Ahrensburg. Finanzexperten der Fraktionen erklären Ahrensburgs Etat 2016 – und zeigen auf wie es um die Schlossstadt bestellt ist.

Das Werk ist ein eher abschreckender Berg von Papier, ein Konvolut von 406 Seiten mit sprödem Titel: „Stadt Ahrensburg. Haushaltssatzung und Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2016“. Selbst die Abbildung auf der Vorderseite ist wenig einladend, obwohl sie das Schloss zeigt, das nach seiner aufwendigen Komplett-Sanierung schöner denn je ist: Ahrensburgs Wahrzeichen wird wie ein schlechtes Omen in düsterer Schwarz-Weiß-Optik präsentiert, als wäre es noch immer eine dräuende Kulisse, wie sie Anfang der 60er-Jahre in zwei Verfilmungen von Edgar-Wallace-Krimis zu sehen war.

Ein Thriller ist dieses Buch nicht, aber trotzdem punktuell spannende Lektüre, weil sich hinter all den Zahlen, Tabellen und Statistiken viele Wahrheiten über die Stadt verstecken, die den meisten Bürgern unbekannt sind. Dass der Blick in die nüchterne Schwarte lohnt, zeigen uns die Finanzexperten der Fraktionen, die wir um aufschlussreiche, überraschende und auch kuriose Daten gebeten haben. Also um die gewissen Stellen im Haushalt 2016, der voraussichtlich in der Stadtverordnetenversammlung am 22. Februar beschlossen wird.

Die Haushaltssituation 2016

Zunächst die Eckdaten. Die „ordentlichen Aufwendungen“ betragen im aktuellen Entwurf des Haushaltsplans 2016 insgesamt rund 68,5 Millionen Euro. Der Ergebnishaushalt weist nach der 3. Änderungsliste und Korrekturen in den Ausschüsse voraussichtlich ein Minus von rund 4,6 Millionen Euro auf, und im Investitionshaushalt gibt es eine Unterdeckung von 6,3 Millionen Euro. Diese Defizite haben mehrere Gründe, allen voran die nicht vorhersehbare Einbuße von fünf Millionen Euro Gewerbesteuer.

Außerdem wird Ahrensburg 2016, wie viele Gemeinden im Hamburger Umland, stark belastet durch höhere Abgaben ans Land nach dem neuen Finanzausgleichsgesetz (4,04 Millionen Euro, also 2,74 Millionen Euro mehr als 2015) und durch die steigende Kreisumlage (14,91 Millionen Euro, 2,845 Millionen Euro mehr als im Vorjahr) in beiden Haushalten. Hinzu kommen die nicht langfristig vorhersehbaren Investitionen für die Unterbringung von Flüchtlingen (zwei Millionen Euro), nicht zu vergessen gestiegene Personalkosten für deren Betreuung (drei zusätzliche Stellen).

Wie hoch ist Ahrensburg verschuldet?

Finanziert werden muss das Defizit in beiden Haushalten über Kreditaufnahmen. „Wir hatten fünf Jahre in Folge keine Neuverschuldung“, sagt Bürgermeister Michael Sarach. In kleinen Schritten wurden Verbindlichkeiten der Stadt in dieser Zeit abgebaut, im vergangenen Haushalt um gut eine Million Euro. Ahrensburgs Verbindlichkeiten betragen aktuell 23,814 Millionen Euro (2015: 24,9 Millionen Euro). Die aktuellen Planungsdefizite können zum Teil durch Liquiditätsreserven aus den Vorjahren ausgeglichen werden. Die Neuverschuldung würde dennoch wohl 6,2 Millionen Euro betragen – erfahrungsgemäß wird es so schlimm aber wohl nicht kommen, zum Beispiel weil die Planansätze der Verwaltung gewöhnlich deutlich höher als die realen Kosten sind, sodass die Stadt mehr Geld in der Kasse hat, als es zunächst schien. In diesem Sinne sagt Achim Reuber, Finanzexperte der SPD: „Ich gehe davon aus, dass wir die Einnahmeseite noch verbessern können und das Defizit geringer wird.“

Die mittelfristige Prognose der Verwaltung fällt pessimistischer aus: In den Erläuterungen zum Haushaltserlass heißt es, dass Ahrensburgs Liquiditätsreserven erschöpft seien und die Stadt sich in den kommenden Jahren neu verschulden müsse. Und an anderer Stelle: „Eine ,Erholung’ der Gewerbesteuern ist derzeit nicht erkennbar.“

Wer zahlt Gewerbesteuer?

