Bad Oldesloe. Auf dem Travering in Bad Oldesloe lernen Autofahrer, wie sie bei Regen, Schnee oder Eis nicht ins Schleudern geraten
„Schlagen, nicht drücken!“ Hajo Goj lässt nicht locker. Immer wieder fordert der Fahrtrainer seine Schüler beim Üben einer Vollbremsung dazu auf, nicht zu sanft zu sein. Der rechte Fuß soll mit ganzer Kraft regelrecht auf das Bremspedal schlagen. „Das verträgt euer Auto schon, keine Angst.“
Die sieben Teilnehmer des Pkw-Basis-Sicherheitstrainings am Travering in Bad Oldesloe sind anfangs zurückhaltend. Für alle ist es der erste Kursus dieser Art. Das liegt auch daran, dass die meisten von ihnen zwischen 18 und 21 Jahre alt sind. Die Tinte, mit der sie ihre Führerscheine unterschrieben haben, ist quasi noch feucht. Vor Johanna Matke liegt zum Beispiel der erste Winter als Autofahrerin. Sie wird dann das erste Mal mit schneenassen Straßen und rutschigen Fahrbahnen konfrontiert sein. „Meine Mutter hat mir zu dem Training geraten“, sagt die 18-Jährige aus Lütjensee. Mit Mamas schwarzem VW Touran ist sie nun auch an die Sehmsdorfer Straße nach Bad Oldesloe gekommen – auf das Gelände des Norddeutschen Verkehrssicherheitszentrums (NVZ).
Hajo Goj zeigt, wie Autofahrer sicher durch den Winter kommen
In der Vorstellungsrunde zu Beginn des achtstündigen Sicherheitstrainings fragt Fahrlehrer Hajo Goj sie und die anderen Teilnehmer, welche Erwartungen sie jeweils an den Kursus haben. Die ähneln sich vor allem bei Lukas Pranke, Patrick Jortzik und Malte Janott. Die drei absolvieren derzeit beim Kinderschutzbund Stormarn den Bundesfreiwilligendienst. Patrick arbeitet in Ahrensburg, Malte und Lukas in Bargteheide. Als „Bufdis“ sind die jungen Männer unter anderem dafür zuständig, bis zu acht Kinder in den vereinseigenen VW-Bussen herumzufahren. Eine große Verantwortung. „Wir wollen ein Gefühl für den Bus bekommen“, sagt Malte. Patrick ergänzt: „Solch ein Transporter verhält sich in bestimmten Situationen sicherlich anders als ein normales Auto.“ Die 98 Euro Teilnahmegebühr pro Person bezahlt der Kinderschutzbund.
Moderne Autos mit Assistenzsystemen reagieren anderes als ältere
Eine sinnvolle Investition, meint Hajo Goj. Der Fahrlehrer mit eigener Fahrschule in Hamburg ist seit 1987 Trainer in Sachen Verkehrssicherheit. Er wird häufig auch von Firmen und Institutionen gebucht, deren Mitarbeiter häufig auf der Straße unterwegs sind, sei es in Lkw, Sprinter oder Krankenwagen. Mit Seminaren und Schulungen hält sich der 57-Jährige auf dem Laufenden. „Ich muss auch technisch immer auf dem neuesten Stand sein“, sagt Goj, während er orange-weiße Absperrhütchen für die erste Übung platziert. Ein hochmodern ausgerüstetes Auto mit diversen elektronischen Fahrassistenten reagiere in bestimmten Situationen ganz anders als ein zehn Jahre altes „Schätzchen“.
