Glinde. Weil die Stadt Anfragen zum Thema schleifen ließ, wurde Dagmar Coordts aktiv. Bürgermeister zweifelt daran, ob das hilfreich war.
Dagmar und Jürgen Coordts haben für ihre Besucher immer ein breites Lächeln übrig. Wer das Ehepaar aus Glinde jedoch bittet, die Ereignisse zusammenzufassen, die sich in den vergangenen Jahren rund um ihre Bürgerinitiative „Lärmschutz K 80“ abgespielt haben, erfährt andere Reaktionen. Jürgen Coordts verdreht die Augen, blickt genervt zur Decke. Seine Frau seufzt laut, dann lächelt sie müde. Nicht etwa, weil die 65-Jährige es leid ist, über das Thema zu sprechen. Sondern vielmehr, weil sie nicht weiß, wo sie anfangen soll. Dagmar Coordts sagt: „Wir sind schon viel zu lange mit dieser Angelegenheit beschäftigt.“
„Irgendwann müssen wir das ja mal vom Tisch haben“
Seit Jahren setzen sich die Mitglieder der Bürgerinitiative, deren Sprecherin Dagmar Coordts ist, für einen Lärmschutz an ihren Grundstücken ein, die direkt an der K 80 liegen. Ein von der Stadt beauftragtes Fachbüro hat die Kosten dafür auf rund eine Million Euro geschätzt. Da der Lärmschutz nach Verwaltungsansicht eine freiwillige Leistung der Stadt ist, müssten die Anwohner 90 Prozent der Summe tragen – zu viel Geld für die Coordts und ihre Nachbarn.
Daher trat die Initiative Anfang 2015 an die Fraktionen der Stadt heran. Mit Erfolg: Auf der Sitzung des Bauausschusses am 23. April beschlossen die Stadtvertreter, dass die Verwaltung prüfen muss, ob und wie der Lärmpegel reduziert werden könne. Das ist mittlerweile mehr als zehn Monate her. „Seit dem ist nichts mehr passiert“, sagt Coordts. „Die Stadt hat auch nicht auf meine Anfragen und Briefe reagiert.“ Für die Glinderin ist das reine „Verzögerungstaktik“. Coordts: „Die Stadt möchte nicht zahlen und schiebt das Thema vor sich her.“ Und genau deswegen ist die engagierte 65-Jährige jetzt selbst aktiv geworden. Dagmar Coordts sagt zum Abendblatt: „Irgendwann müssen wir das ja ‘mal vom Tisch haben.“ Also habe sie jeden kontaktiert, der zum Thema etwas zu sagen habe.
Bei der Kreisverwaltung fragte sie nach, ob eine Erneuerung der K 80 anstehe. „Man sagte mir, dass mittelfristig eine Deckenerneuerung geplant ist“, sagt Coordts. „Die Stadt sollte sich also rechtzeitig mit dem Kreis in Verbindung setzen und das Thema Flüsterasphalt zur Sprache bringen.“ Anschließend rief Coordts bei der Stadt Reinbek an, auf deren Gebiet die K 80 liegt. Sie fragte bei der Verkehrsaufsicht, ob eine Geschwindigkeitsbegrenzung denkbar sei. „Dies lehnen die Reinbeker leider konsequent ab“, sagt Coordts und glaubt, damit von einer weiteren Möglichkeit der Lärmreduzierung zu wissen, die nicht mehr in Frage kommt. Auch nach möglichen Fördermitteln zur Finanzierung der Lärmschutzwand habe sich die 65-Jährige erkundigt. Zum Beispiel bei Verkehrsminister Reinhard Meyer, bei dem sie auch auf Ablehnung stieß. „Dafür hat man jetzt Gewissheit“, sagt sie.
Bürgermeister: Prioritäten derzeit bei anderen Projekten
Um all diese Optionen zu prüfen, habe sie keine zwei Stunden benötigt. „Für die Stadt Glinde scheint das aber eine unlösbare Aufgabe zu sein.“ Als unlösbar bewertet Glindes Bürgermeister Rainhard Zug das Thema Lärmschutz K 80 nicht. „Das sich die Verwaltung in den letzten zehn Monaten nicht damit beschäftigt hat, liegt daran, dass die Prioritäten derzeitig auf wichtigeren Projekten liegen“, so der Verwaltungschef. „Außerdem hatten wir bisher personell gesehen nicht die nötigen Kapazitäten, um uns des Themas anzunehmen.“
Dass Dagmar Coordts mittlerweile selbst aktiv geworden ist, damit nach eigenen Aussagen die Arbeit der Verwaltung in die Hand genommen hat, findet Rainhard Zug zwar lobenswert, zweifelt aber daran, ob dieses Vorgehen wirklich hilfreich ist. „Frau Coordts hat sich bei mehreren Stellen nach Möglichkeiten zur Lärmreduzierung erkundigt, ist dabei oft auf Absagen gestoßen, und hat es dann dabei belassen“, so Zug. „Unser Weg wäre natürlich ein anderer. Einer, der weitaus mehr Zeit in Anspruch nimmt.“
Äger der Initiative stößt bei Politik auf Verständnis
So würde die Glinder Stadtverwaltung zwar die selben Stellen kontaktieren, bei denen sich auch Dagmar Coordts erkundigte. Dabei aber, so Zug, versuchen, Verständnis zu wecken und außerdem auf Gutachten setzen. „Dazu sind wir aber noch nicht gekommen“, sagt der Verwaltungschef. „Sobald die Großprojekte ausreichend in die Wege geleitet sind, werden wir uns wieder mit dem Thema beschäftigen.“ Zug rechnet damit, dass das im Laufe der nächsten Monaten der Fall sein wird.
Bei der Glinder Politik stößt der Ärger der Bürgerinitiative auf Verständnis. „Bei diesem Thema hat sich in jüngster Zeit nicht viel getan, daher kann ich die Kritik von Dagmar Coordts gut verstehen“, sagt Reiner Neumann, Fraktionsvorsitzender der CDU. „Auch, weil die alte Lärmschutzwand völlig unzureichend ist.“ Damit meint der Fraktionschef die Holzwand, die vor Jahren auf privatrechtlicher Basis zwischen Kreis und Stadt erstellt worden ist und an Coordts’ Grundstücksgrenze gerade bis zur Hüfte reicht. Schutz vor Lärm bietet sie kaum. Wolf Tank, der Fraktionsvorsitzende der Grünen, kann nicht verstehen, dass die Stadt das Thema so lange schleifen lässt. „Es kann nicht sein, dass das monatelang rumliegt und nicht bearbeitet wird“, sagt er. Auch dann nicht, wenn es laut Bürgermeister noch andere, wichtigere Projekte gibt. „Das wirft kein gutes Licht auf die Verwaltung“, so Wolf Tank. „Wir werden das Thema bei der nächsten Sitzung des Bauausschusses erneut zur Sprache bringen.“
Bis sich Dagmar Coordts Wunsch, das Thema Lärmschutz an der Kreisstraße 80 bald vom Tisch zu haben, erfüllt, kann also noch einige Zeit vergehen. Politiker der Glinder SPD-Fraktion waren bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.