Ahrensburg. „Die Lage im Kreis ist angespannt“, sagt die Fachbehörde. Ahrensburg hat die rote Laterne. Das Abendblatt bietet die große Übersicht.
Es ist ein Thema, das viele Eltern in Stormarn beschäftigt und auch zunehmend besorgt – die Betreuung ihrer Kinder in Tagesstätten (Kitas). Viele Mütter und Väter wollen nach der Geburt ihres Kindes wieder arbeiten gehen und suchen einen Platz für ihren Nachwuchs. Doch diese Suche wird oft zu einem nervenaufreibenden Unterfangen, an dessen Ende nicht immer ein Erfolgserlebnis steht.
Das Abendblatt wollte wissen, wie stark das Problem die Menschen in den einzelnen Kommunen betrifft. Wir haben die Zahlen zu den Betreuungsplätze und die Wartelisten der Kitas verglichen, die in den Städten, Ämtern und amtsfreien Gemeinden abgefragt wurden, um die nebenstehende Übersicht erstellen zu können. Die Zahlen sind aufgeteilt nach den beiden Betreuungsbereichen, in Krippenplätze für Kinder im Alter von bis zu drei Jahren und in Elementarplätze für Kinder von drei bis sechs Jahren. Da in den meisten Amtsverwaltungen keine Übersichten über die Wartelisten der einzelnen Kitas in den Amtsgebieten vorliegen, konnten für die meisten Ämter keine Wartelisten ermittelt werden. Nicht enthalten sind die Zahlen der Betreuungsplätze bei Tagesmüttern und -vätern. Diese schaffen zusätzliche Angebote und entlasten die Kommunen bei der Kinderbetreuung. So gibt es in Ahrensburg derzeit rund 150 Plätze in der sogenannten Tagespflege. Allerdings wünschen sich die meisten Eltern eine Betreuung ihres Kindes in einer Kita – mit Folgen für die Wartelisten.
In Ahrensburg werden Ende des Jahres 160 Krippenkinder auf der Warteliste stehen
Letztere sind in vielen Fällen noch „unbereinigt“. Das bedeutet, dass sie auch solche Kinder erfassen, die bei mehreren Einrichtungen angemeldet wurden, um die Chancen auf einen Platz zu erhöhen. Andere Kinder sind bereits versorgt, bleiben jedoch auf der Warteliste für ihre Wunscheinrichtung. Dennoch geben die Daten einen Überblick darüber, wo der Platzbedarf in Stormarn am stärksten ist.
Es zeigt sich, dass in Ahrensburg die Kitaplatz-Not am größten ist. 160 Kinder werden dort zum Jahresende auf der Warteliste für einen Krippenplatz erwartet, zum 31. Juli sollen es 134 sein. Im Elementarbereich rechnet die Stadt mit einem Platzbedarf für 112 Kinder zum Jahresende. Da sie mit zusätzlichen Einrichtungen plant, geht sie letztlich von 32 Kindern auf der Warteliste aus. In anderen Kommunen ist die Lage deutlich entspannter. So haben die Waldgemeinde Großhansdorf und die Stadt Bargteheide nach offiziellen Angaben keine Wartelisten. Dies gilt auch für Bad Oldesloe und Reinfeld. Insgesamt zeigt sich in Stormarn ein Nord-Süd-Gefälle auch beim Kitaplatz-Bedarf. Auch die südlichen Kommunen Reinbek und Barsbüttel führen Wartelisten. So fehlen in Reinbek für das kommende Kindergartenjahr vom 1. August 2017 bis 31. Juli 2018 im Krippenbereich 44 Plätze und im Elementarbereich 36 Plätze.
Großhansdorf und Bargteheide haben nicht einmal Wartelisten
Der Platzbedarf im Süden ergibt sich daraus, dass das Umland von Hamburg ungebrochen attraktiv ist für den Zuzug von jungen Familien mit Kindern. Dies gilt vor allem für Ahrensburg, die mit rund 34.200 Einwohnern größte Stadt im Kreis Stormarn.
Dort sorgt vor allem das Neubaugebiet Erlenhof mit künftig mehr als 400 neuen Wohneinheiten für dringenden Bedarf an Kita-Plätzen. Viele der Eltern dort sind oder waren auf der Suche nach Kinderbetreuung. So wie Anna Kamp. Sie wartete eineinhalb Jahre lang darauf, dass ihr Sohn Leo (knapp zwei Jahre alt) einen Platz in der Kita Erlenhof bekommt. Die 35-Jährige nahm daher zunächst einen Platz in einer Hamburger Kita in Anspruch. Um ihren Sohn dort hinzubringen, musste sie eine Strecke von rund 25 Kilometern auf sich nehmen. Seit Mai dieses Jahres hat Leo endlich einen Platz in der Kita Erlenhof. „Das Problem ist, dass der Antrag auf einen Platz erst nach der Geburt des Kindes gestellt werden kann“, sagt Anna Kamp. So gelange man direkt auf die Warteliste und müsse sich gedulden.
