Ahrensburg. Im Ahrensburger Stadtteil Wulfsdorf lernen Jung und Alt, Behinderte und Nicht-Behinderte im Projekt des Inklusions-Cafés Radfahren.
Sie haben drei Räder, zwei Sättel oder einen Rollstuhl vorn dran. Manche sind mit einem Elektromotor ausgestattet. Andere lassen sich nur durch reine Muskelkraft bewegen. Eines aber haben sie alle gemeinsam: Sie sind bunt und laden – passend dazu – zu ausgiebigen Touren durch bunt gefärbte Wälder ein. Neun Spezialfahrräder, vier Lauflernräder und zwei Roller sind Teil des aktuellen Projektes des Robbencafés am Bornkampsweg im Ahrensburger Stadtteil Wulfsdorf. Das erste Inklusions-Café Stormarns bietet mit seiner neu gegründeten Fahrradschule Menschen jeden Alters, ob mit Handicap oder ohne, die Möglichkeit, mit einem guten Gefühl sicher im Sattel zu sitzen.
Schon nach den ersten Metern wächst das Vertrauen der Radler in sich selbst
„Wer beispielsweise nach einem Schlaganfall das Fahrradfahren wieder neu erlernen will, ist bei uns gut aufgehoben“, sagt Ander Salaverria. Der Ahrensburger ist neben Paul Krielen und Gerold Heller einer der Fahrradtrainer. Auch Monika Dwamena, die seit Anfang des Jahres im Robbencafé arbeitet, gibt gern Zweirad-Nachhilfe. Die vier Angestellten der Hermann-Jülich-Werkgemeinschaft, die neben dem Standort in Ahrensburg in Köthel und Hamfelde Wohn- und Arbeitsstätten für schwerst mehrfachbehinderte Menschen anbietet, wissen genau, worauf es ankommt. „Am Anfang muss der Fahrschüler lernen, uns zu vertrauen. Wenn das geklappt hat, und er die ersten Runden gemeistert hat, wächst sehr schnell das Vertrauen in sich selbst“, so Salaverria. Das Resultat seien strahlende Gesichter – bei Schüler und Trainer.
Anke Brammen, Leiterin der Hermann-Jülich-Werkgemeinschaft, setzt sich in ihrer Freizeit selbst gern so oft wie möglich auf ihr Rennrad. Auch deshalb kam die Trittauerin auf die Idee, das Fahrrad zum Mittelpunkt eines neues Projektes zu machen. Wie gut das Radfahren bei den Bewohnern und Mitarbeitern der Wohn- und Werkstätten ankommt, beweise die Veranstaltung ,Rund um Hamfelde’, bei der mittlerweile knapp 200 Menschen an den Start gehen – in diesem Frühjahr schon zum vierten Mal. „Trotz körperlicher Einschränkungen mobil zu sein und sich den Fahrtwind um die Nase wehen zu lassen ist ein wunderbares Erlebnis“, so Brammen. Dabei gehe es nicht um Geschwindigkeit oder um das Zurücklegen besonders großer Strecken, sondern darum, „die Welt radelnd und rollernd zu genießen“.
Dass sie genau das am Radfahren schön findet, kann Edda Vehoff zwar nicht genau so ausdrücken. Aber dass sie so empfindet, sieht man der 19-Jährigen an, sobald sie im Sattel sitzt. Edda lebt in Bargfeld-Stegen in einer Einrichtung der Evangelischen Stiftung Alsterdorf und arbeitet seit vergangenem Mai in der Textilwerkstatt in Ahrensburg. Gemeinsam mit ihrer Mutter Annika hat sie in der Fahrradschule am Robbencafé ein weißes Paralleltandem getestet.
ADFC ist Kooperationspartner der Fahrradschule
„Es ist toll, mit ihr zusammen auf einem Rad zu sitzen und Schulter an Schulter gemeinsam zu strampeln“, sagt Annika Vehoff. Zu Hause habe Edda ein Dreirad, mit dem sie oft ihren Vater beim Joggen begleite. „Das ist auch schon eine gute Sache. Aber das hier ist noch mal ein ganz anderes Gefühl. Wir sind uns näher, und jeder muss seinen Teil dazu beitragen, damit wir gut vorankommen.“ Mutter und Tochter sind sich einig: Sie wollen das weiße Tandem künftig regelmäßig ausleihen. „Zum Beispiel, um nach Ahrensburg zum Shoppen zu fahren. Oder um das letzte Eis des Jahres zu genießen“, sagt Annika Vehoff. Und Edda lacht.
Als Kooperationspartner der Fahrradschule will sich der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) dafür einsetzen, dass die Ahrensburger Radwege auch für Spezialräder nutzbar gemacht, also verbreitert werden. ADFC-Sprecher Jürgen Hentschke: „Das würde dann auch Eltern zugute kommen, die mit ihren Kinder in Fahrradanhängern unterwegs sind. „Die Stadt Ahrensburg wird dann für alle Radler noch attraktiver.“ Hentschke findet die Idee der Fahrradschule nicht nur als Mitglied des Fahrradclubs unterstützenswert, sondern auch auf persönlicher Ebene. Er sagt: „Je mehr wir behinderte Menschen in den sogenannten normalen Alltag integrieren und daran teilhaben lassen, desto selbstverständlicher wird auch endlich der Umgang untereinander.“
Dienstagnachmittags sind im Bornkampsweg 31 künftig die Lehrstunden, freitags sind Ausfahrten rund um das Robbencafé geplant. Die Spezialräder und -roller können während der Öffnungszeiten des Cafés auch ausgeliehen werden: montags bis sonnabends von 12 bis 18 Uhr und sonntags von 14 bis 18 Uhr. Die Preise für die einzelnen Fahrzeuge variieren erheblich, die mit Elektromotor sind am teuersten. Leihgebühren und Anmeldungen unter Telefon 04102/607 69 55. Unter der Nummer können sich auch Menschen melden, die sich als Radpiloten gemeinsam mit Betreuten auf Tour machen möchten.