Ahrensburg. Neurowissenschaftler Eric Kandel besucht die nach ihm benannte Ahrensburger Schule und beantwortet Fragen der Schüler.

Swing-Musik erklingt, als Eric Kandel am Freitagmorgen das Forum des nach ihm benannten Gymnasiums am Reesenbüttler Redder in Ahrensburg betritt. Im Jahr 2000 hat er den Nobelpreis für Medizin bekommen. Schüler der Big Band haben auf ihren Saxofonen „Chattanooga Choo-Choo“ angestimmt. Ein Hit des US-amerikanischen Glenn Miller Orchesters aus dem Jahr 1941, den auch der 85-Jährige zu kennen scheint: Auf dem Weg zur Bühne schwingt Kandel seine Arme rhythmisch zum Takt. Vor der Big Band bleibt er stehen. Kandel fasst die Hand seiner Ehefrau, der Französin Denise Kandel, hebt ihren Arm in die Höhe und dreht sie gekonnt um die eigene Achse. Die Schüler der fünften bis achten Klassen des Eric-Kandel-Gymnasiums klatschen begeistert in die Hände.

Schüler der fünften bis achten Klassen schütteln begeistert Kandels Hand
Schüler der fünften bis achten Klassen schütteln begeistert Kandels Hand © HA | HBlombac@wmg.loc

Jetzt geht es darum, Fragen zu stellen: „Wie fühlt es sich an, Nobelpreisträger zu sein“, fragt ein blondes Mädchen zaghaft. „Das ist nicht schlimm“, sagt der Neurowissenschaftler und lacht. „Es ist eine wunderbare Sache, die man nicht absagen sollte.“ Auch, dass er unter rund 80 Vorschlägen als Namenspate für das Ahrensburger Gymnasium ausgesucht wurde, freut den Neurowissenschaftler sichtlich. „Es ist eine Ehre für mich, dass dieses Gymnasium nach mir benannt wurde“, sagt Kandel. „Ich finde es fantastisch, in einer so wichtigen Phase von jungen Menschen einen Einfluss zu haben.“

„Wenn du etwas über die Verhaltensweisen der Menschen wissen willst, dann musst du Psychoanalytiker werden“

Während Kandel spricht, mischt sich sein Wiener Dialekt mit englischem Vokabular. Zu Zeiten von „Chattanooga Choo-Choo“ lebte Kandel bereits seit zwei Jahren mit seiner jüdischen Familie in den USA. Im Alter von zehn Jahren verließ er seine Geburtsstadt Wien. 1956 heiratete er Denise, die ebenfalls vor dem Holocaust geflüchtet war. Noch heute leben die Kandels in New York.

Wie Kandel zur Neurobiologie gekommen sei, lautet die Frage eines anderen Schülers. „Das ist eine lange Geschichte“, sagt Kandel. Denn zunächst studierte der 85-Jährige Literatur und Geschichte in Harvard. Aber: „Ich habe mich gefragt, wie die Wiener an dem einen Tag Mozart oder Beethoven genießen und an einem anderen Tag Juden so behandeln konnten“, sagt Kandel. „Nach meinem Abschluss sagte mein Freund Ernst Kris zu mir: Wenn du etwas über die Verhaltensweisen der Menschen wissen willst, dann musst du Psychoanalytiker werden.“ Also studierte Kandel Medizin, bevor er kurz vor seinem Abschluss zur Neurobiologie wechselte.

An der Meeresschnecke Aplysia untersuchte er, wie sich Nervenzellen und deren Verbindungen, die Synapsen, durch Lernprozesse verändern.

Die Schüler des Eric-Kandel-Gymnasiums erhalten an diesem Morgen auch Einblicke in das Privatleben des Nobelpreisträgers. So erzählt Kandel von einem Abendessen, bei dem er und seine Frau beschlossen, dass er trotz geringen Einkommens in der Forschung arbeiten solle. „Denise sagte zu mir, dass ihr Geld nicht wichtig sei. Sie hat mich immer gepusht, Wissenschaftler zu werden“, sagt Kandel und blickt dabei zu seiner Frau. „Es ist wichtig, einen guten Partner zu haben.“

Kandel zeichnet an die Tafel, wie die Synapsen-Übertragung funktioniert

Noch immer recken zahlreiche Schüler ihre Zeigefinger in die Höhe. Sie alle wollen mehr über den Mann erfahren, nach dem ihre Schule seit dem 1. März dieses Jahres benannt ist. Doch der Zeitplan des Nobelpreisträgers ist eng. Gleich werden die Kandels im Ahrensburger Rathaus erwartet. Am Nachmittag feiern sie bei einem Festakt die Umbenennung des ehemaligen Gymnasiums am Heimgarten.

Doch vorher will Eric Kandel einen Blick in die Klassenräume werfen. Mit gelber Kreide zeichnet er in ein Tafelbild ein, wie die Synapsen-Übertragung funktioniert. Anschließend stellt der Nobelpreisträger den Oberstufenschülern des naturwissenschaftlichen Profils Fragen. Bei denen kommt der Besuch gut an. „Man merkt, dass er selbst Spaß daran hat, hierher gekommen zu sein“, meint Tristan Schröder, 18.

Bis Sonntag bleiben die Kandels in der Schlossstadt. Die Kosten für die Unterbringung hat die Stadt Ahrensburg übernommen. Die Flugkosten teilen sich das Eric-Kandel-Gymnasium mit der American Academy in Berlin, die Kandel am Donnerstag besucht hat.