Bargteheide/Lübeck. Angeklagter hatte in Bargteheide seine Ex-Freundin erschossen. Im Gerichtsprozess führt er die Tat auf seine Drogensucht zurück.

„Hallo, ich bin der Mensch, der dein und das Leben meiner Familie zerstört hat.“ Es sind die ersten Worte eines Briefes an eine trauernde Mutter. Geschrieben von dem Mann, der ihre Tochter getötet haben soll. Zwar hat Sven S. auch am fünften Verhandlungstag vor der I. Großen Strafkammer des Landgerichts in Lübeck zu den Mordvorwürfen geschwiegen, dennoch wurden Briefe des 35-Jährigen verlesen, die er kurz nach der Tat an seine und die Familie der getöteten Svea T. geschrieben hat. Es sind verstörende Worte eines Mannes, der laut Staatsanwaltschaft die Trennung von seiner Freundin nicht akzeptiert und sie und ihre Familie sogar terrorisiert hatte.

„Es war ein Unfall“, schreibt er in den Briefen, die er im Gefängnis verfasst hat. „Ich zittere am ganzen Körper und bitte um Verzeihung“, heißt weiter in dem Schreiben an die Eltern von Svea T. Und: „Ich kann euch keine Antwort auf das Warum geben.“ Denn er wisse nicht, wie es zu dieser Tat kommen konnte. Er selbst habe Svea über alles geliebt. Im Gefängnis habe er deswegen versucht, sich das Leben zu nehmen und sich die Pulsadern aufgeschnitten. „Ich wollte zu Svea“, schreibt der Angeklagte. Er habe sie so sehr geliebt, dass er sich ihren Namen, ihr Geburtsdatum und Sternzeichen auf die Brust tätowiert habe, um sie immer am Herzen zu tragen.

Angeklagter gibt Vater von Svea T. Mitschuld

„Lasst uns hoffen, dass unser Engel Svea jetzt im Paradies ist.“ Mit diesen Worten endet der Brief an die Eltern, die im Gerichtssaal kaum eine Gefühlsregung bei diesen Worten zeigen. Auch seiner Familie schrieb Sven S., wie sehr er die 28-Jährige geliebt habe. Dass die Wände seiner Gefängniszelle voll mit Gedichten für Svea seien und sie regelmäßig an sein Fenster komme. „Die Drogen hatten mich im Griff, ich werde nie wieder welche nehmen“, verspricht er seiner Familie und versucht so, die Tat zu rechtfertigen.

Wenige Zeilen später schreibt er, wer welche Möbel aus seiner Wohnung bekommen soll. In einem Brief nur an die Mutter von Svea T. und an seine Familie gibt er sogar dem Vater der Verstorbenen die Schuld an seinem Zustand. „Er hat mich als Mann gebrochen, ich bin tief in den Sumpf gefallen.“ Er sei Schuld, daran, dass er Drogen nahm und die Depressionen bekam. „Er trägt zu 90 Prozent Schuld daran, dass Svea und ich kaputt gegangen sind.“ Ferner wolle er jetzt eine Therapie machen, um herauszufinden, was am 12. August in seiner Bargteheider Wohnung passierte.

Antworten, was am frühen Morgen in dem Haus an der Alten Landstraße tatsächlich passiert ist, versuchten beim Prozess in Lübeck am Montag zwei Sachverständige zu geben. Ein Schusswaffenexperte vom Landeskriminalamt in Kiel hatte die Waffe, zu der Sven S. die Ermittler nach der Tat führte, untersucht. „Es ist dreimal aus der Waffe geschossen worden. Und die gefundenen Patronen sind in diesem Revolver gezündet worden“, berichtete der Sachverständige vor Gericht. Auch hatte der Beamte des Landeskriminalamtes die möglichen Schusswinkel untersucht. Demnach war eine Kugel auf Svea T. abgefeuert worden, als sie vor dem Täter stand. Zwei weitere, als sie bereits am Boden lag. Auch eine Rechtsmedizinerin kam zu diesem Ergebnis. „Die erste Kugel durchschlug ihren Arm“, sagte Ivana Gerling und verwies auf das Geschoss, das Ermittler später in einer Türzarge fanden. Nach diesem ersten Schuss stürzte Svea T. zu Boden und lag auf dem Rücken.

Svea T. erlitt zwei tödliche Schussverletzungen

Ihr Mörder richtete nun erneut die Waffe auf sie und feuerte zwei weitere Male. Eine Kugel durchschlug den Bauch, die andere die Brust. „Beide Verletzungen waren für sich tödlich“, so die Rechtsmedizinerin. Auch bei sofortiger ärztlicher Hilfe vor Ort hätte die Bargteheiderin nicht mehr gerettet werden können, so die Expertin.

„Ich rechne damit, dass der Tod nach spätestens fünf Minuten eingetreten ist“, sagt Gerling und löst damit ein tiefes Schluchzen bei der Mutter von Svea T. aus, die mit ihrem Mann den Prozess als Nebenkläger verfolgt. Eine Nachbarin hatte zuvor ausgesagt, Svea noch eine halbe Stunde nach der Tat durch die verschlossene Wohnungstür zunächst stöhnen und dann röcheln gehört zu haben.

„Das bezweifle ich“, so das Urteil der Medizinerin. Wie berichtet, hatte die Polizei das Haus zunächst umstellt, weil sie nicht wusste, ob der Täter noch dort war. Doch S. war bereits geflüchtet. Einen Tag später wurde er in Ammersbek festgenommen.