Bad Oldesloe. Nur wenige Menschen wissen wie lebensrettende Sofortmaßnahmen anzuwenden sind. Dabei entscheiden diese oftmals über Leben und Tod.

Auf einer Landstraße kommt ein Auto von der Fahrbahn ab, kracht frontal gegen einen Baum. Der Fahrer des Fahrzeuges überlebt den Unfall zwar, ist jedoch nicht mehr bei Bewusstsein, weist außerdem Atemstörungen auf. Um sicher zu stellen, dass er die nächsten Minuten überlebt, müssen noch bevor der Rettungsdienst eintrifft lebensrettende Sofortmaßnahmen eingeleitet werden. Wüssten Sie was zu tun ist?

Laut Statistik würden viele Menschen diese Frage verneinen. 2013 ergab eine Umfrage des ADAC und des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), dass nur 68 Prozent derjenigen, die als erste an einem Unfallort eintreffen, wissen, was sie tun müssen. Ähnlich alarmierende Zahlen veröffentlichte die Deutsche Herzstiftung zum Tag der Ersten Hilfe am Anfang dieses Monats: Demnach führen nur etwa 35 Prozent eine Herzdruckmassage durch, nachdem sie Zeuge eines Herzkreislaufstillstands geworden sind.

Dabei entscheiden, so drastisch es auch klingen mag, genau solche Hilfsmaßnahmen über Leben und Tod. „Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der einen Kreislaufstillstand hat oder dessen Atmung nach einem schweren Unfall versagt, ohne Erste-Hilfe-Leistung überlebt, sinkt pro Minute um zehn Prozent“, sagt Jens Bomblat, der seit 20 Jahren als Rettungsassistent im Kreis Stormarn arbeitet. „Schon nach drei bis fünf Minuten ohne Sauerstoff kann das Gehirn irreparable Schäden erleiden.“ Nach 15 Minuten ohne irgendeine Art von Hilfestellung könne laut Blombat dann auch der Rettungsdienst nicht mehr viel machen. Der 49-jährige Feldhorster, der für das DRK ehrenamtlich Kurse in Erster Hilfe veranstaltet, wünscht sich daher, dass die Öffentlichkeit weitaus besser über Sofortmaßnahmen aufgeklärt wird. „Dadurch könnten viele Menschenleben gerettet werden.“

Auch Dr. Susanne Becker, die Oberärztin der Intensivstation an der Oldesloer Asklepios Klinik ist, weiß, wie bedeutsam die Soforthilfe durch Laien sein kann. „Die Laienreanimation ist wahnsinnig wichtig“, sagt sie. Ihrem Gefühl nach werde bei Notfällen viel zu selten von Ersthelfern eingegriffen. „Die meisten Menschen haben einfach zu große Angst davor, etwas falsch zu machen und handeln deswegen lieber gar nicht.“ Genau da liege laut der Ärztin aber der Fehler. Becker: „Rippen, die bei einer unprofessionellen Druckmassage brechen, verheilen wieder. Ein Gehirn, das minutenlang nicht mit Sauerstoff versorgt wird, bekommt aber keiner so einfach wieder hin.“

Der Bevölkerung einen Vorwurf machen – das möchte Susanne Becker allerdings nicht. „Ganz alleine eine Reanimation durchzuführen, ist unglaublich schwierig“, sagt sie. So schnell wie möglich müsse der Notarzt gerufen, die betroffene Person versorgt werden. Das alles, während man noch unter Schock steht. „Für Laien ist das sehr belastend.“ Eines jedoch könne jeder machen: „Zumindest den Versuch unternehmen, zu helfen“, sagt Becker.

Etwas falsch machen können Ersthelfer laut der Ärztin dabei eigentlich nicht. „Ohne Hilfe bleibt die Lebensgefahr für das Opfer immer am größten“, sagt sie. Trotzdem solle jeder über das nötige Know-how verfügen, damit man zumindest weiß, was wann angewendet werden muss.

Denn für einen Ersthelfer ist der Ablauf fast immer derselbe. Grundsätzlich gilt: Ist die betroffene Person ansprechbar, sollte man auf das Eintreffen des Notdienstes warten. Wenn die betroffene Person nicht bei Bewusstsein ist, aber selbstständig und gleichmäßig atmet, sollte sie in die stabile Seitenlage versetzt werden. Dadurch bleiben die Atemwege auch weiterhin frei. Atmet das Opfer allerdings nicht oder nur unregelmäßig, ist außerdem bewusstlos, besteht die Gefahr eines Kreislaufstillstandes. Dann muss sofort die Herz-Lungen-Wiederbelebung eingeleitet werden.

Wie diese und die anderen lebensrettende Sofortmaßnahmen eingesetzt werden, hat jeder gelernt, der einen Führerschein besitzt. Denn allen Fahranfängern wird die Anwendung der stabilen Seitenlage, der Herzdruckmassage und der Beatmung beigebracht. Das Problem: Nur die wenigsten halten diese Kenntnisse auf dem Laufenden, vergessen sie dadurch irgendwann ganz. „Nach dem Führerschein belegen die meisten Menschen nie wieder einen Erste-Hilfe-Kursus“, sagt Andrea Plambeck vom Stormarner Kreisverband des DRK. 600 Erste-Hilfe-Kurse hat dieser im vergangenen Jahr veranstaltet. „An einem Kursus nahmen im Durchschnitt zehn Personen teil“, sagt Plambeck. „Bei uns haben im Jahr 2014 also schätzungsweise 6000 Stormarner ihre Kenntnisse in erster Hilfe geschult.“ Viel zu wenig, findet Plambeck. „Es ist halt kaum jemand bereit, seine Freizeit dafür zu opfern.“ Würden die Menschen alle zwei Jahre ihr Wissen auffrischen, sagt Plambeck, könnten viele Leben gerettet werden.