Bad Oldesloe. Der Kreis hat in acht Jahren 50 Millionen Euro abbezahlt. Das Erfolgsrezept: konsequentes Sparen und überparteilicher Konsens.
Stormarn hat am gestrigen Dienstag seine letzte Kreditrate über 32.900 Euro an die Commerzbank zurückgezahlt. Damit ist der Kreis jetzt schuldenfrei. „Es ist noch gar nicht lange her, da hatten wir die höchste Pro-Kopf-Verschuldung in Schleswig-Holstein“, sagt Landrat Klaus Plöger. „Jetzt sind wir der einzige Kreis mit null Schulden.“ Anfang 2008 war der Minusrekord von rund 50 Millionen Euro erreicht worden. In den vergangenen acht Jahren haben es Kreisverwaltung und Kreistagsabgeordnete geschafft, diesen Berg bis auf den letzten Cent abzubauen.
Nach Recherchen im Kreishaus in Bad Oldesloe zählt Stormarn damit zu den nur vier von 295 Landkreisen in ganz Deutschland mit dem Prädikat „schuldenfrei“. Die anderen drei liegen in wirtschaftsstarken Regionen von Nordrhein-Westfalen: der Rhein-Erft- und der Rheinisch-Bergische Kreis (beide bei Köln) sowie Mettmann (bei Düsseldorf).
Für die Kämmerin steht der Wille zur Entschuldung an erster Stelle
„Von allen vieren haben wir die niedrigste Kreisumlage“, sagt Landrat Plöger. „Das zeigt, dass wir uns nicht auf Kosten der Kommunen saniert haben.“ Die Umlage – der Steueranteil, den die Städte und Gemeinden abgeben müssen – ist die wichtigste Einnahmequelle. Im Jahr 2008 waren 37,25 Prozentpunkte noch der zweithöchste Satz aller elf Kreise in Schleswig-Holstein. Im Vorjahr entsprachen 34,5 Punkte dem zweitniedrigsten Wert landesweit. Umgerechnet bedeute dies, dass auch die Kommunen um zehn Millionen Euro entlastet worden seien.
Für den stellvertretenden Kreispräsidenten Heinz Hartmann (SPD) ist die gute Zusammenarbeit in der sogenannten kommunalen Familie ein Grund für den Erfolg. „Wenn es dem Kreis finanziell gut geht, dann geht es auch den Städten und Gemeinden gut“, sagt er. Hartmann ist optimistisch, dass die Kreisumlage niedrig bleibt: „Daran könnten nur ein für uns schlechteres Finanzausgleichsgesetz des Landes oder ein wirtschaftlicher Einbruch etwas ändern.“
Stormarn ist Spitzenreiter im Norden: nur 3,8 Prozent Arbeitslosenquote
Zumindest Letzteres ist nicht zu befürchten: Mit einer Arbeitslosenquote von nur 3,8 Prozent (0,2 Punkte weniger als vor einem Jahr) ist Stormarn spitze im Norden. Und entgegen erster Befürchtungen kommt der Kreis in diesem Jahr auch komplett ohne Neuverschuldung aus.
Maßgeblichen Anteil an der Entwicklung hat eine Frau, über die Landrat Plöger anerkennend und mit einem Lächeln sagt, sie „hockt auf dem Geld“: Kreiskämmerin Christiane Maas. Ihr Credo ist denkbar einfach: „Am Anfang muss man etwas wirklich wollen, dann kann man dieses Ziel auch erreichen.“ Diese Wille sei quer durch die Verwaltung und bei den Parteien im Kreistag sehr ausgeprägt. Diese Kooperation über politische Grenzen hinweg – das sogenannte Stormarner Modell – ist ein Mosaiksteinchen auf dem Weg aus der Schuldenfalle.
„Unsere Körbchenrunde, in der sich die Fraktionsspitzen über den Etat verständigen, kann man jedem nur empfehlen“, sagt Klaus Plöger. So habe der Kreis keineswegs einen rigiden Sparkurs gefahren, sondern immer investiert. Beispiele seien die Berufsschulen in Ahrensburg und Bad Oldesloe, die Gebäude der Kreisverwaltung, die Feuerwehrzentrale in Nütschau, Straßensanierungen und der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV).
Krankenhaus und MVA-Anteile verkauft, Urkunden für Jubilare gestrichen
Auf der anderen Seite brachte der Rückzug aus „Dingen, die wir nicht konnten“ (Plöger) Millionen in die Kasse. Der Kreis verkaufte das Kinderheim am Lütjensee, sein Krankenhaus und die Altenheime, die Anteile an der Müllverbrennungsanlage Stapelfeld. Aber auch kleine Grundstücke und überflüssige Straßenanteile wurden abgegeben. „Statt für den Unterhalt dieser Flächen Geld auszugeben, kam noch ein bisschen in die Kasse“, sagt Klaus Plöger.
Der Landrat widerspricht zudem energisch dem Vorurteil, dass öffentliche Verwaltungen allesamt das Geld zum Fenster hinauswerfen würden. „Hier hat sich die Haltung entwickelt, dass jeder so rechnet, als gäbe er sein eigenes Geld aus“, sagt Plöger. Werde zum Beispiel eine Straße repariert, prüfe die Abteilung genau, ob die Arbeiten bei gleicher Qualität günstiger zu erledigen seien.
Für andere Aufgaben holte sich der Kreis Partner an die Seite. Einer ist die Sparkasse Holstein, die sich mit ihren Stiftungen vor allem für Kultur, Jugend, Umwelt, Sport und Soziales engagiert – mit bis zu sechs Millionen Euro jährlich. So kämen Gewinne aus dem öffentlich-rechtlichen Unternehmen wieder dem Kreis zugute.
Urkunden für Altersjubilare ab dem 80. Geburtstag kosteten im Jahr 20.000 Euro
Aber auch im vermeintlich Kleinen hat der Kreis seine Ausgaben überprüft. So bekamen Altersjubilare ab dem 80. Geburtstag früher teilweise mehrere Glückwunschbriefe und Urkunden auf einmal. Gut 20.000 Euro kostete das im Jahr. Das Geld wird mittlerweile ebenso gespart wie das Gehalt für einen persönlichen Chauffeur für den Landrat. „In den 18 Jahren meiner Amtszeit sind das zusammengerechnet rund 900.000 Euro“, sagt Klaus Plöger.
Ende April hat der 67-Jährige seinen letzten Arbeitstag. Er sei froh, dass er „ein bestelltes Feld“ an seinen Nachfolger Henning Görtz übergeben könne. Der ist noch Bürgermeister von Bargteheide – und kann mit Geld offensichtlich genauso gut umgehen: Die 16.300-Einwohner-Stadt ist bereits seit 2007 schuldenfrei.