Bad Oldesloe/Elmenhorst. Polizei und ADAC warnen vor Wildwechsel in der Herbstzeit. Blaue Lichtschranken senken nach ersten Einschätzungen Zahl der Unfälle.

Alles geht ganz schnell: Von einer Sekunde auf die nächste springt ein Tier auf die Straße. Trotz Vollbremsung kann der Autofahrer einen Zusammenstoß nicht verhindern. Immer wieder sterben auf Stormarns Straßen Rehe, Damwild, Rothirsche oder Wildschweine. Auch die Autofahrer bringen sich beim Versuch auszuweichen in Gefahr. 2014 zählte die Polizei kreisweit 946 Wildunfälle. 2015 dürfte die Zahl vergleichbar hoch sein. Denn schon in den ersten neun Monaten registrierten die Beamten 723 Unfälle mit Wildtieren. Dabei gelten die letzten drei Monate eines Jahres als die mit den meisten Unfällen dieser Art.

In der Nähe des Jersbeker Forstes ist die Zahl der Wildunfälle deutlich gesunken

Herbstzeit ist Brunftzeit für viele Tiere. Liebestoll queren sie Straßen auf der Suche nach paarungsbereiten Artgenossen. Und das eben oft auch mit verheerenden Folgen für Mensch und Tier. Zwar gab es laut Polizei in Stormarn 2015 bisher keine ernsthaft verletzten Menschen bei Wildunfällen, die Tiere blieben aber oft auf der Strecke. Um die Zahl der Unfälle zu reduzieren, haben die Jäger zahlreiche sogenannte blaue Wildwarnreflektoren an Leitpfosten angebracht. „Die meisten Unfälle passieren in der Dämmerung“, sagt Uwe Danger, Geschäftsführer der Kreisjägerschaft. „Die Reflektoren sind gewölbt, strahlen das blaue Licht nach links und rechts ab“, erklärt der Jäger. So bilden sie quasi eine Lichtschranke, die die Wildtiere nicht passieren.

Auch wenn die Unfallstatistik der Polizei bislang noch keinen Rückgang der Wildunfälle verzeichnet, so zieht Danger für sein Revier bereits eine positive Bilanz. Der Oldesloer betreut mit Kollegen die Wälder zwischen der Kreisstadt und dem Travenbrücker Ortsteil Schlamersdorf. 2014 hatte er Reflektoren an der L 83 (Segeberger Straße/Altfresenburg) angebracht. „Im Jahr davor hatten wir 18 Wildunfälle. Die zwölf Monate danach nur vier“, so der Jäger. Auch Hendrik Löffler, dessen Revier in Elmenhorst liegt, zieht positive Schlüsse. „Vor drei Jahren hatten wir an der B 75 in der Nähe des Jersbeker Forstes die Wildwarnreflektoren an die Leitpfosten angeschraubt. Seitdem ist die Zahl der Wildunfälle dort um 70 Prozent gesunken“, sagt Löffler. „Auch andere Jäger erleben diesen Effekt.“

© HA | Dorothea Benedikt

5600 Euro hatte der Kreis 2014 in 1250 Reflektoren investiert. „Wir hoffen, dass im kommenden Jahr erneut investiert wird“, sagt Uwe Danger. Denn die Strecken von Trittau nach Hamfelde, Großensee und Lütjensee seien Unfallschwerpunkte. „Doch Reflektoren gibt es dort bisher noch nicht“, kritisiert Fachmann Danger. Wie wirksam die kleinen blauen Rückstrahler sind, darüber gibt es beim Automobilclub ADAC noch wenig Aufschluss. „Es gibt noch keine Untersuchungen, die Erfahrungen sind jedoch durchwachsen“, sagt Carsten Willms vom ADAC Hansa in Hamburg. „Welchen Effekt die blau-weißen Prismen haben, könne man erst nach etwa fünf Jahren messen“, sagt Willms auf Abendblatt-Anfrage. Denn Experten befürchten, die Tiere könnten sich an die Lichtschranken gewöhnen. „Deswegen sollten Autofahrer Warnschilder immer ernst nehmen und vom Gas gehen“, sagt der ADAC-Sprecher. Kay-Uwe Güsmer, Verkehrsexperte bei der für Stormarn zuständigen Polizeidirektion in Ratzeburg. Er fügt hinzu: „Überall dort, wo diese Verkehrsschilder stehen, sind Unfallschwerpunkte.“

ADAC-Sprecher Willms warnt Autofahrer eindringlich vor gewagten Fahrmanövern, sagt: „Auf keinen Fall ausweichen. Auch nicht, wenn ein Zusammenstoß mit dem Tier nicht mehr zu verhindern ist. Ein Baum ist im Zweifel der gefährlichere Gegner.“ Denn solche Unfälle enden für den Fahrer meist mit schweren Verletzungen oder tödlich. Willms: „Das Tier ist beweglich, Autofahrer bleiben bei Zusammenstößen meist unverletzt.“

Wenn es kracht, Unfallstelle absichern, Polizei rufen und das Tier nicht anfassen

Aber was tun, wenn es doch passiert? Nach einem Wildunfall zuerst die Unfallstelle absichern, sagt Polizist Kay-Uwe Güsmer. „Warnblinker einschalten, Warndreieck aufstellen, damit nachfolgende Fahrer gewarnt werden.“ Anschließend die Polizei verständigen, die den zuständigen Jäger informiert. Von der Polizei bekommt der Autofahrer eine Unfallbestätigung für die Versicherung. „Lebt das Tier noch, darf es auf keinen Fall angefasst werden“, sagt Uwe Danger: „Die Tiere haben Schmerzen und Angst, könnten ausschlagen.“

Info für Autofahrer

Mit dem Tempo des Autos wächst das Aufprallgewicht

Bei Tempo 80 lässt sich ein Zusammenstoß mit einem 60 Meter entfernten Tier vermeiden. Der Bremsweg wäre in diesem Fall laut ADAC rund 55 Meter lang.

Bei Tempo 100 ist der Bremsweg knapp 80 Meter lang, ein Unfall kaum zu vermeiden. Die Aufprallgeschwindigkeit betrüge hierbei 61,1 Kilometer pro Stunde.

Je nach Tempo des Autos vervielfacht sich bei einem Zusammenstoß das Gewicht des Wildtieres. Experten sprechen vom Aufprallgewicht.

Ein 100 Kilogramm schwerer Rothirsch zum Beispiel hat, fährt das Auto mit 60 km/h, ein Aufprallgewicht von fünf Tonnen, ist quasi so schwer wie ein Elefant.

Ein 20 Kilogramm schweres Reh kommt noch auf 0,8 Tonnen.