Bad Oldesloe/Reinbek. Mit Schnupfen ins Krankenhaus? In Bad Oldesloe, Großhansdorf und Reinbek nicht nötig. Angebot der Kassenärztlichen Vereinigung hilft.

Es ist Sonntagabend, ein Stormarner verspürt ernsthafte Symptome einer Erkrankung. Die Facharztpraxen haben geschlossen, was tun? Viele Menschen gehen in solchen Situationen in die Notaufnahme einer nahegelegenen Klinik, müssen dort lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Denn das Personal ist oft überlastet. So sieht der Alltag in immer mehr Notambulanzen in der Metropolregion aus. Anders die Situation im Kreis Stormarn, hier ist die Lage lange nicht so prekär. Woran liegt das?

Jährlich kommen acht bis zehn Prozent mehr Patienten in die Notfallambulanzen von Kliniken. So steht es in einem Rechtsgutachten, das die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH), die Krankenhausgesellschaft (KGSH) sowie die Landesregierung Schleswig-Holstein in Auftrag gegeben hatten. „Doch nicht jeder Patient, der zur Notaufnahme geht, gehört dort auch hin“, sagt Bernd Krämer, Geschäftsführer der KGSH. Dazu zählen Patienten, die ihren Zustand falsch einschätzen. „Wer mit einem Schnupfen in die Klinik geht, ist da natürlich nicht richtig“, sagt Marco Dethlefsen vom KVSH. Laut KGSH-Geschäftsführer Krämer sei die Unkenntnis über weitere Angebote der Grund dafür, dass Menschen fälschlicherweise in der Notaufnahme landen. 120 Euro kostet das Krankenhaus ein Patienten-Besuch in der Notaufnahme, doch nur rund 30 Euro werden vergütet. Die Differenz von 90 Euro muss der Krankenhausträger zahlen.

© HA | Birgit Schücking

Im Kreis Stormarn gibt es drei Anlaufpraxen vom ärztlichen Bereitschaftsdienst der KVSH, die die Notfallambulanzen spürbar entlasten. Die Anlaufpraxen sind in der Asklepios Klinik in Bad Oldesloe (Schützenstraße 55), im St. Adolf-Stift in Reinbek (Hamburger Straße 41) und in der Park-Klinik Manhagen in Großhansdorf (Sieker Landstraße 19). Also in Häusern, die ihre Schwerpunkte auf Innere Medizin oder Orthopädie gelegt haben. Während Notaufnahmen rund um die Uhr besetzt sind, sind es die Anlaufpraxen zu Randzeiten. Diese Praxen erweitern also die hausärztliche Versorgung in den Abendstunden, an Wochenenden und an Feiertagen.

Feiertags und mittwochs ist im Reinbeker Krankenhaus mehr los

Zum Vergleich: In Hamburg gibt es nur zwei Notfallpraxen der Kassenärztlichen Vereinigung, die Patienten außerhalb der regulären ärztlichen Sprechstunden fach-, allgemein- und unfallärztlich versorgen. Zudem gibt es noch drei hausärztliche Notfallbereitschaftsdienste. In ganz Schleswig-Holstein gibt es 30 Anlaufpraxen. Dieses Modell mit Vorbildcharakter gibt es seit dem Jahr 2007. In Stormarn zeigt es offenbar Wirkung.

Verletzte oder Erkrankte, die aus eigener Kraft eines der Krankenhäuser aufsuchen, entscheiden vor Ort, ob sie in die Anlaufpraxis gehen oder die Notfallambulanz aufsuchen, weil es ihnen besonders schlecht geht. Das Reinbeker Krankenhaus verzeichnet zwar steigende Patientenzahlen in der Notaufnahme, doch von einer Überlastung könne nicht die Rede sein, sagt Pressesprecherin Andrea Schulz-Colberg auf Anfrage des Abendblattes. „Feiertags und mittwochnachmittags, wenn die Arztpraxen geschlossen haben, ist für gewöhnlich mehr los“, sagt Mathias Mühlhäuser, Oberarzt der Unfallchirurgie. „Aber jeder Mensch, der in Not ist, ist bei uns natürlich willkommen und soll seine Schmerzen professionell abklären lassen“, sagt Gisel Kripgans von der pflegerischen Leitung der chirurgischen Notaufnahme. So wie der Trittauer Uwe Meißner, 78, der sich an diesem Morgen beim Arbeiten mit der Flex in den eigenen vier Wänden am Fuß verletzt hat und sich nun hier ärztlich versorgen lässt.

Wie sehen die Zahlen für das St. Adolf- Stift konkret aus? Im Jahr 2006 suchten 9.287 Menschen die chirurgische Notaufnahme auf. 2015 waren es 11.033. Also stieg die Zahl der Hilfesuchenden von durchschnittlich 25 Patienten täglich auf rund 30 Patienten am Tag an. „Das könnte mit dem Zuzug an Menschen nach Stormarn oder dem demografischen Wandel zu tun haben“, lautet die Vermutung von Andrea Schulz-Colberg.

Das Team der Notaufnahme in der Asklepios Klinik in Bad Oldesloe behandelt durchschnittlich etwa 30 Patienten am Tag. Diese Zahl sei in den vergangenen fünf Jahren relativ konstant geblieben. Weniger dringliche Fälle, die bekanntlich viele Notaufnahmen in Deutschland vor allem abends oder am Wochenende bis an die Belastungsgrenze bringen, könnten dank der Unterstützung durch die Mediziner der Anlaufpraxis vor Ort gut betreut werden, sagt Mathias Eberenz, Pressesprecher des Asklepios Konzerns.

Am Empfangstresen der Kliniken wird den Patienten der richtige Weg gewiesen

Je nach Dringlichkeit der Fälle zu den Randzeiten von Arztpraxen werden die Patienten an die Notambulanz oder die Anlaufpraxis verwiesen. Zudem seien die Patienten auch tagsüber gut durch die Haus- und Fachärzte versorgt. Nur in seltenen Fällen müssten weniger dringliche Patienten in der Notaufnahme länger warten, wenn parallel Patienten mit schweren Erkrankungen oder Verletzungen in die Notaufnahme kommen. Die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH), die Krankenhausgesellschaft (KGSH) sowie die Landesregierung von Schleswig-Holstein fordern in ihrem Gutachten außerdem, das bestehende Angebot durch sogenannte Portalpraxen auszuweiten. Das heißt, dass Anlaufpraxen auch während der normalen Sprechzeiten der Hausärzte geöffnet sein sollten. Am Empfangstresen von Kliniken sollte es rund um die Uhr möglich sein, die Patienten entweder zu den Ärzten in die integrierten Anlaufpraxen zu schicken, oder bei schweren Erkrankungen in die Notaufnahme.

116 117 – unter dieser Nummer bekommen Patienten Rat

Ein weiteres Angebot der Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein ist eine Telefon-Hotline. Die Leitstelle des ärztlichen Bereitschaftsdienstes ist außerhalb der regulären Praxiszeiten der niedergelassenen Ärzte telefonisch unter der bundesweit einheitlichen und kostenlosen Telefonnummer 116 117 erreichbar.

Alle Informationen zu den nächstgelegenen Anlaufpraxen und zu Hals-Nasen-Ohren-Ärzten oder Augenärzten, die Bereitschaftsdienst haben, können Patienten dort abrufen. Sofern Patienten nicht in der Lage sind, eine Anlaufpraxis aufzusuchen, kommt auch ein Arzt zu ihnen nach Hause.
In akuten Notfällen verständigt die Leitstelle auch den Rettungsdienst. Wer dringend Hilfe benötigt, ruft über Telefon 112 Hilfe.