Britta Jacobs wartet immer noch auf einen Kitaplatz für ihre Zwillinge Charlotte und Lukas (knapp drei Jahre alt). Vor mehr als einem Jahr ist sie mit ihrer Familie in den Erlenhof gezogen. Seitdem stehen die Kinder auf der Warteliste für die dortige Kita. „Es ist sehr schwierig, Kitaplätze für Zwillinge zu bekommen“, sagt Britta Jacobs. „Wenn ein Platz frei wird, wird er nicht für uns reserviert. Wenn wir ihn nicht annehmen, weil wir noch auf einen zweiten warten, wird er an ein anderes Kind vergeben. Dann rutschen wir an das Ende der Warteliste.“
Zunächst musste die 38-Jährige ihre Elternzeit verlängern, bekam dann aber einen Platz von einer Kita in Hamburg. Auf Dauer war der Weg dorthin allerdings zu weit. Zurzeit werden Charlotte und Lukas von einer Tagesmutter betreut. Eine Klage auf einen Kita-Platz bei Gericht einreichen möchte die Mutter aber nicht, da es ihr wichtig ist, dass die Kinder die Kita Erlenhof besuchen. Bei einer erfolgreichen Klage könnten ihnen auch Plätze in anderen Ahrensburger Kitas zugewiesen werden.
Im Einzelfall können Eltern einen Platze einklagen
Die Möglichkeit, einen Betreuungsplatz einzuklagen, gibt es durch das Sozialgesetzbuch (SGB). Dieses gibt für Kinder, die das erste Lebensjahr vollendet haben, einen Rechtsanspruch auf Förderung in einer Krippe oder in der Tagespflege. Einen Anspruch auf einen Krippenplatz in einer Kita gibt es also nicht, die Tagespflege ist den Krippen gleichgestellt. Für Kinder, die das dritte Lebensjahr vollendet haben, gibt es bis zur Schule Anspruch auf Förderung in einer Kita.
Wenn Eltern auf einen Betreuungsplatz klagen wollen, müssen sie ihre Klage gegen den Kreis als örtlichen Träger der Jugendhilfe richten. „Derzeit sind keine Verfahren anhängig“, sagt Wilhelm Hegermann, der zuständige Fachbereichsleiter für Jugend, Schule und Kultur beim Kreis Stormarn. In der Vergangenheit hätten sich Klagen von Eltern dadurch erledigt, dass ihnen doch noch Betreuungsplätze angeboten wurden. „Die Lage im Kreis ist sehr angespannt, obwohl in den vergangenen Jahren erhebliche Kapazitäten an Betreuungsplätzen geschaffen wurden“, sagt der Fachbereichsleiter. Der Kreis ermittelt mit den Kommunen deren Platzbedarf und gibt finanzielle Förderung, Kita-Plätze zu schaffen ist letztlich Sache der Städte, Ämter und Gemeinden. „Wir sind eine Schicksalsgemeinschaft“, sagt Hegermann.
Eltern machten in politischen Sitzungen ihrem Ärger Luft
In der von der Kitaplatz-Not am stärksten betroffenen Stadt Ahrensburg wird neben der Verwaltung auch der Sozialausschuss regelmäßig mit dem Problem konfrontiert. In dessen jüngsten Sitzungen machten zahlreiche Eltern ihrem Unmut über fehlende Plätze Luft. „Wir haben nicht damit gerechnet, dass die Bebauung und Besiedlung des Neubaugebiets Erlenhof so schnell geht“, gibt die Ausschussvorsitzende Doris Brandt (CDU) selbstkritisch zu, „auch nicht nach den Erfahrungen mit anderen Neubaugebieten.“
Nach Angaben von Doris Brandt ist fest eingeplant, dieses Jahr in Ahrensburg noch 95 Elementar-, 20 Krippen- und zehn Tagespflegeplätze zu schaffen. Für 2018 liefen Planungen für eine Kita mit mindestens 40 Elementar- und 20 Krippenplätzen. Doris Brandt sagt: .„Stadtverwaltung und Politik versuchen zudem, weitere Plätze zu schaffen. Uns allen ist bewusst, dass wir etwas machen müssen.“