Bad Oldesloe. Das neue Leitstellensystem Cobra 4 steuert die 112-Notrufzentrale in Bad Oldesloe. Oft werden mehr Kräfte alarmiert als notwendig.

Bei den Freiwilligen Feuerwehren im Kreis ist die Zahl der Einsätze seit gut einem Monat sprunghaft angestiegen. Doch statistisch betrachtet müssen die Männer und Frauen nicht zu mehr Bränden, Unfällen oder anderen Ereignissen ausrücken. Ursache für die Anstieg ist Cobra 4, das neue Leitstellensystem der 112-Notrufzentrale in Bad Oldesloe.

Seit 24. Mai arbeiten die Disponenten mit der neuen Software, die zahlreiche Änderungen auch für die Freiwilligen Helfer mit sich bringt und dabei für viel Unmut sorgt. Das Problem wird jetzt zur Chefsache erklärt – denn mehrere Bürgermeister und Amtsleiter wollen sich zusammensetzen und nach Lösungen suchen. Carsten Horn ist Chef der Rettungsleitstelle. Er erklärt das neue System so: „Zuvor haben wir beispielsweise ein Feuer gemeldet bekommen, der Disponent hat dann im System die Feuerwehr ausgewählt und entschieden, wie viele Kräfte gebraucht werden. Und er hat bestimmt, ob und wie viele Rettungswagen alarmiert werden.“ Ende Mai jedoch übernahm das der Computer. Nun gibt der Leitstellen-Mitarbeiter den Vorgang ein. Ort, Zeit, Art des Unfalls beispielsweise, und die Zahl möglicher Verletzter. Cobra 4 wählt die weitere Vorgehensweise aus, der Disponent drückt auf einen Knopf zum Bestätigen – und die Rettungskräfte werden alarmiert. Carsten Horn sagt: „Das geht viel schneller als zuvor.“

Fehler bei Datenpflege und SMS-Benachrichtungen

Doch damit das System die Bausteine für einen Einsatz richtig zusammenstellen kann, müssen zuvor Daten eingepflegt werden. Dabei unterliefen in der Vergangenheit offenbar Fehler. Bei einigen Wehren hapert es überdies auch noch mit Benachrichtigungen per Short Message Service (SMS) über das Mobiltelefon. Albert Iken ist Amtswehrführer von Nordstormarn. Ihn ärgere das sehr: „Nicht jeder in den kleinen Wehren hat einen Melder“, sagt er. Das habe kürzlich in Rehhorst dazu geführt, dass die Ortswehr Pöhls nicht zu einem Feuer ausrücken konnte: „Wir haben das Auto nicht voll bekommen, weil nicht alle alarmiert wurden“, sagt Iken gegenüber dem Abendblatt.

Carsten Horn sagt, dass mit Hochdruck an einer Lösung gearbeitet werde. Er betont aber auch: „Die SMS-Benachrichtigung ist eine freiwillige Leistung, eher eine Ergänzung zum Pieper.“

Auch für kleine Einsätze wird ein Großaufgebot alarmiert

Das Feuer in Rehhorst wurde dennoch gelöscht, allerdings von anderen Wehren. Denn zeitgleich erreichte die Alarmierung zum Küchenbrand auch umliegende Kräfte. Hier setzt eine weitere Kritik der Feuerwehren an. „Wir müssen uns die Frage stellen, ob es nicht zu viel des Guten ist, wenn auch bei kleinen Lagen viele Wehren alarmiert werden“, sagt Tom Reher, Sprecher der Glinder Wehr. Beispielsweise hatte eine Brandmeldeanlage in einem Glinder Betrieb ausgelöst. „Vor der Umstellung auf Cobra 4 sind wir in einem solchen Fall mit einem Zug, also mit 22 Mann, losgefahren. Jetzt wurde auch in Reinbek und Barsbüttel Alarm ausgelöst“, sagt Reher „Der Kräfteeinsatz ist generell zu hoch kalkuliert und entspricht offenbar dem einer Berufsfeuerwehr.“

