Hamburg. Neue Straßenverkehrsordnung ermöglicht massive Ausweitung. Verkehrssenator bleibt skeptisch – doch kann er sich durchsetzen?

Fast täglich gibt es weitere Anträge auf neue Tempo-30-Zonen in Hamburg. Die Aktion des FahrradClubs ADFC, Menschen für mehr Tempolimits zu mobilisieren, ist nach Angaben der Initiatoren erfolgreich angelaufen. „Mehr als 150 Bürger haben sich an unserem Aufruf beteiligt und wünschen sich etwa für die Straßen Braamkamp, Sierichstraße und an der Fruchtallee Tempo-30-Zonen“, sagte Dirk Lau vom ADFC dem Abendblatt.

Weitere Straßen, wo die Behörden nun nach den Anträgen die Einrichtung von Geschwindigkeitsbeschränkungen prüfen, sind etwa der Pillauer Weg in Wandsbek-Gartenstadt, der Sonnenweg in Tonndorf oder der Rübenkamp am Stadtpark. Auch etliche Anwohner der Sternschanze hatten sich nach Angaben des Fahrrad-Clubs für ihre Nachbarschaft die Begrenzung auf Tempo 30 gewünscht. Und auch am Valentinskamp wünschen sich Anwohner eine weiter­gehende Geschwindigkeitsbegrenzung.

Der ADFC listet die Anträge in einer Karte für Hamburg auf. Wenn Grenzwerte für Luftschadstoffe und Lärm überschritten werden, sind die Behörden dazu verpflichtet, Maßnahmen zu prüfen und umzusetzen, argumentiert der ADFC bei seiner Kampagne „Läuft“. Die Überprüfung der Anträge werde nun aber einige Wochen dauern, hieß es. Auch im ersten Quartal hatte die Belastung mit giftigem Stickoxid an allen vier großen Messstationen (Habichtstraße, Max-Brauer-Allee, Kieler Straße, Stresemannstraße) deutlich über den zulässigen Grenzwerten gelegen. Nur an der Max-Brauer-Allee sinkt die Belastung, an den anderen drei Stationen steigt sie gegenüber den Vorjahren an. Das hatte eine Auswertung der öffent­lichen Daten aus dem Luftmessnetz durch den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ergeben.

Die Tempolimits bleiben weiter sehr umstritten

Auch das Umweltbundesamt setzt sich für Tempolimits ein, und zwar flächendeckend in den Städten. „Tempo 30 bringt bessere Luft, flüssigeren Verkehr und weniger Unfälle – und man ist in der Regel genauso schnell unterwegs“, sagte Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamts.

Die Wünsche der Tempo-30-Befürworter sind derweil stark umstritten. Der Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos), argumentierte mit den Vorteilen des bestehenden Systems mit verschiedenen Tempo-Zonen. „Wer an dieses funktionierende Straßensystem rangeht, sorgt dafür, dass die Wohnquartiere stärker belastet werden.“

Seine Begründung: „Die 50er-Straßen ziehen den Verkehr aus den Wohngebieten, weil man da schneller fahren kann.“ Wenn man flächendeckend Tempo 30 einführe, verpuffe diese Wirkung.

Der Verband der Automobilindus­trie (VDA) brachte technische Einwände vor: Bei Tempo 30 werde meist in einem niedrigeren und damit ungünstigeren Gang gefahren, damit erhöhten sich Verbrauch und CO2-Ausstoß tendenziell. Zielführender seien Maßnahmen zur Verstetigung des Verkehrsflusses, erklärte der Verband am Karfreitag. Auch im Bundesverkehrsministerium hält man wenig von einer generellen Tempo-30-Regelung. Dies sei nicht geplant, teilte das Ministerium mit. Sie schränke die Entscheidungsfreiheit der Kommunen ein und bremse den Verkehr auf den Hauptverkehrsstraßen unverhältnismäßig, auf denen zwei Drittel des Verkehrs innerorts abgewickelt werde. Die geltende Regelung sei ausreichend und ermögliche den Behörden, in Wohngebieten Tempo-30-Zonen anzuordnen, vor Schulen und Kitas auch auf Hauptverkehrsstraßen. Dafür war erst im vergangenen Dezember die Straßenverkehrsordnung geändert worden.

Verkehrsberuhigte Zonen sind längst Konsens

Das Umweltbundesamt (UBA) hatte Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in einem Papier mit dem Titel „Stadt für morgen“ bei den kurzfristigen Zielen bis 2020 genannt. Neben fachlichen Untersuchungen sei zur Umsetzung eine „breite gesellschaftliche Diskussion“ notwendig, heißt es in einem weiteren UBA-Papier. In den 70er- und 80er-Jahren sei „sehr kontrovers“ über Tempo-30-Zonen in Wohngebieten debattiert worden.

Inzwischen seien diese Zonen gesellschaftlicher Konsens. Ein Sprecher des ADAC verwies darauf, dass Autofahrer vor allem zu verkehrsarmen Zeiten wie am Wochenende oder nachts ausgebremst würden. Die erste Tempo-30-Zone in Deutschland war ein Modellversuch im November 1983 im niedersächsischen Buxtehude.

Anträge auf Tempo 30: Der ADFC bietet im Internet einen Musterantrag an, den Anwohner nur unterschreiben müssen. Die für die jeweilige Straße gemessene Luft- und Lärmbelastung wird automatisch aus der Datenbank übernommen. Die Adresse: http://hamburg.adfc.de/
verkehr/themen-a-z/tempo-30/laeuft/laeuft/