Ahrensburg. Betreuung von Kindern wurde von der Einrichtung im Neubaugebiet Erlenhof in Ahrensburg kurzfristig abgesagt. Es fehlte an Personal.

Es ist 8 Uhr morgens in der Kita Erlenhof. Im Vorraum weint ein geschätzt knapp drei Jahre alter Junge herzzerreißend. Die Mutter, sichtlich in Eile, versucht gemeinsam mit einer Erzieherin, ihn schnell zu trösten und seine Aufmerksamkeit auf die anderen Kinder zu lenken, die drumherum wuseln. Gar nicht so einfach, denn der Kleine weiß natürlich genau, dass Mama gleich weg ist. Alltagshektik pur – und Business as usual in einer Kindertagesstätte. Das ist in Ahrensburg nicht anders als anderswo in Stormarn. Nicht normal dagegen war das, was einige Eltern vor kurzem bewältigen mussten.

Einige waren kurzfristig informiert worden, dass die Betreuung in der Gruppe ihres Kindes am 28. Januar ausfallen müsse, weil nicht ausreichend Personal zur Verfügung stehe. Andere erfuhren das erst, als sie mit ihrem Kind bereits in der Kita angekommen waren. Es war nicht die erste Absage. „Es waren so viele Erzieherinnen erkrankt, dass wir das Fachkräftegebot der Heimaufsicht nicht mehr aufrechterhalten konnten. Bei unserer personellen Ausstattung greift auch kein Notfallkonzept mehr“, sagt Christin Schwarz. Gemeinsam mit Antje Hundertmark leitet sie die im Januar 2015 eröffnete Erlenhof-Kita für die Arbeiterwohlfahrt als privatem Träger.

Schon jetzt gibt es eine Überbelegung – obwohl der Erlenhof noch eine Baustelle ist

Das Umfeld sieht mehr nach großer Baustelle als nach neuem Quartier für Familien aus. Noch stehen Mehrfamilienhäuser im Rohbau, doch die Kita mit ihrer markanten roten Fassade ist schon ein fester Bezugspunkt im Quartier – und sie stößt schon jetzt an ihre Kapazitätsgrenzen. 110 Kinder werden hier betreut, ein Drittel in der Krippe (unter drei Jahre), zwei Drittel im Elementarbereich (drei Jahre bis Einschulung) – verteilt auf sieben Gruppen. In der Raumplanung waren nur sechs vorgesehen, doch es musste wegen der Nachfrage bereits eine auf zunächst zwei Jahre befristete Überbelegung vorgenommen werden. Die siebte Gruppe belegt jetzt den sogenannten Bewegungsraum.

Eltern verlangen Planungssicherheit – damit sie nicht im Job kurzfristig ausfallen

„Das Problem wird sich mit der weiteren Neubürgern am Erlenhof noch verschärfen“, vermutet René Sahlmann. Er ist einer der Elternvertreter, die für heute eine Elternversammlung einberufen haben, um die Stadt als Finanzier auf die Probleme aufmerksam zu machen. „Wir wollen niemanden an den Pranger stellen, aber wir finden, dass es nötig ist, sich öffentlich zu äußern“, sagt Sahlmann. Die Kita-Eltern verlangen Planungssicherheit. Elternvertreterin Jana Bartels erzählt von einer Mutter, die Architektin ist und einen Kundentermin in Hamburg sehr kurzfristig absagen musste, nachdem sie an der Kita-Tür erfahren hatte, dass die Betreuung ausfalle. Bartels selbst ist durch das Home Office flexibler. Andere behelfen sich mit der Oma.

Drei Stellen sind wegen Fachkräftemangels unbesetzt, Ausfälle kaum auszugleichen

Eltern stehen zwar gesetzlich bis zu zehn Tage im Jahr zu, an denen sie zur Not wegen der Kinderbetreuung zu Hause bleiben dürfen, doch Elternvertreterin Stefanie Bütefisch hat kein gutes Gefühl, wenn sie dieses Recht in Anspruch nimmt. „Ich verspüre einen Rechtfertigungsdruck. Wenn ich zum Beispiel wegen einer Kita-Absage ausfalle, heißt das im Job: ,Was ist denn bei euch in der Kita los?’“ Die Elternvertreter wissen auch, dass die Rahmenbedingungen der Kitas nicht ausreichend sind. Die Leiterinnen am Erlenhof erzählen, dass die Kita zurzeit 17 Stellen (viele nur in Teilzeit) besetzt hat, drei aber seit Jahresbeginn wegen des Fachkräftemangels nicht besetzen konnte. Erschwerend komme hinzu, dass die Aufgaben der Erzieherinnen immer komplexer geworden seien. „Wir sind keine Kinderverwahranstalt, sondern eine Einrichtung, die anspruchsvolle Ziele in der frühkindlichen Bildung erfüllen soll“, sagt Christin Schwarz.

Frühkindliche Bildung ist anspruchsvolles Ziel, aber es fehlt an Zeit zur Vorbereitung

Um diese Ziele zu erreichen, seien 20 Prozent der Arbeitszeit als sogenannte Verfügungszeit definiert – als der Teil der Arbeit, in denen nicht direkt mit Kindern gearbeitet werde, sondern Weiterqualifikation und Vorbereitung für den Bildungsauftrag stattfinde, aber die inzwischen auch als Puffer für Krankheits- und Urlaubsvertretung genutzt werden müssten. Zu niedrig kalkuliert und bei der Verdichtung der Arbeit auch kaum noch einzuhalten, findet nicht nur das Kita-Leitungsteam. „Ich habe große Hochachtung vor Erzieherinnen, die in der Not manchmal 20 Kinder einen ganzen Vormittag allein betreuen müssen“, sagt Elternvertreterin Kirsten Hinzer.

Einig sind sich die Eltern mit den Erzieherinnen, dass das Thema Kinderbetreuung gesamtgesellschaftlich noch nicht so richtig in Deutschland angekommen sei, „Einerseits wird von Eltern erwartet, dass sie wirtschaftlich funktionieren, also 100 Prozent im Job geben, andererseits wird die Betreuung zu wenig wertgeschätzt.“ Christin Schwarz selbst hat das im Sozialausschuss einer Stadt in Südstormarn vor lauter eher betagten Politikern erlebt: „Da hieß es, die Muttis sollen doch lieber zu Hause bleiben.“