Bernd Wersel muss sich heute auf einer Sitzung erklären. Er hatte ein Projekt seiner Partei gestoppt. Ein Kommentar.
Politiker sind nur ihrem Gewissen unterworfen und nicht an Weisungen gebunden. Das steht auch in Artikel 38 des Grundgesetzes. Darauf beruft sich Glindes SPD-Fraktionsvorsitzender Bernd Wersel. Er hat durch seine Enthaltung bei der Abstimmung im Finanzausschuss den Umbau einer Ex-Kneipe zu einem Jugendzentrum vorerst gestoppt und damit den Zorn der Genossen auf sich gezogen. Denen ist die schnelle Realisierung des Projekts ein großes Anliegen.
Dass vom ehrenamtlichen Kommunalpolitiker bis zum Bundestagsabgeordneten nicht alle Entscheidungsträger immer im Sinne der Partei votieren, ist bekannt. Diese Erfahrung machte jüngst auch Kanzlerin Angela Merkel. 63 Unions-Abgeordnete stimmten im Bundestag gegen das dritte Griechenland-Hilfsprogramm, drei enthielten sich. Allerdings hatten viele im Vorfeld ihr Votum kundgetan.
In Glinde überraschte Wersel die Genossen mit seinem Sinneswandel. Sie waren fest davon ausgegangen, dass er sich an den einstimmigen Fraktionsbeschluss, den der 53-Jährige selbst herbeigeführt hatte, hält.
Wersel hat mehr als nur eine Porzellantasse zerschlagen und Vertrauen verloren. Er hat ein Eigentor geschossen. Nun braucht der Mann auf der Sitzung am heutigen Abend gute Argumente, um seine wütenden Mitstreiter milde zu stimmen. Meinungsverschiedenheiten gibt es in allen Parteien. Problematisch wird es, wenn diese unüberbrückbar sind. Diese Gefahr besteht in Glinde. Ein Rücktritt scheint nicht ausgeschlossen.