Ammersbek. Das Landeskriminalamt warnt in ganz Schleswig-Holstein vor Cyberkriminellen. Eines ihrer Opfer ist Jürgen Eichner aus Ammersbek.

Als der Anruf kam, staunte der Ammersbeker Jürgen Eichner, 62, nicht schlecht: „Microsoft Corperation USA“ sagte der Anrufer. Er sprach Englisch und gab sich als Mitarbeiter des weltgrößten Softwareherstellers aus. „Der Anrufer sagte zu mir, mein Notebook sende Störsignale an Microsoft“, sagt Eichner. Und tatsächlich, irgendwo im Hinterkopf dämmerte es ihm: Einige Wochen zuvor hatte sein Computer Probleme gemacht. Damals war ein Fenster mit der Frage „Bericht an Microsoft senden oder nicht senden“ aufgetaucht.

Und so erschien Jürgen Eichner dieser Anruf gar nicht so abwegig. Etwas merkwürdig, das schon. „Aber ich habe dann nur noch gegrübelt, ob ich damals auf ,senden’ oder ,nicht senden’ geklickt habe. Ich wusste es nicht mehr“, sagt Eichner. Dass er nur Minuten später einem manipulativen Trickbetrüger aufsitzen würde und Dinge zulassen, an die er sonst im Traum nicht denken würde, damit hätte er beim besten Willen nicht gerechnet.

Der Zugriff auf den Computer kann mit einem Mausklick gewährt werden

Der Anrufer brachte Eichner dazu, ihn über eine Fernwartungssoftware, ähnlich wie das bekannte Programm Team-Viewer, auf seinen Computer zu lassen. Solche Programme werden oft auch von seriösen PC-Supportern genutzt: Es ermöglicht Diagnosen und Fehlerbehebungen aus der Ferne. Vorausgesetzt, der PC-Besitzer gestattet demjenigen am anderen Ende der Internetleitung den Zugriff auf seinen Computer – dafür genügt ein Mausklick zur Bestätigung. Möglich ist der Zugriff von fast jedem Platz der Welt aus, so, als säße der andere direkt davor.

„Die Täter gehen mit ihrer Masche sehr geschickt vor. Das kann im Prinzip jeden von uns treffen“, sagt der Kieler Psychologe Günter Köhnken. Auch er habe bereits einen Anruf dieses angeblichen Mitarbeiters von Microsoft bekommen. Köhnken, ehemals Abteilungsleiter am Institut für Psychologie der Universität Kiel, kann daher gut nachvollziehen, dass die Opfer den Trickbetrügern ihr Vertrauen schenkten: „Es ist wohl diese Kombination aus Überraschungseffekt und geringen Computerkenntnissen.“

Der Anrufer verlangte 49 Euro für ein Software-Update

Der Anrufer habe ihm eine Tastenkombination genannt, die er in den Computer eingeben sollte. „Und dann hat er mir tatsächlich genau das vorgelesen, was auf meinem Bildschirm erschienen war.“ Wahrscheinlich sei das auf jedem PC gleich, meint Köhnken. Aber wenn sich jemand nicht mit Computern auskenne, könnten Betrüger in diesem Moment möglicherweise Vertrauen wecken. Köhnken ging dem Betrüger nicht auf den Leim – er spielte das Spiel aus reiner Neugierde eine Zeit lang mit.

Für Jürgen Eichner hatte der Anruf weit unangenehmere Folgen: Kaum hatte sich der Betrüger per Fernwartungssoftware Zugang zu seinem Computer verschafft, zeigte dieser ihm die angeblichem Probleme. Anschließend verlangte der Anrufer die Zahlung von 49 Euro für ein angebliches Software-Update. Als Eichner auf einen deutsch sprechenden Mitarbeiter bestand, drohte der Betrüger mit Konsequenzen, falls er nicht bezahlen wolle. „Der war extrem hartnäckig und sagte, er kenne meine Adresse und würde mich wegen Cyberkriminalität anzeigen, wenn ich diesen angeblichen Fehler nicht sofort behebe“, so Eichner.

Er machte die Drohung war: Alle Daten wurden gelöscht

Als der Anrufer dann auch noch die Zugangsdaten zum Online-Banking verlangte, legte Eichner einfach den Telefonhörer auf. „Keine drei Minuten später war er wieder dran“, sagt der 62-Jährige. Es folgten Diskussionen, Drohungen – am Ende waren sämtliche Daten von Eichners PC verschwunden. Der Anrufer hatte seine Drohung wahr gemacht und alle Dokumente gelöscht. „Ich musste meinen Computer platt machen und von einem Fachmann komplett neu aufsetzen lassen“, sagt Eichner. Immerhin habe er ansonsten kein Geld verloren.

Im Nachhinein kann sich der 62-Jährige nicht erklären, wie ihm das passieren konnte. Auch seine Frau reagierte verwundert. „Sie kennt mich und weiß, dass ich mich eigentlich nicht so schnell manipulieren lasse. Ich bin eher ein sehr vorsichtiger Mensch“, sagt er. Lange habe er noch über das Telefonat nachgedacht. „Das ist wirklich erschreckend. Das kann jedem passieren.“

Das bestätigt auch Stefan Jung, Sprecher des Landeskriminalamtes Schleswig-Holstein: „Uns sind innerhalb Schleswig-Holsteins mehr als 100 Fälle seit Jahresbeginn bekannt. Wir gehen aber davon aus, dass die Dunkelziffer weitaus höher ist.“ Den Trick gebe es schon sehr lange. Die Anrufer behaupteten dabei jeweils, auf dem PC des Angerufenen befinde sich Schadsoftware oder Windows-Lizenzen seien abgelaufen, man sei aber gerne bei den Wartungsmaßnahmen behilflich.

Die Täter rufen aus dem Ausland an, mit manipulierten Nummern

So erging es auch einem weiteren Opfer aus Stormarn. Weil der Unternehmer Sorge hat, seine Kunden würden ihn möglicherweise nicht mehr ernst nehmen, möchte er lieber anonym bleiben. Er war gerade am Arbeiten, als der Anruf kam. „Ich hörte Klackergeräusche und Stimmen, wie in einem Großraumbüro. Dann sagte ein Mann auf Englisch, er bekäme von meinem Computer ständig SPAM-Mails geschickt.“

Was folgte, ist bekannt: Auch er gab auf Anweisung des Anrufers eine Tastenkombination in eine Suchmaske auf dem Computer ein. „Mein Rechner zeigte daraufhin 58.000 Fehlermeldungen an“, sagt der Unternehmer. Ein Schock. „Und dann habe ich ihn auf meinen PC gelassen. Er wollte herausfinden, woran das liegt.“ Nach eineinhalb Stunden am Telefon war der Mann um knapp 1000 Euro ärmer.

Die Täter hingegen sind kaum zu fassen. Polizeisprecher Jung: „Sie sitzen meist im Ausland, und ihre Telefonnummern werden entweder gar nicht angezeigt oder sind oftmals manipuliert.“

Wo bekomme ich Hilfe?

Damit die Ermittler dennoch wichtige Daten und Fakten sammeln könnten, sei es wichtig, dass Opfer sich bei der Polizei meldeten – auch, wenn sie nicht geschädigt wurden. Das Landeskriminalamt betreibt eine Hotline für Cyberkriminalität, bei der Interessierte auch genauere Informationen zum Thema erhalten können. Sie ist montags bis freitags zwischen 9 und 15 Uhr unter Telefon 0431/160 45 45 erreichbar.