Ahrensburg. Max Manow verdient als Fallschirmspringer sein Geld. In Dubai gelingt ihm der große Erfolg bei den World Air Games der Weltelite.
Dass der Ahrensburger Max Manow einen ganz schön gefährlichen Beruf ausübt und zu einem Heimatlosen geworden ist, dafür ist genau genommen seine Mutter verantwortlich. Sie war es, die dem heute 26-Jährigen vor zwölf Jahren überraschend einen Fallschirmflug zum Geburtstag geschenkt hat – und damit einen Stein ins Rollen brachte.
Heute zählt Manow zu den besten Fallschirmspringern der Welt. In seiner Disziplin, dem sogenannten Canopy Piloting, tritt er weltweit bei Wettbewerben an und verdient sein Geld als Fluglehrer. Gerade war er in Dubai bei den World Air Games. „Das sind quasi die Olympischen Spiele der Luftsportarten“, sagt Manow. Und er sorgte für die größte Überraschung des gesamten deutschen Teams. Er belegte unter den 39 Athleten einen hervorragenden 10. Platz. „So weit vorne war in dieser Disziplin noch nie einer unserer Sportler in einem international so erlesenen Feld“, unterstrich der Präsident des Deutschen Fallschirmsportverbandes Henning Stumpp.
Im Hauptberuf arbeitet Manow als Lehrer
Beim Canopy Piloting ist auf der Erde eine Art Parcours aufgebaut, der mittels Lichtschranken kontrolliert wird. In dem Parcours muss der Fallschirmspringer an bestimmten Stellen den Boden berühren und das möglichst schnell. Eine große Kunst: Denn normalerweise sinkt ein Fallschirm kontinuierlich nach unten, in einem Gleitwinkel von drei zu eins. Das heißt: Bei jedem Meter, den der Fallschirm sinkt, legt er gleichzeitig einen Weg von drei Metern nach vorn zurück.
Durch Tricks und Kniffe könne man aber die vertikale Geschwindigkeit in horizontale Geschwindigkeit umwandeln, sagt Manow. „Ich benutze dafür keinen runden, sondern einen rechteckigen, kleineren Fallschirm. Und den kann ich durch eine Spiraldrehung beschleunigen und in Vorwärtsgeschwindigkeit umlenken.“ Für Manow waren es die ersten World Air Games. „Ich bin damit sehr zufrieden.“ Denn einige der Konkurrenten hätten Sponsoren und könnten sich damit ihr tägliches Training finanzieren. „Die fliegen einfach in einer anderen Liga als ich“, stellt er neidlos fest.
Manow hingegen trainiert nur nebenbei. Im Hauptberuf arbeitet er als Lehrer für den Fallschirmspringer-Nachwuchs, bietet Tandem-Sprünge an für Menschen, die nicht alleine, sondern zusammen mit einem Profi am Schirm hängen wollen oder er macht Videos und Fotos von den Kollegen in der Luft. In den Monaten Mai bis Oktober lebt Manow deshalb in der Schweiz in der Nähe von Luzern – fest angestellt bei der größten Fallschirmspringerschule des Landes. Verdienstmöglichkeit: „Mehr als 2500 Euro im Monat. Davon kann man eigentlich ganz gut leben“, sagt Manow.
Sein gesamtes Leben passt in einen einzigen Koffer
Den Rest der Zeit verbringt er irgendwo anders auf der Welt. Während der Wettbewerbe beispielsweise. Oder wenn er ab und zu seine Freundin in Hamburg besucht. Bis Mitte April will er jetzt in Mexiko arbeiten, ähnlich wie in der Schweiz. „Der Nachteil meines Berufs ist, dass ich kein festes Zuhause habe“, sagt Manow. „Keine eigene Wohnung, keine eigenen Möbel, keine eigenen Sachen. Ich besitze nur Klamotten und Ausrüstung.“ Sein gesamtes Leben passt in einen einzigen Koffer, Wohnraum mietet er nur monatsweise und möbliert. Doch was ist mit Akten? Versicherungsunterlagen? Manow: „Ich habe einen dicken Ordner, den ich regelmäßig aussortiere. Das ist mein Büro, und das reist immer mit.“
Man müsse für diese Art von Beruf schon gemacht sein, sagt der 26-Jährige, lacht – und dann beginnt er zu schwärmen: „Wenn man springt, dann zählt nur dieser eine Zeitpunkt. Da geht es um absolute Präsenz. Und es hat den Nebeneffekt, dass man alle anderen Sachen, diese ganzen Bodenprobleme, vollkommen ausblendet.“ Es sei ein großartiges Gefühl von Freiheit und Entspannung. „Das Tolle an dem Beruf ist auch die Möglichkeit zu reisen und neue Länder und Leute kennenzulernen – und trotzdem dabei arbeiten zu können.“ Es sei aber leider kein Job, den man bis zum Rentenalter durchhalten könne. Fallschirmspringen ist körperlich anstrengend: Im freien Fall, in dem es bevor der Schirm geöffnet wird mit rund 200 km/h nach unten geht, ist höchste Körperspannung gefragt. „Wer mal bei Tempo 60 die Hand aus dem Auto gehalten hat, weiß, dass da ein ganz schöner Druck entsteht.“ Bei Tandem-Flügen komme auch noch das Körpergewicht der zweiten Person hinzu. „Und du hast natürlich ständig Adrenalin im Blut und einen höheren Puls.“ In Deutschland gebe es etwa 200 bis 250 Personen, die wie Manow hauptberuflich Fallschirm springen.
