Glinde. Bernd Wersel hatte bei der Abstimmung über Jugendzentrum den Fraktionsbeschluss ignoriert. Der Glinder SPD bleibt er aber erhalten.
Bernd Wersel ist nicht mehr Fraktionsvorsitzender der Glinder SPD. Das ist das Ergebnis einer internen Sitzung der Partei. Schon in der Vergangenheit hatte es Meinungsverschiedenheiten gegeben. Das Fass zum Überlaufen brachte der Auftritt des 53-Jährigen bei der jüngsten Sitzung des Finanzausschusses, als er sich bei der Abstimmung über den 1,2 Millionen Euro teuren Umbau der ehemaligen Kneipe Jever Deel am Schulzentrum zu einem Jugendzentrum enthielt, damit den Fraktionsbeschluss ignorierte und das Projekt stoppte. Denn die Verwaltung darf vorerst keine Aufträge vergeben. Für die SPD ist der zeitnahe Umbau jedoch ein Muss. Deswegen wurde Wersel nach Abendblatt-Informationen der Rücktritt nahegelegt.
Entscheidung nach einstündigem Gespräch der Fraktionsbosse
„Wir haben das gemeinsam entschieden“, sagt Marlies Kröpke aus dem Fraktionsvorstand. Dieser Schritt erfolge aus beruflichen und privaten Gründen. So zumindest die offizielle Sprachregelung. Beim einstündigen Gespräch der drei Fraktionsvorstandsmitglieder am Donnerstagabend dürften Kröpke und Okke Wismann ihrem Kollegen aber verdeutlicht haben, was er mit seinem Verhalten angerichtet hat. Nach Abendblatt-Informationen war für die Hälfte der Fraktionsmitglieder eine Zusammenarbeit mit Wersel nicht mehr möglich.
Die Atmosphäre während der Unterhaltung sei manchmal angespannt gewesen, sagt Kröpke. „Aber wir haben es friedlich beendet.“ Auf der anschließenden Fraktionssitzung mit 14 Teilnehmern ergriff Wersel sofort das Wort und verkündete seinen Rücktritt. So umging er unangenehmen Fragen und womöglich auch einer Abwahl, wahrte das Gesicht. Denn viele Genossen sind mächtig sauer auf Wersel, der sich bei ihnen entschuldigte und nach zehn Minuten den Raum im Marcellin-Verbe-Haus verließ.
„Mein Gefühl hat mir gesagt, dass es mit dem Fraktionsvorsitz jetzt reicht“, sagt Wersel. Er hatte dieses Amt seit Oktober 2012 inne. Seinen Sinneswandel beim Jugendzentrum begründet er mit der Sorge um die finanzielle Zukunft der Stadt. „Das Defizit wird immer größer. Als Politiker habe ich Verantwortung gegenüber der Bevölkerung, mit den Steuermitteln gut umzugehen.“ Deshalb hat das Projekt für ihn keine Dringlichkeit. Genauso sieht es auch die CDU. Sie will den Umbau am Oher Weg der Sanierung der beiden Sporthallen nicht vorziehen, sondern alles am Stück erledigen. Die Ex-Kneipe verbindet die beiden Hallen miteinander.
Für Jan Schwartz, den Ortsvorsitzenden der Grünen, kommt Wersels Abgang nicht überraschend: „Das war absehbar. Er hat das Jugendzentrum von Beginn an nicht vollen Herzens unterstützt, musste von der Fraktion immer wieder eingefangen werden.“ Die Stimmung sei nach dem vergangenen Montag extrem gereizt gewesen. „Ich vermute, er wurde aus dem Amt gedrängt.“ Genauso wie die SPD hofft auch Schwartz, dass die Stadtvertretung die Sache wieder glatt bügelt und das Projekt Jugendzentrum wie ursprünglich angedacht umgesetzt werden kann.
Glindes Bürgermeister Rainhard Zug erklärte, er bedaure den Rücktritt Wersels als Fraktionsvorsitzender: „Wir haben gut zusammengearbeitet.“ Ähnlich sieht es der CDU-Vorsitzende Rainer Neumann: „Ich finde es schade. Er war immer kooperativ. Wenn man aber nicht die Meinung der Fraktion teilt, wird es natürlich schwierig für einen Vorsitzenden.“
Bisherige Stellvertreterin Marlies Kröpke übernimmt kommissarisch
Der Partei wird Wersel trotz der jüngsten Entwicklung die Treue halten. Auch ist der Informatiker bei einer Privatbank weiterhin Vorsitzender des Finanzausschusses. „Die Mannschaft hat den Kapitän gewechselt, aber Bernd Wersel bleibt uns als Führungsspieler erhalten“, sagt der SPD-Vorsitzende Frank Lauterbach.
Den kommissarischen Vorsitz der Fraktion hat nun Kröpke übernommen. Die 64-Jährige war bisher erste Stellvertreterin. In der kommenden Woche wollen sich die Genossen beraten, wie es weitergeht. Normalerweise stehen bei den Glinder Sozialdemokraten immer zur Halbzeit einer Legislaturperiode die Wahlen für den Fraktionsvorstand an. Das ist im November der Fall. Nun könnten sie vorgezogen werden. Lauterbach: „Noch hat keiner meiner Parteikollegen seinen Hut in den Ring geworfen.“