BargteHeide. 63,4 Prozent der Wähler in Bargteheide stimmen für Stormarns Gleichstellungsbeauftragte. CDU-Kandidat Sven Noetzel ist enttäuscht
Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft saß bei der Europameisterschaft im Spiel gegen die Slowakei zur Halbzeitpause in der Kabine, da brach im Bargteheider Ratssaal lautstarker Jubel aus. Um 18.54 Uhr stand am Sonntagabend fest: Birte Kruse-Gobrecht wird neue Bürgermeisterin. Mit 63,4 Prozent hatte die Stormarner Gleichstellungsbeauftragte die Wahl gegen den Reinbeker Bauamtsleiter Sven Noetzel gewonnen. Die Beteiligung lag bei 49,2 Prozent.
„Das Ergebnis repräsentiert das, was ich in den vergangenen Wochen im Wahlkampf gefühlt habe“, sagte Kruse-Gobrecht. „Trotzdem ist es erstaunlich, dass es so deutlich ausgegangen ist“, so die 47-Jährige, die als unabhängige Bewerberin mit Unterstützung der Grünen angetreten war.
Ihr Gegenkandidat, der von der CDU nominierte Sven Noetzel, trug die Schlappe mit Fassung. „Es gehört zu Wahlen dazu, dass sie manchmal nicht so ausgehen, wie man es sich wünscht“, sagte der 44-Jährige über seine 36,6 Prozent. Über die Ursache für die aus CDU-Sicht überraschende Niederlage könne er nur rätseln: „Wenn wir das wüssten, hätten wir es ja anders gemacht.“
Erster Gratulant war Lebenspartner Bernd Gundlach
Wenige Meter weiter nahm Birte Kruse-Gobrecht ununterbrochen Glückwünsche entgegen. Erster Gratulant war ihr Lebenspartner Bernd Gundlach, Leiter der Amtsverwaltung Bargteheide-Land. Ihr Sohn Karl, der ein Deutschland-Fantrikot von Mario Götze trug, freute sich gleich doppelt: Seine Mutter hatte dem Elfjährigen für den Fall des Wahlsiegs ein neues Originaltrikot der Mannschaft versprochen.
„Ich danke den vielen Menschen, die mich in den vergangenen Wochen unterstützt haben“, sagte Kruse-Gobrecht. „Ohne sie wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen.“ Jetzt sei es Zeit für Veränderungen, aber immer mit dem Blick aufs Ganze. Über ihren Starttermin im Bargteheider Rathaus müsse sie in dieser Woche mit ihrem Vorgänger verhandeln: Henning Görtz ist jetzt als Landrat Chef der Gleichstellungsbeauftragten. „Vielleicht ist ein Wechsel ja schon zu Anfang September möglich.“
Der deutliche Sieg zeichnete sich schon um 18.22 Uhr ab, als das Rathaus als erster Stimmbezirk 64,4 Prozent für die Kandidatin meldete. So ging es mit Zahlen zwischen 55,9 und 69,1 Prozent in den restlichen 13 Bezirken weiter. Am Ende konnte Birte Kruse-Gobrecht über 4049 Stimmen zu 2338 Stimmen für Sven Noetzel jubeln. Ähnlich wie die deutschen Fußballer über das klare 3:0 gegen die Slowakei und den Einzug ins Viertelfinale.
„Mein Vater und mein Großvater wären an diesem Tag sehr stolz auf mich“, sagte Kruse-Gobrecht sichtlich gerührt. Beide hatten Führungspositionen in der Verwaltung. „Dort wollte ich eigentlich nie hin“, sagte sie, „aber jetzt freue ich mich umso mehr auf die neue Aufgabe.“
Noetzel wird weiter als Reinbeker Bauamtsleiter arbeiten
Sven Noetzel wird am heutigen Montag wieder an seinen Schreibtisch im Reinbeker Rathaus zurückkehren. „Da konnte ich in den Wochen des Wahlkampfs ja nicht so regelmäßig sein“, sagte er. „Dort werde ich jetzt mit Vollgas weiterarbeiten.“ Trost spendete ihm sein neun Monate alter Sohn Janoah, der den Wahlausgang und die vielen Menschen um seinen Vater herum mit großen Augen und Schnuller im Mund verfolgte. Diplom-Bauingenieur Noetzel ist seit fünf Jahren Amtsleiter in Reinbek und ehrenamtlicher Fraktionsvorsitzender der CDU in der Bezirksversammlung von Hamburg-Bergedorf. Dort wohnt er mit Ehefrau Christiane und drei Söhnen.
Birte Kruse-Gobrecht hatte im Wahlkampf explizit auf ihre Parteilosigkeit gesetzt. Und auf ihre Nähe zu Bargteheide: Sie lebt mit ihren elf und 18 Jahre alten Kindern in Tremsbüttel. Außerdem versprach sie mehr Bürgerbeteiligung.
Die Neuwahl war nötig geworden, weil Henning Görtz (49) im Januar zum Stormarner Landrat gewählt worden war. Er führte die Verwaltung in seiner Heimatstadt seit Dezember 2008. Bei seiner ersten Wahl hatte sich der CDU-Mann mit 59,7 Prozent gegen zwei Frauen von SPD und Wählergemeinschaft durchgesetzt. Im Mai 2014 erreichte Görtz ohne Gegenkandidaten 80,7 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 54,7 Prozent.
Die Bürgermeister-Karriere von Birte Kruse-Gobrecht begann am Sonntag erst mal mit einem Abstieg: Vom Ratssaal im ersten Stock ging es die Treppe runter in die Coffee Lounge im Erdgeschoss. Ihre Einladung rief sie erleichtert in die Runde: „Jetzt ist es Zeit für ein Glas Prosecco.“