Reinbek. Hamburger Verein Wirtschaftssenioren hilft Stormarnern, ihr eigener Chef zu werden. Erstberatung im Reinbeker Rathaus kostenlos.

„Wir packen das!“, lautet der Slogan auf Martin Riepes Homepage. Er passt zum Unternehmer in zweierlei Hinsicht. Der 47-Jährige ist in der Verpackungsindustrie tätig und nach rund drei Monaten Selbstständigkeit gut am Markt positioniert. Er hat es also gepackt, sein eigener Chef zu sein. Auch dank Helmut Burmeier. Der 64-Jährige ist stellvertretender Vorsitzender des Hamburger Vereins „Wirtschaftssenioren beraten“. Der Reinbeker ist für den Kreis Stormarn zuständig und bringt Existenzgründer in die Spur. Für einen Bruchteil der Summe, die Unternehmensberatungen für einen solchen Service verlangen.

Rund 13000 Menschen nahmen die Hilfe in den letzten Jahrzehnten Anspruch

Helmut Burmeier ist seit 2011 im Verein, der die Metropolregion Hamburg von Lüneburg bis Norderstedt abdeckt. Die Ruheständler geben ihr Wissen, das sie im Berufsleben erworben haben, vor allem an die nächste Generation weiter. Sie beraten auch Betriebe mit bis zu 50 Beschäftigten. Rund 13.000 Personen nahmen die Hilfe seit 1984 in Anspruch. Vereinsboss ist der Reinbeker Dr. Friedrich-Karl Marcus.

Die wichtigsten Schritte

Was Existenzgründer unbedingt beachten müssen, fast Helmut Burmeier aus Reinbek zusammen:

Der Gründertest steht am Anfang. Ist die Selbstständigkeit der richtige Weg und wird der Schritt vom privaten Umfeld mitgetragen? Die ersten Jahre sind für die meisten Jungunternehmer geprägt von hoher Arbeitsbelastung, das Privatleben kommt dabei häufig zu kurz.

Die Geschäftsidee sollte ausgearbeitet werden. Sie gehört zum Businessplan, den junge Unternehmer schreiben müssen. Auch dabei sollten sie sich beraten lassen. Denn oft sind die Marktkenntnisse unzureichend, die Kunden- und Konkurrenz-Analyse werden häufig vernachlässigt.

Die Gesellschaftsform muss festgelegt werden. Dabei sind Zulassungsbedingungen abzuklären, dann muss die persönliche und betriebliche Absicherung erfolgen. Wichtig ist auch die Ermittlung des Finanzierungsbedarfs und die Auswahl eines Geldinstituts als Kreditgeber.

Ein gutes Controlling trägt dazu bei, Engpässe frühzeitig zu erkennen. Deshalb sollten sich Jungunternehmer fortlaufend beraten lassen. Schlechte Zahlungsmoral der Kunden oder der Stopp von Projekten können ein Unternehmen in finanzielle Engpässe bringen. Im Extremfall kann die fehlende Liquidität trotz guter Auftragssituation zur Insolvenz führen.suk

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Burmeier hatte zuletzt 25 Jahre als Vertriebs- und Marketingleiter bei Sharp gearbeitet, trat dann in den Vorruhestand ein. „Nur noch im Garten aktiv zu sein, ist nicht meine Sache“, sagt der Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik. Jetzt beschäftigt er sich mit Unternehmensnachfolgen. „Und ich kümmere mich um bis zu zwölf Existenzgründer pro Jahr.“ Martin Riepe hat er im Frühjahr 2014 kennengelernt. Der Diplom-Kaufmann aus Aumühle war lange Geschäftsführender Gesellschafter eines Handelsunternehmens für Verpackungen. Wegen fehlender Perspektive entschloss er sich zu einem Neuanfang. Riepe: „Plan war es, eine Firma zu übernehmen.“

Burmeier, der sich gern als „Sparringspartner“ und „eine Art Beirat“ seiner Kunden bezeichnet, weil er nicht im täglichen Geschäft agiere, ermittelte den Wert des Unternehmens. Er war unter dem Preis, den der Inhaber verlangte. Eine Einigung gab es nicht. Auch die Suche nach Alternativ-Kandidaten blieb erfolglos. „Dadurch haben wir ein halbes Jahr verloren“, sagt der Berater, der Riepe im Anschluss dabei half, eine eigene Firma zu gründen.

Sie entwickelten einen Businessplan, erstellten ein Vertriebs- und Marketingkonzept, suchten einen Standort. Auch bei Gesprächen mit Banken war Burmeier dabei. Zwar hat Riepe Eigenkapital miteingebracht, musste aber einen Kredit aufnehmen: „In unserer Branche gehe ich bei den Lieferanten bis zu sechs Wochen in Vorkasse, benötige 200.000 Euro an liquiden Mitteln.“ Am 4. August machte er sich selbstständig, bezog ein rund 100 Quadratmeter großes Büro an der Röntgenstraße im Reinbeker Gewerbegebiet. Zwei Vollzeit- sowie eine Teilzeitkraft arbeiten für die Firma. Riepe bietet Komplettlösungen an, liefert an seine Kunden zum Beispiel Plastikbehälter und passende Verschlüsse. Er lässt primär in Deutschland produzieren, aber auch in England, Österreich und der Schweiz. Das Liefervolumen variiert von einer Palette bis zu Stückzahlen im zweistelligen Millionenbereich. Zehn Kunden konnte er schon gewinnen, darunter namhafte Unternehmen wie Beiersdorf. „200 bis 300 sollen es werden“, so Riepe. Er peilt im ersten Jahr zwei Millionen Euro Umsatz an, will demnächst Lagerkapazitäten bei benachbarten Firmen anmieten.