Begonnen hatte alles 2009 in Australien. Nach dem Zivildienst in den Stormarner Werkstätten in Ahrensburg hatte er nicht gleich einen Studienplatz bekommen. Er entschied sich, auf gut Glück nach Australien zu gehen. „Weil man da das ganze Jahr über Fallschirmspringen kann. Wetter- und saisonunabhängig“, sagt Manow. Sein erster Job: An einer Fallschirmspringerschule an der Ostküste die Schirme zu packen. Täglich, von morgens bis abends, eine anstrengende Arbeit. „Ich habe praktisch auf dem Platz gelebt. Dafür durfte ich nach und nach immer mehr eigene Sprünge machen und konnte später auch meinen Lehrerschein machen.“ Der Ehrgeiz war geweckt. Sein Ziel: Die Teilnahme an den deutschen Meisterschaften. Dreieinhalb Jahre verbrachte Manow in Australien.
Kurz nach seinem ersten Sprung wollte er wieder los
Dass aus ihm danach einer der weltbesten Fallschirmspringer werden würde, hätte er damals nicht gedacht. Und als 14-Jähriger, bei seinem ersten Sprung, erst recht nicht. „Mit dem Geschenk hatte meine Mutter mich überrascht. Das war ihre Idee. Ich wusste damals gar nicht, dass es so etwas gibt“, sagt Manow und lacht. Ein Tandem-Sprung aus 3000 Metern Höhe mit rund 50 Sekunden freiem Fall sei das gewesen. „Aber ich habe davon kaum etwas mitbekommen. Ehrlich gesagt war mir die ganze Zeit ziemlich übel.“ Auf dem Heimweg übergab er sich.
Und trotzdem: Schon kurz nach dem ersten Sprung erkundigte sich der 14-Jährige, wo er das Fallschirmspringen erlernen könne. „Ich kann es mir auch nicht erklären. Irgendwie hat es mich fasziniert.“ Ein halbes Jahr später sprang er dann schon alleine aus dem Flugzeug. Er machte drei sogenannte Automatensprünge, bei denen der Schirm über eine Leine mit dem Flugzeug verbunden ist und sich automatisch öffnet, sobald der Sportler das Flugzeug verlassen hat.
Alle paar Monate leistete er sich einen Sprung. Mit 16 Jahren machte er die Lizenz, die ihn dazu berechtigte, seinen Fallschirm selbst zu packen. Und selbstständig zu entscheiden, ob die Wetterbedingungen es erlauben, aus einem Flugzeug zu springen. Kosten: 1200 Euro. „Damals. Heute zahlt man rund 500 Euro mehr.“ Allein die Ausrüstung kostet 7000 Euro. Manow bekam sie gebraucht für 2000.
Disziplin Canopy Piloting birgt Gefahren
Der Fallschirmsport ist nicht ungefährlich. Besonders die Disziplin Canopy Piloting birgt viele Gefahren. „Bis hin zum Tod: alles“, sagt Manow ernst. Es sei eine Frage der Disziplin, des Trainings und der richtigen Selbsteinschätzung. „Weil man sich eben mit sehr hoher Geschwindigkeit bewegt, mit mehr als 150 km/h. Selbst einen Meter über dem Boden haben wir noch mehr als Tempo 100 drauf.“
Nur einmal hat sich Manow verschätzt, beim Landen. Da war er gerade ein halbes Jahr in Australien. „Ich habe zu spät umgelenkt, also zu tief am Boden meinen Schirm beschleunigt.“ Kurz vor dem Aufprall habe er realisiert, dass die Landung nicht mehr zu retten sei. „Ich war ganz ruhig, hatte nur einen Gedanken im Kopf: ,Das war’s jetzt.’“ Rund 40 Stundenkilometer hatte Manow noch drauf, als er voller Wucht auf den australischen Boden prallte. Dann wurde er bewusstlos. „Als ich wieder zu mir kam, konnte ich meine Beine nicht mehr spüren. Gleichzeitig war ich erleichtert, dass ich überlebt hatte.“ Er hatte großes Glück: Auf dem Weg zum Krankenhaus kam wieder Leben in seine Beine, er hatte sich lediglich zwei Wirbel angebrochen. Doch er schonte sich nicht. Eine Woche später hing er schon wieder am Fallschirm.