Solch ein Schätzchen in Form eines Golf fährt Lara Peters. Die 19-Jährige aus Wentorf bei Sandesneben ist mit Vater Jörg zum Training angetreten. Während die Tochter lernen möchte, ihren Wagen auch in schwierigen Situationen im Griff zu haben, will Papa seinen nagelneuen Passat erst einmal so richtig kennenlernen. Bereits nach den ersten Slalomrunden um die orange-weißen Hütchen und der nachfolgenden Analyse des Trainers stellt Jörg Peters fest: „Obwohl ich schon seit 34 Jahren Auto fahre, kann ich hier viel dazulernen.“
Zum Beispiel, dass er die Rückenlehne zu weit nach hinten geneigt hat. Das ist übrigens bei fast allen Teilnehmern der Fall. „Ich weiß, ihr wollt nicht, dass ihr ausseht wie ‘ne Oma hinterm Steuer, wenn ihr so aufrecht sitzt“, sagt Hajo Goj. Doch erst wenn der sogenannte Pulstest bestanden ist, ist die Sitzposition korrekt: Liegt das linke Handgelenk in Höhe der Pulsadern oben auf dem Lenkrad, muss die linke Schulter noch Kontakt zur Lehne haben. Der Arm sollte dabei nicht komplett durchgestreckt sein. Auch die Beine nicht, wenn sie Bremse, Kupplung und Gas treten. „Nur bei der richtigen Sitzposition ist gewährleistet, dass unmittelbar und ohne zusätzlichen Kraftaufwand reagiert werden kann“, erklärt Fahrtrainer Goj. Außerdem könnten so auch bei Kurvenfahrten beide Hände am Steuer bleiben. Und zwar in der sogenannten „Viertel-vor-drei-Stellung“.
Für Malte, den „Bufdi“ aus Bargteheide, ist das die nahezu größte Herausforderung des Tages. „Ich fahre immer nur einhändig“, gibt er zu. „Die andere Hand ist auf dem Schaltknüppel.“ Sieht lässig aus, kann aber gefährlich werden. Hajo Goj: „Nur wer das Steuer fest im Griff hat, hat auch sein Fahrzeug im Griff.“ Er wisse, dass sich jahrelang eingefahrene Gewohnheiten nur mit konsequentem Andersmachen abgewöhnen lassen.
Statt wie ein Oberlehrer nur Anweisungen zu geben, lässt Goj die Teilnehmer in erster Linie selbst ausprobieren. Er motiviert sie lautstark und nimmt ihnen damit Ängste und Bedenken. Johanna, Lara, Patrick und die anderen sollen – im wahrsten Sinne des Wortes – erfahren, wie sich das eigene Auto unter bestimmten Bedingungen verhält. Zum Beispiel bei einem Ausweichmanöver auf glatter, nasser Straße. Dazu bewässert der Trainer die mit einer Kunstharzmischung beschichtete weiße Fahrbahn in der Mitte des Platzes. „Das kommt winterlichen Verhältnissen sehr nahe“, sagt er.
Autofahrer müssen Blick auf die Straße richten, nicht auf ein Hindernis
Wie bei jeder Übung fahren die Teilnehmer in der ersten Runde maximal Tempo 30. Danach wird auf bis zu 70 Kilometer pro Stunde beschleunigt. Sobald das Auto die weiße Bahn erreicht, sollen sie eine Vollbremsung („Schlagen, nicht drücken!“) machen und gleichzeitig den kleinen Hütchen ausweichen, die Hajo Goj aufgestellt hat. Mittlerweile hat auch Johanna ihre Zurückhaltung verloren. „Vor dem Training hatte ich Angst, dass was passieren kann. Vor allem die erste Vollbremsung hat mich Überwindung gekostet.“ Davon ist beim Ausweichmanöver nichts mehr zu merken. An den Gesichtern der Teilnehmer ist abzulesen, dass sie voller Konzentration, aber auch mit viel Spaß bei der Sache sind. Für die meisten gibt es ein Schlüsselerlebnis: Wer die Augen nach vorn richtet, sie also nicht stur auf beispielsweise die Enge der Fahrbahn oder ein Hindernis fokussiert, hat einen offenen Blick. „Wir Menschen sind so gemacht, dass wir dorthin fahren, wohin wir schauen“, erklärt Hajo Goj. „Wer also beim Ausweichen wieder in die richtige Spur kommen will, darf nicht aufs Hindernis, sondern muss auf die Fahrbahn schauen.“
„Eigentlich sollte solch ein Training jeder machen, der sich hinter ein Steuer setzt“, sagt Jörg Peters. Er wird künftig mit anderen Augen im Straßenverkehr unterwegs sein. Und mit einer Rückenlehne, die ein bisschen aufrechter eingestellt ist.
Pkw-Basis-Training, acht Stunden, 98 Euro, Termine nach Vereinbarung unter Tel. 04531/854 11