Glinde. Bürgerinitiative Glinde gegen rechts beendet Protest nach fünf Jahren, da Räumungsklage läuft. Kunden beobachten Demonstranten.
Es ist der erste Eintrag einer Chronik fünfjährigen Protestes: 16. September 2011, ein Freitag. Eröffnung von Tønsberg am Glinder Berg. Einem Laden, der die in der rechten Szene beliebte Marke Thor Steinar anbietet. Nachmittags versammeln sich dort Schüler, Jugendorganisationen, Politiker und Bürger aus Glinde und Umgebung. Der Laden schließt seine Jalousien und öffnet erst am nächsten Tag wieder.
Vergangenen Sonnabend, fünf Jahre später, versammeln sich wieder Menschen vor dem Laden – rund 50 sind es, viele gehören zur Bürgerinitiative Glinde gegen rechts, die hier seit Eröffnung zu Demonstrationen und anderen Aktionen aufgerufen und mit ihren täglich abgehaltenen Mahnwachen über fünf Jahre auf dem Glinder Berg Präsenz gezeigt hat. Gekommen sind aber auch Politiker wie Jan Schwartz vom Parteienbündnis Glinde, das die Arbeit der Bürgerinitiative begleitet hat, und Bürgermeister Rainhard Zug sowie einige Einwohner.
Sechs Polizisten sind am Glinder Berg
Es ist die letzte von rund 1500 Mahnwachen. Der Mietvertrag mit den Betreibern ist zum 1. August ausgelaufen, eine Räumungsklage wurde eingereicht, der endgültige Auszug scheint Formsache. Grund zu feiern also. So richtig ausgelassene Stimmung will aber in Glinde nicht aufkommen.
Friedlicher Protest
Denn zehn Meter von den Demonstranten entfernt steht eine Gruppe, die sich offenbar an dem bunten Protest stört. Es sind überwiegend Männer, die den durch Farbe stark ramponierten Modeladen am heutigen Tag wie ein Clubhaus nutzen. Sie kennen sich anscheinend untereinander gut, gehen ein und aus, lehnen gelassen an der Hauswand und verfolgen, was auf dem Bürgersteig passiert, mit höhnischem Applaus, machen Fotos mit ihren Handykameras.
Beunruhigend sei das, sagt eine ältere Dame, die die Mahnwache zum ersten Mal besucht und ihren Namen nicht nennen möchte. Zwischen Laden und Bürgersteig stehen zwei Polizisten, vier weitere warten mit etwas Abstand. Eine Reserve sei abrufbar.
„Das ist das, was wir immer befürchtet haben“, sagt Hans-Jürgen Preuß, Sprecher von Glinde gegen rechts. Gemeint ist, dass der Laden zum Treffpunkt der rechten Szene werden könnte. Dass die sich heute hier öffentliche zeige, ist laut Preuß in fünf Jahren nicht vorgekommen. Häufig sei das Geschäft bei größeren Aktionen geschlossen worden. So auch beim Besuch von Schleswig-Holsteins Innenminister Stefan Studt (SPD) Ende August dieses Jahres. Woher die Gruppe kam, wissen die Aktivisten nicht. Kunden kämen aber nur selten aus Glinde, sondern meistens in Autos mit auswärtigen Kennzeichen.
In ihrem Programm lassen sich die Glinder dann aber nicht von der Gruppe stören. Hans-Jürgen Preuß bedankt sich in seiner Begrüßungsrede besonders bei seinen Mitstreitern, hebt aber auch die gute Zusammenarbeit zwischen Politik, Stadt und dem Verein hervor. „Das ist normalerweise bei einer Bürgerinitiative nicht der Fall“, so Preuß.
Eíne Platte im Gehweg erinnert an den Protest
Glindes Bürgermeister Rainhard Zug bedankt sich besonders für den friedlichen Protest der Initiative. Auch vor dem Hintergrund der ersten Demonstrationen. Er erinnert sich: „Fast tausend Menschen waren in Glinde, und Wasserwerfer fuhren durch die Stadt.“ Den großen Erfolg der Bürgerinitiative lobte dann auch Jan Schwartz vom Parteienbündnis. „Es ist eine bundesweit einzigartige Bewegung entstanden“, so Schwartz, „weil in Glinde alle an einem Strang gezogen haben.“
Warum die Gruppe aus der rechten Szene sich nach fünf Jahren gerade heute in der Stadt blicken lässt? Offenbar könne man mit dieser Gesinnung heute wieder leichter öffentlich auftreten, so Schwartz. „Auch Bautzen kann eine Rolle spielen.“ Dort ist es in den vergangene Tagen zu Ausschreitungen zwischen rechten Demonstranten und Flüchtlingen gekommen.
Unter den Mitgliedern der Bürgerinitiative sind neben allgemeiner Euphorie auch Misstöne zu vernehmen. Bei aller Unterstützung habe man viel Gleichgültigkeit erfahren, sagt Inga Stöckmann. Am Ende habe sich die Last der Mahnwachen auf wenige Schultern verteilt: „Wie oft haben wir gedacht, wir können nicht mehr.“ Auch Hans-Jürgen Preuß reicht es jetzt: „Am Ende kam relativ viel auf den Einzelnen zu.“
Der Einsatz habe sich aber gelohnt. Der Laden mache bald zu, zudem habe man viel gelernt, so Preuß. Seine Mitstreiter und er wollten sich weiterhin gegen rechts einsetzten.
Auf dem Bürgersteig vor dem Geschäft erinnert jetzt eine Steinplatte an den Protest. „Das ist keine Grabplatte und keine Selbstbeweihräucherung“, sagt Preuß. Die Platte transportiere die Idee der Initiative, wie sie im Grundgesetzt steht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“