Reinbek. 80 Jungen und Mädchen erhalten Absage für den kommenden Sommer. Viele Eltern sind verzweifelt. Nun ist die Politik gefordert.
In der Kindertagesstätte Weltensegler am Mühlenredder in Reinbek wird derzeit gebohrt, gehämmert und geschraubt. Handwerker sind damit beschäftigt, einen Raum für die neue und vierte Elementargruppe im Sommer bedarfsgerecht herzustellen. Dort war bisher der Hort untergebracht. Eine solche Betreuung für Grundschüler wird es in der Einrichtung, die in der Trägerschaft des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) liegt, dann nicht mehr geben. Dieser Umstand ist der Not geschuldet.
Im 27.300 Einwohner zählenden Reinbek fehlen noch 80 Plätze zum Kindergarten-Jahr 2017/18, jeweils die Hälfte im Krippen- sowie im Elementarbereich. Und daran wird sich kurzfristig auch nichts ändern. Eltern sind verzweifelt. Denn wer sein Kind nicht in einer Kita unterbringen und deshalb weniger oder auch gar nicht arbeiten kann, hat finanzielle Einbußen.
Die Kita am Mühlenredder arbeitet mit Überbelegung
„Es geht dabei auch um Existenzen. Viele Familien sind darauf angewiesen, dass beide Elternteile arbeiten“, sagt Jan Fischer, Elternvertreter der Kita Weltensegler, in der 105 Jungen und Mädchen untergebracht sind. Die Einrichtung wurde im August 2014 offiziell eröffnet und hat rund drei Millionen Euro gekostet. Sie ist beliebt, Gruppen sind überbelegt. Zudem gibt es eine Warteliste, auf der Dutzende Kinder stehen. Früher wurden Plätze von August für mehrere Monate vorgehalten. Damit ist es jetzt vorbei. Dafür hat Leiterin Beate Weber gesorgt. Die 51-Jährige sagt: „Es ist grausig, wenn man Absagen erteilen muss. Wir haben auch schon weinende Eltern gehabt.“
Die strukturelle Überbelegung ab August vergangenen Jahres sei absehbar gewesen, so Fischer. „Deswegen haben wir zusammen mit der Einrichtungsleitung schon damals die Verwaltung gebeten, dass die Stadt den Ausbau forciert.“ Das sei jedoch abgeblockt worden. Die 1386 Quadratmeter große Kita ist so konzipiert, dass zwei Module angebaut werden können. Derzeit arbeitet die Verwaltung an einer Kostenschätzung. Ob das Projekt realisiert wird, entscheidet die Politik.
Offenbar gab es einen Fehler bei der Bewertung durch externe Berater
„Wir hatten in den vergangenen Jahren im Januar immer 20 bis 30 fehlende Kita-Plätze, das hat sich bis zum Sommer aber aufgelöst, auch wegen Doppelanmeldungen“, sagt FDP-Fraktionschef Bernd Uwe Rasch. Nachdem aber in diesem Jahr der Besetzungsausschuss getagt hat, bleibt es bei 80 Kindern, die nicht in Reinbek unterkommen. Eine Zahl, die nicht nur Rasch überrascht. „Wir sind entsetzt“, sagt Tomas Unglaube, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender.
Doch wie kam es zu dieser Entwicklung? Immerhin lässt sich die Stadt von externen Experten beraten. Sie arbeitet bei den Themen Schule und Kindergärten mit dem Unternehmen „biregio“ zusammen. „Die haben bisher gute Arbeit geleistet, aber womöglich wurden diesmal bei den Berechnung der Kindergartenplätze veraltete Zahlen zugrunde gelegt“, sagt Unglaube. Er spricht von einer „drastischen Fehleinschätzung“.
Mit Schuldzuweisungen hält sich Kathrin Schöning zurück. Die 33-Jährige ist seit 1. Mai Leiterin des Amtes für Bildung, Jugend, Sport und Kultur – und damit auch für das Thema Kindergartenplätze zuständig. Sie sagt: „Konkrete Ursachen kann ich nicht nennen. Wir werden das jetzt aufarbeiten und gucken, ob Zahlen verschoben wurden.“ Schöning hofft, dass in Reinbeker Kitas abgelehnte Kinder noch in Nachbargemeinden, Hamburg oder bei Tagesmüttern unterkommen.
Auf einen Elementarplatz haben Eltern im Unterschied zur Krippe einen Rechtsanspruch. „Wir machen da aber keinen Unterschied und fühlen uns auch gegenüber den Krippenkindern verpflichtet“, sagt Rasch.
Auch ein neues Wohnquartier erhöht den Handlungsdruck
Zuletzt hatte die Verwaltung geprüft, stadteigene oder angemietete Gebäude kurzfristig zu Kindertagesstätten umzubauen. In sämtlichen Fällen scheiterte das an baurechtlichen Gründen. Die Heimaufsicht des Kreises hätte laut Verwaltung keine Genehmigung erteilt.
Nach der Sommerpause will Amtsleiterin Schöning der Politik eine aktuelle Kindertagesstätten-Bedarfsplanung vorlegen. Der Ausbau der Kita Eggerskoppel könnte schnell wieder Thema werden, zudem wird die evangelische im Stadtteil Neuschönningstedt voraussichtlich zum August 2018 umgebaut und zwei zusätzliche Gruppen erhalten. Das kann aber nur der Anfang sein. Derzeit entsteht in Neuschönnigstedt bis Ende 2019 ein Quartier, in dem bis zu 700 Menschen leben werden, darunter viele junge Familien.