Oststeinbek. Er torkelte und roch nach Alkohol: Der Pfleger fiel immer wieder auf die Frau. Das Pflegeheim wurde mit einer Bestnote bewertet.

Karl Heinz Mentzel, der von 1999 bis 2011 in Oststeinbek Bürgermeister war, erlebte am Freitagmittag ein kurioses Schauspiel vor seinem Haus. Als er aus einem Fenster auf die Uferstraße schaute, sah er in der Garagenzufahrt eine alte Frau liegen, die aus einem umgestürzten Rollstuhl gefallen zu sein schien. Ein weiß gekleideter Mann, von dem Mentzel annahm, dass er ein Pfleger aus dem Kursana Domizil gegenüber sei, habe sich vergeblich bemüht, den Rollstuhl wieder aufzurichten und die Frau hineinzusetzen.

„Das war wie schlechter Slapstick“, sagt Mentzel und beschreibt, wie der Mann immer wieder selbst hinfiel, und zwar auf die alte Dame. Mentzel eilte hinaus, um zu helfen. Er merkte rasch, dass der Pfleger keine große Unterstützung war, weil der selbst Schwierigkeiten hatte zu stehen. „Er torkelte und roch nach Alkohol.“

Mentzel benachrichtigte Polizei und Rettungsdienst, die beide schnell erschienen. In der Zwischenzeit kam eine weitere Pflegekraft beim Spaziergang mit einer Kursana-Bewohnerin vorbei – eine Praktikantin, wie Mentzel von ihr erfuhr. Sie erzählte ihm auch, dass sie bereits auf den betrunkene Kollegen hingewiesen habe. Mentzel wunderte sich noch mehr, als der Atemalkoholtest beim Pfleger fast 4,4 Promille erreichte. „Der Mann war sturzbetrunken.“

Ermittlung wegen fahrlässiger Körperverletzung ist möglich

Die herbeigerufene Heimleiterin hat laut des ehemaligen Bürgermeisters gesagt, der betrunkene Pfleger sei nicht bei Kursana, sondern bei einer Fremdfirma angestellt. Der Bericht der aus Glinde herbeigerufenen Polizisten besagt, dass die Pflegepraktikantin als Zeugin davon sprach, dass sie den Kollegen vergeblich habe zurückhalten wollen.

Die 86 Jahre alte Frau, die aus dem Rollstuhl gefallen war, wurde unverletzt ins Domizil zurückgebracht. Der betrunkene Pfleger, der sich bei einem seiner Stürze eine blutende Kopfwunde zugezogen hatte, wurde untersucht und entlassen, durfte aber nicht an seinen Arbeitsplatz zurückkehren.

Die Glinder Polizisten wollen sich am heutigen Montag noch einmal nach dem aktuellen Zustand der alten Dame erkundigen, damit gegebenenfalls wegen fahrlässiger Körperverletzung ermittelt werden kann. Außerdem werden sie mit ihrem Bericht die Heimaufsicht informieren.

Medizinischer Dienst der Krankenkassen vergibt Note 1,0

Karl Heinz Mentzel möchte, dass der Fall gründlich untersucht wird. „Deshalb gehe ich mit meinen Beobachtungen an die Öffentlichkeit“, sagt er. Eine Stellungnahme von Kursana war am Sonntag nicht zu bekommen.

Das im November 2008 in Oststeinbek eröffnete Kursana Domizil – Mentzel setzte als damaliger Bürgermeister den Grundstein – bietet in neun Doppel- und in 87 Einzelzimmern Platz für 105 Bewohner und hat auch einen spezialisierten Demenz-Wohnbereich. Die Anlage wirbt auf ihrer Homepage damit-TÜV-zertifiziert zu sein. Im Juli 2015 bewertete der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) die stationäre Pflege mit der Note 1,0.