Auf Seite 45 wird in einer Tabelle mit der sperrigen Überschrift „Aufgliederung des Gewerbesteueraufkommens nach Betrieben“ eine irritierende Statistik präsentiert. Demzufolge waren 4276 Betriebe im Jahr 2015 in Ahrensburg registriert, aber 3520 davon (82,32 Prozent) zahlten keine Gewerbesteuer. Ebenso erstaunlich ist, wie wenig Spitzenzahler Ahrensburgs Wirtschaft hat. Nur 28 Betriebe (0,65 Prozent) haben 2015 mehr als 100.000 Euro Gewerbesteuer gezahlt. 476 Betriebe gehören zu dem statistisch weit gefassten Bereich von 10.000 bis 100.000 Euro.

Das Zerrbild der Statistik erklärt Stadtkämmerer Horst Kienel: „In der Tabelle sind alle Betriebe erfasst, die ein Gewerbe angemeldet haben. Darunter sind zahlreiche kleine Gewerbebetriebe, deren Einkünfte nicht den Freibetrag von 24.500 Euro überschreiten.“ Das ist das Gros, darunter dürften viele sein, die wirtschaftlich unbedeutend, wenn nicht gar inaktiv sind. Insofern ergibt die an der Gewerbesteuerpflicht orientierte Statistik kein realitätsnahes Bild.

Christian Conring (CDU)
Christian Conring (CDU) © Birgit Schücking

Christian Conring (CDU) und Bernd Buchholz (FDP) finden dennoch ein Detail wichtig, nämlich den Trend bei den Spitzenzahlern: 2012 waren es 40, im vergangenen Jahr nur noch 28. „Da kann man sich fragen, ob Ahrensburg potente Unternehmen an andere Standorte verliert – und ob es so klug ist, gerade jetzt den Gewerbesteuerhebesatz zu erhöhen“, sagt Conring.

Einkommensteuer bringt am meisten

Interessant ist die Entwicklung des gemeindlichen Anteils der Einkommensteuer. 2015 hat der Betrag, der Ahrensburg zugewiesen wird, erstmals die jährliche Gewerbesteuer überholt: 17,845 Millionen Einkommensteuer waren es im Vorjahr, dagegen nur 15 Millionen Gewerbesteuer. Das war absehbar: Der Einkommensteueranteil Ahrensburgs hat sich kontinuierlich zur wichtigsten Einnahmequelle der Stadt entwickelt, keine andere Steuer verzeichnete ähnlich große Zuwächse – allein von 2014 auf 2015 nahezu eine Million Euro. Gründe dafür sind sowohl der Bevölkerungszuwachs in Ahrensburg als auch die gute deutsche Konjunktur. Die Tendenz sei weiter steigend, sagt die Verwaltung: bis 2019 auf rund 21,22 Millionen Euro.

Interessant ist auch, dass es beim Gemeindeanteil der Umsatzsteuer eine parallele Entwicklung zur Einkommensteuer gibt: 2015 bekam Ahrensburg 2,35 Millionen Euro Umsatzsteuer (2014: 1,845 Millionen Euro).

Mehr Einwohner, mehr Geld und Kosten

Im Haushalt findet sich auch eine Statistik zur Entwicklung der Einwohnerzahl. 1988 waren 27.007 Bürger in Ahrensburg registriert, 2015 wurden 31.749 gezählt. In knapp drei Jahrzehnten ist die Stadt um etwa 5000 Einwohner gewachsen. Das bietet Chancen, erfordert aber auch höhere Ausgaben für die Infrastruktur der Stadt. Bernd Buchholz sagt: „Man muss Wachstum gestalten, bevor man von Entwicklungen überrascht wird. Dazu gehört es, Wohnraum zu schaffen, aber auch gute Bedingungen, um neue Gewerbebetriebe anzusiedeln und die alten zu halten – zum Beispiel durch die richtigen Akzente im Flächennutzungsplan.“

Soziale Infrastruktur ist teuer

Hartmut Möller
Hartmut Möller © Birgit Schücking

Rapide und deutlich gestiegen sind Kosten für die Betreuung von Kindern. Seit 2006 hat die Stadt 10,44 Millionen Euro in die Kita-Infrastruktur investiert. Hinzu kommen laufende Kosten. 2006 musste Ahrensburg ein Defizit aller Kitas von 2,2 Millionen Euro tragen, im Plan für 2016 sind es fast 5,2 Millionen Euro. „Wir haben in den vergangenen Jahren viel investiert. Damit sind aber auch hohe Folgekosten verbunden“, sagt Hartmut Möller (SPD). Peter Egan (WAB) meint, dass es legitim sei, Unternehmen über eine leicht erhöhte Gewerbesteuer stärker an Kosten der sozialen Infrastruktur zu beteiligen.

