Bad Oldesloe. Neue Regelung erlaubt Bargteheide, Barsbüttel und Glinde, eigene Straßenverkehrsbehörde einzurichten – bislang ist der Kreis zuständig.

Ampel oder Zebrasteifen? Tempo 30 oder 50? Bei Verkehrsangelegenheiten, die rechtlich einen Ermessensspielraum erlauben, entscheidet jede Kommune ab 20.000 Einwohnern selbst über die Verkehrsregelungen. Doch für Städte und Gemeinden, die weniger Einwohner haben, ist die Straßenverkehrsbehörde des Kreises zuständig – bislang. Bargteheide, Barsbüttel und Glinde können dies jetzt ändern. Denn seit dem 31. März ist eine Änderung der Straßenverkehrsrechts-Zuständigkeitsverordnung des Landes in Kraft getreten. Diese erlaubt nun Kommunen ab 10.000 Einwohnern, eine eigene Straßenverkehrsaufsicht einzurichten. Landesweit haben so weitere 32 Verwaltungen die Möglichkeit, in ihrem Gemeinde- oder Stadtgebiet über Ampeln, Zebrasteifen, Tempolimits, Verkehrszeichen und andere Dinge gemäß den rechtlichen Rahmenbedingungen zu entscheiden.

Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) begründet die neue Richtlinie damit, dass die Kreise zwar zuverlässig arbeiteten. „Trotzdem erlebe ich immer wieder Fälle, in denen Gemeinden mit ihrer Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten und Verkehrssituationen Ermessensspielräume besser ausnutzen und anders entscheiden würden.“

In Bargteheide haben sich Verwaltung und Politik bereits mit der neuen Möglichkeit beschäftigt. „Das ist sicher der richtige Weg“, sagt Herbert Sczech, Büroleitender Beamter im Rathaus. „Schließlich kennen die Behörden im Ort die jeweiligen Straßen genau und wissen so auch am besten, welche Lösung für den Verkehr geeignet ist und welche nicht.“ In der 14.000-Einwohner-Stadt gibt es sogar einen konkreten Fall: die Bahnhofstraße vor dem Seniorendorf. „Dort wollen wir schon lange Tempo 30 einführen, was jetzt vermutlich leichter wird“, sagt Sczech. Bisher war das Tempolimit gescheitert, weil die Strecke nicht explizit als Gefahrenstelle eingestuft worden ist.

Bei der praktischen Umsetzung erwartet der erfahrene Rathausmitarbeiter ebenfalls keine Schwierigkeiten. „Wir haben Kollegen, die sich sehr gut mit dem Verkehrsrecht auskennen“, sagt Sczech. So wird die Verkehrsaufsicht in Eigenregie in Bargteheide wohl bald auf die Tagesordnung kommen.

Kreis befürchtet rechtswidrige Entscheidungen

Dirk Willhoeft, Fachdienstleiter Straßenverkehrsangelegenheiten beim Kreis Stormarn, sieht die Neuregelung indes kritisch. „Es wird mehr Bürokratie geschaffen als abgebaut“, sagt er und fügt hinzu: „Die Kommunen werden sich genauso an die Straßenverkehrsordnung halten müssen wie wir. Deswegen können sie in der Regel keine andere Entscheidung treffen.“ Ihm falle kein Beispiel in Stormarn ein, bei dem die Gemeinde hätte anders entscheiden können. Deswegen sieht der Fachdienstleiter auch nicht den Vorteil der Gesetzesänderung – eher die Gefahr, dass rechtswidrige Entscheidungen getroffen werden könnten. Beispielsweise hat die Stadt Bad Oldesloe, die wegen ihrer Größe bereits eine eigene Verkehrsaufsicht hat, vor einigen Jahren nachts Tempo 30 innerorts auf einer Bundesstraße angeordnet, um die Lärmbelästigung für die Anwohner zu minimieren. Nur wenige Monate galt das Tempolimit, bis das Verkehrsministerium als obere Verkehrsaufsicht die Stadt aufforderte, die Schilder wieder abzubauen. Sie waren verkehrswidrig.

Auch Barsbüttel hat in der Vergangenheit beim Kreis beantragt, innerorts auf der L 222 nachts Tempo 30 einzuführen. Dies wurde abgelehnt. Nun hat die Gemeinde erneut einen solchen Antrag beim Kreis gestellt. „Denn es gibt eine neue Verlautbarung des Bundesumweltamtes, wonach auch auf Durchfahrtsstraßen nachts Tempo 30 eingeführt werden kann, wenn dadurch der Lärmpegel für Anwohner deutlich gesenkt wird“, erklärt Holger Strehl, Fachdienstleiter Zentrale Dienste in Barsbüttel. „Der Kreis leitet dies jetzt an das Land als Baulastträger weiter. Neu wäre mit der jetzt eingeführten Regelung in diesem Fall, dass der Kreis nicht mehr zwischengeschaltet ist.“

Dass es am Ende zu einer anderen Entscheidung kommt, bezweifelt Strehl. „Wir würden künftig auch nur nach Weisung der Fachaufsicht unsere Aufgabe als Straßenverkehrsbehörde erfüllen“, so Strehl. Er betont, dass sich die Gemeinde bei ihren Entscheidungen genauso an die Straßenverkehrsordnung zu halten habe, wie jetzt der Kreis.

Im Erfolgsfall könnte es auch für kleinere Gemeinden gelten

Auch Rainhard Zug, Bürgermeister in Glinde, warnt davor, die neue Regelung als Eröffnung neuer Möglichkeiten zu sehen. Heftig gestritten wurde zum Beispiel über das Tempolimit am Holstenkamp und der Kaposvar-Spange. Wie berichtet, hatten Anwohner protestiert, weil dort die 30-Zone abgeschafft wurde, jetzt Tempo 50 erlaubt ist und nur vor der Schule und Kindergärten Tempo 30 gilt. Dass dies nun wieder rückgängig gemacht werde, ist laut Zug ausgeschlossen. „Zumal wir es so, wie es jetzt ist, als Stadt selbst beim Kreis beantragt haben“, sagt Zug und betont, dass diese Verkehrsbedingungen die Straßenverkehrsordnung vorschreibt.

Der Bürgermeister möchte jetzt mit seinen Mitarbeitern die Vor- und Nachteile einer eigenen Verkehrsbehörde diskutieren: „Wir sind da noch ganz am Anfang. Auch seitens der Politik gibt es noch keinen Auftrag.“ In Barsbüttel erarbeitet die Verwaltung bereits eine Beschlussvorlage, die im Hauptausschuss am 11. Mai diskutiert werden soll.

Mit der Rechtsänderung sollen die Kommunen nicht gezwungen werden, eine eigene Verkehrsbehörde einzurichten. Schließlich müssten sie sich mit verkehrsrechtlichen Vorschriften befassen und stehen dann auch in der Verantwortung. Das Ministerium sieht deswegen auch vor, dass die Kommunen einen Antrag beim bislang zuständigen Kreis stellen. Über diese Willensbekundungen müssen jedoch zuvor die Gemeinde- oder Stadtvertreter entscheiden.

Sollte sich das Modell bewähren, schließt Verkehrsminister Meyer eine weitere Absenkung der Einwohnergrenze nicht aus. Auch könnten künftig Amtsverwaltungen zuständig sein.