnte ihr oder ihren Eltern Gewalt antun.“

Der Täter flüchtete nach dem Mord mit der Schusswaffe

So mied Svea T. zwar den Kontakt, ging jedoch am Tattag für ihren Ex-Freund einkaufen und wollte die Lebensmittel in seine Wohnung bringen. Sven S. schrieb ihr über sein Mobiltelefon, er sei in Italien im Urlaub, komme erst am 13. August zurück. Doch als Svea T. die Tür zur Wohnung von S. öffnete, wartete dieser bereits auf sie.

„Als wir die Tür eintraten, konnten wir diese zunächst nur einen Spalt öffnen“, erinnert sich eine Polizistin vor Gericht. Der Grund: Svea T. lag davor. Durch den Spalt war ihre Hand zu sehen. Die Einkaufstaschen mit Lebensmitteln standen noch vor der Wohnungstür im Hausflur. Nach der grausigen Tat wählte Sven S. selbst den 112-Notruf und forderte einen Krankenwagen an. Die Tonaufzeichnung dieses Gesprächs spielte der Richter zum Ende des ersten Prozesstages ab. Darin gesteht S. die Tat. Sagt, dass er auf das Opfer geschossen habe. Der Disponent fordert den Schützen auf, die Waffe auf den Boden zu legen und auf die Polizei zu warten.

Doch der Bodybuilder, der immer wieder Gelegenheitsjobs als Gerüstbauer hatte, flüchtete mit der Schusswaffe. In einem Tümpel in Bargteheide entsorgte Sven S. die Tatwaffe und flüchtete auf einen Campingplatz in Ammersbek. Am nächsten Tag wurde er dort von der Polizei festgenommen. Während des ersten Prozesses hatte S. ausgesagt, dass die Schüsse auf Svea T. ein Unfall gewesen seien. Eigentlich habe er sich selbst töten wollen.