Lütjensee. Badegäste des Nordstrands haben Post von der Ordnungsbehörde bekommen und sollen Bußgeld zahlen. Als Beweis gilt ein Zeitungsartikel.

Es ist ein Verbot, das von Behördenseite niemand kontrolliert hat – und doch sollen zwei Hundebesitzer, die sich mit ihren Tieren am Großensee aufgehalten haben, jetzt Bußgeld zahlen. Sie waren zwar bei Weitem nicht die einzigen Badegäste, die ihre Hunde dabei hatten. Doch ihr Vergehen ist dokumentiert – in der Zeitung. Und die wurde im Ordnungsamt Trittau aufmerksam gelesen und zur Grundlage der Verfahren.

Die Aufregung war groß in diesem Sommer am Nordstrand. Denn immer wieder gab es Beschwerden über Müll, den Badegäste dort hinterlassen haben. Schließlich ließen die zuständigen Stellen ein Schild aufstellen, das auf die dort geltenden Verbote hinweist: Hunde und Pferde sind dort verboten, Grillen und Zelten ist nicht erlaubt und Strafen drohen auch, wenn jemand seinen Müll nicht mitnimmt. Die große Tafel zeigt mit Piktogrammen, was untersagt ist.

Für Kontrollen am Nordstrand fehle das Personal

Das Schild ist zwar neu, die Verbote hingegen nicht. Dennoch reiten seit vielen Jahren Pferdebesitzer am Strand entlang. Auch dutzende Badegäste aus weiter entlegenen Gemeinden oder Stadtteilen Hamburgs kommen seit eh und je mit ihren Hunden an den Nordstrand – weil sie glauben, Hunde seien an diesem Naturbad erlaubt. Auch viele Reiter waren überrascht, als sie das Verbotsschild entdeckten. Schnell kam Empörung und Widerstand unter den Tierliebhabern auf und löste eine große Diskussion aus. Für Lütjensees Bürgermeisterin Ulrike Stentzler waren die Zustände diesen Sommer am Nordstand untragbar, weil am Strand bergeweise Müll lag. Ferner hätten sich bei ihr Bürger wegen der vielen Hunde am Strand beschwert. Mehrfach berichtete das Hamburger Abendblatt vom Nordstrand und befragte die Besucher.

Trotz der diversen Verbote schickte das Amt weder in den Jahren zuvor noch in diesem Sommer Kontrolleure, die überprüften, ob sich die Menschen an die Regeln halten. „Dazu fehlte uns das Personal“, gibt Bodo Lork zu, der das Ordnungsamt in Trittau leitet. Zwar hätte die für Lütjensee und Großensee zuständige Behörde dieses Jahr beabsichtigt, einen Sicherheitsdienst an den Nordstrand zu schicken, „aber in einem Fall wurde der Einsatz wegen der schlechten Witterung abgesagt, beim anderen Mal hatte die Firma zu geringe Kapazitäten“.

Zeitungsartikel mit Foto gilt als Beweismittel

Die Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma hätten ohnehin keine Personalien aufnehmen dürfen, damit die Behörde Bußgeldverfahren einleiten kann. „Aber sie hätten Gäste dazu auffordern können, zu gehen. Wir haben dort schließlich das Hausrecht“, erklärt Lork.

An die Namen von Besuchern sind seine Mitarbeiter dennoch gekommen. Sie haben sie in der Zeitung gelesen und entsprechende Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet. In einem ersten Schreiben wurden die Betroffenen zu einer Stellungnahme aufgefordert. Als Beweismittel ist ein Zeitungsartikel des Hamburger Abendblattes mit entsprechenden Lichtbild aufgeführt. Und: Anhand der Zitate haben die Mitarbeiter des Ordnungsamts sogar die Schwere des Verstoßes ermittelt. Gegenüber dem Abendblatt hatte ein Badegast gesagt, dass ihm das Hundeverbot am Nordstrand zuvor nicht bekannt gewesen sei. Er fügte sinngemäß hinzu, dass er es aber albern finde, Tier dort zu verbieten. Diese Aussage ist für die Ordnungsbehörde ein klarer Vorsatz. In dem Schreiben, das dem Abendblatt vorliegt, heißt es: „Aus diesem Grund kann ein Verbotsirrtum Ihrerseits ausgeschlossen werden. Es wird Ihnen vorsätzliches Handeln vorgeworfen.“

Im Ordnungsamt spricht man von „Vorbildfunktion“

Für Timo Hohmuth, Fachanwalt für Verwaltungsrecht in Hamburg, ist dies zwar ein ungewöhnlicher Vorgang für eine Behörde. „Aber wenn man alles dokumentiert vor die Nase bekommt, wundert es einen nicht, dass die Behörde aktiv wird“, sagt Hohmuth. Entscheidend ist laut dem Juristen, wie eindeutig der Verstoß ist.

Dabei ist die Behörde nicht verpflichtet, gegen diese Ordnungswidrigkeiten vorzugehen. Bodo Lork spricht vom Opportunitätsprinzip. Demnach kann die Behörde eingreifen, muss es aber nicht. Es liegt im Ermessen des Amtes, das sich in zwei Fällen jedoch bewusst für ein Verfahren entschieden hat. Denn zwei zitierte Aussagen waren für die Behörde wegen des Vorsatzes von besonderer Qualität. „Sie haben öffentlich das Verbot missachtet“, sagt Bodo Lork und spricht von einer „Vorbildfunktion“.

Neben diesen beiden Verfahren sind laut Lork weitere in Bezug auf die Verbote am Nordstrand weder in Vorbereitung noch vorgesehen. In den Bußgeldangelegenheiten, die jetzt anhängig sind, wirft das Ordnungsamt den Hundebesitzern einen Verstoß gegen das Gesetz über das Halten von Hunden vor. Denn laut Paragraf 3 ist es in Schleswig-Holstein verboten, Hunde mit in „Badeanstalten sowie Badestellen an Oberflächengewässern“ zu nehmen. „Wegen des Vorsatzes müssen beide mit empfindlichen Bußgeldern rechnen“, sagt Lork.

Behörde arbeitet derzeit an einem Konzept für 2017

Müllsünder und Reiter können zwar nicht nach dem Hundegesetz bestraft werden, für sie gelten andere Gesetze. So ist laut Bodo Lork im Landeswaldgesetz klar geregelt, dass Reiter nur auf ausgewiesenen Wegen erlaubt sind. Der Nordstrand gehört nicht dazu. Das Landeswaldgesetz untersagt ferner offenes Feuer. Auch Grillen ist wegen des Brandgefahr untersagt. Menschen, die illegal ihren Müll in dem Naturgebiet entsorgen, können nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz zur Rechenschaft gezogen werden.

Doch bislang müssen nur zwei Hundebesitzer mit Strafen rechnen. Im nächsten Sommer möchte die Behörde dies jedoch ändern und arbeitet schon jetzt an einem Konzept, wie die Verbote am Nordstrand durchgesetzt werden können. „Wir müssen schauen, was zu realisieren ist“, sagt Lork.