Hamberge. Durch das System Cobra 4 wird deutlich, dass tagsüber in einigen Gemeinden oft nicht genug Freiwillige einsatzereit sind.

Aus dem Motorraum eines Autos steigt dichter Qualm auf. Zeugen rufen die Feuerwehr. Wenig später stoppen diverse Einsatzfahrzeugen mit Blaulicht am Ort. Dutzende Feuerwehrleute stehen am Auto, aus dem inzwischen Flammen schlagen. Doch es braucht eigentlich nur zwei Retter, um das Feuer zu löschen.

Es sind Einsätze wie diese, die die freiwilligen Helfer in Stormarn seit Monaten immer wieder massiv belasten. Und folgende Frage aufwerfen: Werden tatsächlich immer so viele Feuerwehrleute für den jeweiligen Alarm benötigt? Solche Einsätze, ausgelöst durch das relativ neue Alarmsystem Cobra 4, sorgen für Kritik der Wehrführung. Kreisbrandmeister Gerd Riemann sprach das Problem nun auch bei der Jahreshauptversammlung des Feuerwehrverbandes in Hamberge vor rund 200 Kameraden und Gästen an. Riemann sagte: „Wir machen uns die Einsatzbereitschaft der Wehren über kurz oder lang kaputt.“ Der Kreiswehrführer befürchtet, dass einige Ehrenamtler irgendwann nicht mehr bei der Arbeit aufspringen werden, um zum Einsatz zu fahren.

Ein Katalog gibt vor, wie viele Kräfte eingesetzt werden

Doch was genau ist das Problem? Wie berichtet, sorgte das neue Leitstellensystem, das im Mai 2016 eingeführt wurde, zu einer Mehrbelastung der Helfer. Wurde zuvor beispielsweise ein Autobrand gemeldet, alarmierte der Disponent die örtliche Feuerwehr. Heute gibt der Leitstellen-Mitarbeiter nur noch das Ereignis in den Computer ein. Dann ermittelt das Programm Cobra 4, wer alarmiert wird. Dabei orientiert sich das System an den Daten der Stormarner Wehren, fragt ab, wie viele Feuerwehrleute dort verfügbar sind. Und gibt nach einem landesweiten gültigen Katalog vor, wie viele Kräfte bei welchem Einsatzstichwort gebraucht werden.

Letzteres sorgt für großen Unmut. Denn für Autobrände wurden plötzlich viel mehr Kameraden gerufen als notwendig. Andreas Wollny, Wehrführer in Reinbek, sagt: „Das sind vielleicht Empfehlungen für eine Berufsfeuerwehr. Aber bei einer Freiwillige Wehr sind die nicht umsetzbar.“ Wollny verweist auf Einsätze, bei denen drei Wehren alarmiert wurden, zu denen vor der Systemumstellung nur eine ausrückte.

Nach zahlreichen Krisentreffen soll dieses Problem mittlerweile seit Mitte März teilweise behoben sein. Auf Wunsch der Wehren seien Kompromisse gefunden worden. Für einige Ereignissen wurde die Zahl der Kräfte bereits nach unten korrigiert. Gerd Riemann sagt: „Die nächsten Monate werden zeigen, ob sich das Ganze auch bewährt.“

Viele Retter arbeiten weit entfernt von ihrem Wohnort

Doch es gibt noch ein anderes Problem, das erst durch den Einsatz von Cobra 4 dokumentiert wird. „Es ist die Tagesverfügbarkeit“, sagt Landrat Henning Görtz. Denn die Wehrführer mussten bei Inbetriebnahme des Alarmsystems angeben, wie viele Freiwillige zu welcher Tageszeit einsatzbereit sind. Tagsüber sieht das dann in einigen Kommunen eher düster aus. Ein Beispiel ist Ahrensburg, wo die Tagesverfügbarkeit laut Wehrführer Florian Ehrich zurückgegangen ist. Ein Grund sei, dass zahlreiche Feuerwehrleute nicht in Ahrensburg arbeiten.

Wird also tagsüber ein Einsatz notwendig, erkennt Cobra 4, dass in der Schlossstadt für diesen Zeitraum nicht ausreichend Feuerwehrleute zur Verfügung stehen, alarmiert also auch Wehren in umliegenden Gemeinden. Doch die für Ahrensburg gespeicherte Zahl ist die Mindeststärke. „So ist gesichert, dass die Bürger immer Hilfe bekommen“, sagt Ehrich. Eine Folge ist jedoch, dass zu manchen Einsätzen schlichtweg zu viele Kräfte gerufen werden. Das führt hin und wieder dazu, dass anrückende Wehren aus umliegenden Gemeinde während der Anfahrt gestoppt werden und unverrichteter Dinge umkehren. Das sorgt für Frust bei den freiwilligen Rettern, sagt Riemann. Die Motivation, bei jedem Alarm auszurücken, sinke. „Wie eine Lösung aussehen könnte, weiß ich noch nicht“, sagt der Kreisbrandmeister. Und er fügt hinzu, dass das Problem der Tagesverfügbarkeit schon früher immer mal wieder angesprochen worden sei. Doch Cobra 4 liefere Beweise „schwarz auf weiß“.

Hauptamtliche Abteilung könnte helfen, sagt der Chef

Auch Ahrensburgs Wehrführer Ehrich sagt: „Endlich sind wir jetzt ehrlich.“ Abhilfe könnten natürlich weitere Ehrenamtliche schaffen. Doch auf lange Sicht müssten sich alle Beteiligten Gedanken machen, ob das Modell der freiwilligen Feuerwehr auf Dauer tragfähig für Stormarn sei. „In anderen EU-Ländern gibt es so etwas nicht“, sagt Florian Ehrich. Eine Lösung könnte eine hauptamtliche Abteilung sein. Möglich wäre eine Gruppe, die für mehrere Gemeinden tagsüber zuständig ist und die Ehrenamtlichen entlastet.

Gerd Riemann: „In Nordrhein-Westfalen gibt es bereits ein solches System. Eine hauptamtliche Wachabteilung kümmert sich um kleinere Einsätze, die tagsüber anfallen – etwa brennende Mülleimer, Autos oder Türen, die geöffnet werden müssen.“ Erst bei größeren Lagen werden die Ehrenamtlichen alarmiert. Riemann: „Das ist also noch keine Berufsfeuerwehr.“