Tipps gibt es jeden dritten Montag eines Monats im Reinbeker Rathaus

Die Zusammenarbeit mit Burmeier geht jedoch weiter. Der Wirtschaftsexperte fungiert als Controller, sagt: „Ich empfehle eine fortführende Beratung auch nach der Gründung. Es besteht immer die Gefahr, bei Erfolg betriebsblind zu werden.“ 20-mal haben sich die beiden Männer in den vergangenen eineinhalb Jahren getroffen, rund 1000 Euro hat der Unternehmer dafür gezahlt. Peanuts im Vergleich zu einer Unternehmensberatung. Riepe: „Dort beginnen die Tagessätze bei 800 Euro, 2000 Euro sind normal.“

Das erste Beratungsgespräch der Wirtschaftssenioren ist immer kostenlos. Burmeier und Vereinschef Marcus bieten es an jedem dritten Montag eines Monats im Rathaus an. Die Stadt stellt die Räumlichkeiten kostenlos zur Verfügung. Für jede weitere Stunde sind 20 Euro zu zahlen. Burmeier offeriert auch Job-Coaching. Nach zwei Stunden wisse man, ob eine Existenzgründung sinnvoll sei.

Sein eigener Chef zu sein und in der Hierarchie ganz oben zu stehen, klingt zwar verlockend. Die Arbeitszeit von Gründern sei jedoch nicht kalkulierbar, sagt Burmeier. „Mit acht Stunden am Tag kommt man nicht aus. Neben dem Geschäft müssen die Personen auch noch lernen, da kann es auf einen 14-Stunden-Tag hinauslaufen.“

Zwei Beispiele: Ihnen halfen Wirtschaftssenioren bei der Existenzgründung

Die Reinbekerin Dilek Ergün hat sich mit ihrer Passion selbstständig gemacht und führt eine orientalische Kochschule mit Catering.

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Kochen war schon seit langer Zeit ihre Passion. Doch erst vor fünf Jahren hat sich die Reinbekerin Dilek Ergün in diesem Bereich selbstständig gemacht und Kurse in Privatwohnungen angeboten. Im September 2011 holte sich die Mutter zweier Söhne Rat bei den Wirtschaftssenioren. Es ging darum, neue Kunden zu gewinnen. Heute hat die 48-Jährige eine eigene Kochschule in Wentorf, kredenzt dort orientalische Spezialitäten. Ein Mittagstisch gehört genauso zum Angebot wie Catering für bis zu 150 Personen.

„Herr Burmeier hat viele Ideen eingebracht“, sagt Ergün. Zum Beispiel, sich auf dem Bergedorfer und Reinbeker Wochenmarkt mit einem Stand zu präsentieren. Zudem ging sie mit ihren Kursen an mehrere Volkshochschulen. Das macht sie jetzt nicht mehr, sondern konzentriert sich voll auf das Geschäft. Zwei Mitarbeiter hat Ergün eingestellt, rund 150.000 Euro investiert. Im Catering-Bereich zählt die Wirtschaftswissenschaftlerin mittlerweile 120 Stammkunden. Und die Kochkurse sind gut gebucht.

„Ich habe mir einen Traum erfüllt“, sagt Ergün, die in der Türkei geboren wurde. Dort war sie viele Jahre als Geschäftsführerin des familieneigenen Schiffbauunternehmens aktiv. 2002 kam Ergün mit ihrem Mann nach Deutschland, der sich hier bessere berufliche Perspektiven versprach. Er ist Inhaber einer Marketingfirma, entwickelte auch den Businessplan für die Kochschule. Ergün: „Die Hilfe der Wirtschaftssenioren war aber sehr wertvoll.“ Viermal wurde sie von Burmeier beraten, jetzt haben sie noch telefonischen Kontakt.

Hans-Udo Dunker, 71 Existenzgründer
Hans-Udo Dunker, 71 Existenzgründer © HA | René Soukup

Ex-Banker Hans Udo-Dunker macht sich als Rentner selbstständig: Nach Ausbildung hilft er als Senioren-Assistent älteren Menschen.

Früher ging es bei ihm vornehmlich ums Geld, jetzt steht der Mensch im

Dunkers Angebotspalette ist vielfältig: Er fungiert als Gesprächspartner, Privatsekretär, der den Schriftverkehr mit Ämtern und Behörden übernimmt, berät Angehörige und schult seine Kunden im Umgang mit moderner Technik. Hinter dem Schritt in die Selbstständigkeit steht ein persönliches Schicksal. Dunkers Frau erkrankte schwer und bekam eine Magensonde, um zu überleben. Der Ammersbeker pflegte sie mehr als 20 Jahre, wurde so ehrenamtlicher Betreuer.

Bis zu elf Senioren half er in der Vergangenheit unentgeltlich. „Die Betreuungsvereine haben ihr Angebot eingeschränkt. Und dort, wo ich ein bisschen hätte verdienen können, wollten sie mich aufgrund des Alters nicht“, sagt Dunker. Deshalb kontaktierte er die Wirtschaftssenioren. Zusammen mit Burmeier erstellte er ein Konzept samt Finanz- und Marketingplan. Dunker: „Jetzt geht es speziell in die Kundengewinnung.“

Beim Ammersbeker hat sich bereits ein Interessant als Mitarbeiter beworben, auf Angestellte verzichtet er aber. Sein Stundensatz beträgt 50 Euro. Kunden, die mehrere Termine vereinbaren, bekommen jedoch 20 Prozent Rabatt.