Carsten Horn, Chef der Rettungsleitstelle Bad Oldesloe
Carsten Horn, Chef der Rettungsleitstelle Bad Oldesloe © HA | Dorothea Benedikt

Auch in Ahrensburg hat die Wehr ähnliche Erfahrungen gemacht. „Zum Beispiel wurden einmal 90 Mann zum Löschen eines Autos geschickt“, erinnert sich Wehrführer Florian Ehrich. Kreisbrandmeister Gerd Riemann befürchtet: „Wir laufen Gefahr, dass bald keiner mehr zu Einsätzen rausfährt, weil die meisten Kameraden oft unverrichteter Dinge wieder abrücken müssen.“ Gleiches gelte für Glinde, fürchtet Tom Reher, sagt: „Die Zahl der Einsätze ist deutlich gestiegen, weil wir jetzt auch für eher kleinere Einsätze in Reinbek oder Barsbüttel mitalarmiert werden. Nicht jeder Arbeitgeber macht das auf Dauer mit, wenn seine Mitarbeiter ständig aufspringen und zum Einsatz fahren. Reher: „Da wird der eine oder andere irgendwann am Schreibtisch sitzen bleiben.“ Carsten Horn verweist in diesem Zusammenhang auf landesweit einheitliche Abläufe, die mit der Systemumstellung eingeführt wurden. „Daran werden sich die Wehren gewöhnen müssen. Wir müssen schließlich gewährleisten, dass die erforderliche Zugstärke auch am Einsatzort ankommt“, sagt der Leiter der Rettungsleitstelle.

Bei einem Gefahrguteinsatz wurde falsche Wehr gerufen

Dass manchmal gleich mehrere Wehren alarmiert werden, hänge beispielsweise von der Tagesverfügbarkeit ab. Vor mehr als einem Jahr mussten die Wehren angeben, wie viele Kameraden am Tag zu Einsätzen ausrücken können, wie viele am Abend. Schließlich arbeiten viele Feuerwehrleute nicht in der Nähe ihres Wohnortes. Auf diese Daten greift Cobra 4 nun zurück. Sind tagsüber zu wenig Feuerwehrleute in einer Gemeinde oder Stadt verfügbar, wird die Nachbarwehr ebenfalls alarmiert. Sind auch dort zu wenige Kräfte für den Zeitraum hinterlegt, wird der Radius der Alarmierung automatisch erweitert.

„Sollten Fehler beim Übertragen oder beim Eingeben der Daten passiert sein, korrigieren wir das sofort“, sagt Horn. Auch die Wehren loben, dass dies unverzüglich passiere. Auch wenn beispielsweise falsche geografische Daten eingetragen sind. So war beispielsweise bei einem Gefahrguteinsatz an der Autobahn 1 die Ahrensburger Ortswehr Ahrensfelde alarmiert worden. Und das, obwohl die kleine Wehr nicht über die nötige Ausrüstung für derartige Einsätze verfügt. Schutzanzüge oder Planen etwa fehlen dort. Statt der Ahrensfelder hätte die Großhansdorfer Wehr verständigt werden müssen. Carsten Horn sagt: „Das war ein Fehler von uns, da wurde ein Häkchen falsch gesetzt.“

Kristentreffen mit Bürgermeistern aus Großhansdorf, Barsbüttel und Glinde

Über diese Schwierigkeiten sowie die hohe Einsatzbelastung bei der Feuerwehr wollen sich nun unter anderem die Bürgermeister von Großhansdorf, aus Barsbüttel und Glinde sowie der Leiter des Amtes Nordstormarn mit den Verantwortlichen beim Kreis zusammensetzen. Großhansdorfs Bürgermeister Janhinnerk Voß sagt: „Die Feuerwehr hat mich angesprochen, das nicht alles rund läuft.“