Es wird investiert, nicht nur gespart

Hartmut Möller weist darauf hin, dass die Stadt auch viel Geld für Nützliches und Nachhaltiges ausgebe. „Damit sich nach wochenlangen Haushaltsdiskussionen nicht der Eindruck verfestigt, dass nur gespart, gestrichen und aufgeschoben wird“, sagt der SPD-Fraktionschef und verweist auf den Haushaltsposten Auszahlungen aus Investitionstätigkeit, der 2015 insgesamt 12,117 Millionen Euro betrug. Für 2016 sind 11,656 Millionen Euro angesetzt, darunter eine Million Eigenanteil der Stadt an der von Bund und Land geförderten Rathaussanierung, zwei Millionen für Asylbewerber-Unterkünfte und drei Millionen für den Neubau der Grundschule Am Reesenbüttel.

Transferaufwendungen

In der Summe größter Kostenfaktor sind die sogenannten Transferaufwendungen, die für 2016 mit dem Spitzenwert von 31,8 Millionen Euro angesetzt wurden (2015 waren es 24,832 Millionen Euro). Die Transferleistungen enthalten Abgaben für den Länderfinanzausgleich und an den Kreis – das sind allein schon rund 22 Millionen Euro. 4,8 Millionen wurden für Zuweisungen an Kita-Einrichtungen veranschlagt, zwei Millionen für das Badlantic-Defizit. „Wir haben über große Teile des Haushalts wenig Bestimmungsmacht“, sagt Bürgermeister Sarach.

Personalaufwendungen

Die Personalaufwendungen schlagen in Ahrensburg mit fast einem Viertel des Haushaltsvolumens zu Buche. 2016 wurden dafür 14,49 Millionen Euro veranschlagt. FDP-Finanzexperte Bernd Buchholz wundert sich darüber, dass diese Aufwendungen zuletzt von Jahr zu Jahr um 850.000 bis 900.000 Euro gestiegen sein sollen. In der Begründung der Verwaltung heißt es lapidar, das liege wesentlich an Tariferhöhungen und zusätzlichen Stellen, insbesondere im Sozialbereich. Bernd Buchholz dagegen kritisiert, dass in diesen fast schon linearen Kostenzuwächsen eine Ursache für strukturell bedingte Defizite angelegt sei.

Zu hohes Minus der Straßenreinigung

Buchholz wundert sich über Erträge und Aufwendungen für die Straßenreinigung (S. 36): Ahrensburg nimmt dafür an Gebühren nur 170.000 Euro ein, dagegen stehen Aufwendungen von 773.000 Euro, das Defizit beträgt also – wie im Vorjahr – 603.000 Euro. Nicht nur Buchholz fragt sich, warum die Stadt die Gebühren nicht längst nachkalkuliert hat, um das Defizit zu reduzieren. Das soll jetzt geschehen: Im Haushalt 2016 sind 40.000 Euro für eine extern zu erstellende Gebührenneukalkulation angesetzt.

Teure Hilfe bei Jahresabschlüssen

Dirk Langbehn, Finanzfachmann der Grünen, ärgert sich über ein generelles Versäumnis, die Verzögerung von Haushaltsplänen und Jahresabschlüssen – was bis heute auch mit dem bereits am 1. Januar 2009 vollzogenen Übergang von der kameralistischen Buchführung zum betriebswirtschaftlichen System der Doppik entschuldigt wird. „Lohnbuchhaltung und Rechnungswesen funktionieren noch immer nicht. Es fehlen zum Beispiel Tools, mit denen man benötigte Daten sofort herausziehen könnte“, klagt Langbehn. Besonders ärgert ihn, dass die Finanzverwaltung noch immer teure externe Hilfe für ihre Jahresabschlüsse benötige. 2013 wurden dafür 53.721 Euro gezahlt, 2014 waren es 140.324 Euro und 2015 sogar 182.909 Euro.

Zu guter Letzt eine kleine Kuriosität.

Süffisant weist Bernd Buchholz noch auf die Seite 30 im Haushaltsplan hin: „Schlagen Sie mal auf! Was sehen Sie dort?“ Eine kleine leere Tabelle mit der Überschrift: „Umgesetzte Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung“.