Ahrensburg. Nachfrage nach freiwilligen Checks für Senioren an Ahrensburger Fahrschule ist gestiegen. Einem Polizisten geht das nicht weit genug.

„Die Fahrtauglichkeit überprüfen lassen – das sollte ab dem 50. Lebensjahr Pflicht sein.“ Das fordert Kay-Uwe Güsmer, Verkehrsexperte der Polizeidirektion Ratzeburg. Analog zu Tests für Berufskraftfahrer, die ihre Fahreignung alle fünf Jahre mit einem medizinischen Check und einem Sehtest unter Beweis stellen müssen, sei das sinnvoll. Erst am Sonnabend hatte es erneut einen schweren Unfall mit Beteiligung einer Seniorin gegeben. Eine 84-Jährige hatte in einer Waschstraße im Landkreis Harburg Vollgas gegeben, dabei die Anlage und zwei weitere Autos schwer beschädigt. In Reinbek hatte ein 85-Jähriger einige Wochen zuvor seine Ehefrau beim Ausparken angefahren und tödlich verletzt.

Verkehsrwacht rechnet im Frühjahr mit größerer Nachfrage

Die Fahrtauglichkeit älterer Verkehrsteilnehmer war auch beim Verkehrsgerichtstag in Goslar Thema. Die Experten hatten sich vorerst nur auf die Einführung „qualifizierter Rückmeldefahrten“ auf freiwilliger Basis ausgesprochen. „Problem ist, dass meistens nur die mitmachen, die den Test gar nicht nötig haben“, sagt Frank Walkenhorst, der als Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Schleswig-Holstein an dem Arbeitskreis teilnahm. Solche Angebote unterbreiten zum Beispiel der ADAC, die Landesverkehrswacht und einige Fahrschulen. Doch sie werden bislang unterschiedlich gut angenommen. Während der für Stormarn zuständige ADAC Hansa in jüngster Zeit ein gestiegenes Interesse registriert, bietet sich der Verkehrswacht Schleswig-Holstein ein anderes Bild: „Wir rechnen erst im Frühjahr mit einer stärkeren Nachfrage“, sagt Geschäftsführerin Elisabeth Pier. Viele Senioren unternähmen im Winter keine längeren Fahrten, ließen sich daher erst bei besserem Wetter überprüfen.

Polizist Kay-Uwe Güsmer
Polizist Kay-Uwe Güsmer © Dorothea Benedikt

Uneinheitlich ist das Bild auch bei Stormarns Fahrschulen. Bei Tina Behrend in Ahrensburg gab es einen Ansprung der Nachfrage. Sie ist seit Januar bereits mit 21 Probanden gefahren. Daniel Pacher von der Ahrensburger Fahrschule verzeichnet schon länger ein wachsendes Interesse, sagt: „Gerade nach Erkrankungen wie einem Schlaganfall wollen viele Senioren sicher gehen, wieder Fahren zu können.“ Manchmal würden sie dazu auch von Führerscheinbehörde oder Versicherung aufgefordert. Die Fahrschule Bertram aus Reinfeld hat zwar kein spezielles Angebot für Senioren, bietet aber Auffrischungsstunden an. „Einige kommen auch, um sich über neue Verkehrsregeln zu informieren“, sagt Jana Bertram. Anders ist es bei Wolfgang Buddeberg von der gleichnamigen Fahrschule aus Trittau. Er sagt: „Ich hatte nach der Berichterstattung über den Verkehrsgerichtstag eine höhere Nachfrage vermutet.“

Töchter übten Kritik am Fahrstil, gesteht ein Kursteilnehmer

Rolf Witt, einer der Teilnehmer des FahrFitnessChecks in der Fahrschule Behrend, wurde nach der Berichterstattung von seinen Töchtern darauf aufmerksam gemacht. „Ich hatte mir das vorher schon selbst überlegt“, sagt er. Der 88-jährige wollte sich vor dem Hintergrund eines einige Monate zurückliegenden Oberschenkelhalsbruchs unter realen Bedingungen überprüfen lassen, bekennt freimütig: „Meine Töchter kritisieren mein Fahrverhalten schon länger.“ Er fahre tendenziell zu weit links, habe Angst, sonst am Kantstein eine Radkappe zu verlieren. „Auf vielen Straßen im Kreis fehlt zudem die Mittelspur zur Orientierung“, moniert er.

Bei Teilnehmer Dirk Aschmann liegen die Motive hingegen anders: „Die linke Spur gehörte früher immer mir“, sagt der BMW-Fahrer. Bei ihm überwog die Neugier auf den Test, er wollte seinen Eindruck überprüfen, dass er heute „gesitteter“ unterwegs sei. Geschäftlich ist er sogar im japanischen Linksverkehr unterwegs gewesen, fährt immer noch mehr als 20.000 Kilometer im Jahr. „Ich fühle mich als 76-Jähriger in eine Ecke gestellt, wenn pauschal behauptet wird, ich sei nicht mehr fahrfähig.“

Rolf Witt fährt ab und zu noch nach Scharbeutz an der Ostsee, nutzt seinen VW Passat aus den 1990er-Jahren ansonsten für Einkaufsfahrten, kommt nur noch auf geschätzte 2000 Kilometer im Jahr. „Ich wohne allein am Rande von Ahrensburg, die Bushaltestelle ist weit weg und die Einkaufstüten schwer“, sagt er. Deswegen wolle er sein Auto behalten. Ob ein Taxi für gelegentliche Einkaufsfahrten günstiger wäre, hat er „lieber nicht“ nachgerechnet.

Polizist registriert steigende Zahl von Unfällen durch Senioren

Über die Fahrprobe sagt Dirk Aschmann: „Ich bin gefahren wie immer, bremse offenbar etwas scharf. Das Navi habe ich so eingestellt, dass es warnt, wenn ich zu schnell bin.“ Behrend sagt lobend „Die Fahrpraxis habe ich ihm angemerkt.“ auf die Frage, ob ihn die Anwesenheit der Fahrlehrerin nervös gemacht habe, meint Aschmann: „Tina Behrend war eine charmante Begleitung, die ich gern auf einen Kaffee eingeladen hätte.“ Etwas anders verlief die Fahrt bei Rolf Witt: „Ich habe mich bei ihm noch einigermaßen sicher gefühlt“, sagt Behrend. Gerade auf dem Beschleunigungsstreifen könne er jedoch etwas mehr Gas geben. Sie betont, wie wichtig die regelmäßige Überprüfung ist. „Wie der TÜV ist auch der FahrFitnessCheck immer nur eine Momentaufnahme.“

Verkehrsexperte Kay-Uwe Güsmer begrüßt freiwillige Testfahrten, ist aber wie Frank Walkenhorst vom Fahrlehrerverband der Meinung, dass sie häufig gerade von denjenigen nicht genutzt würden, die sie am meisten bräuchten. Der Polizist beobachtet seit Jahren einen Anstieg der von Senioren verursachten Unfalle, sagt: „Verpflichtende medizinische Checks wären sinnvoll. Und das auch schon in jüngeren Jahren. Sehschärfe und Medikamentenkonsum können erheblichen Einfluss auf die Fahrtauglichkeit haben.“

Aktion „Schulterblick“ des Deutschen Verkehrssicherheitsrates informiert über Möglichkeiten, die Fahrtauglichkeit zu überprüfen: www.dvr.de/aktionen/aktion-schulterblick.htm