Trittau. Die 84-jährige Anna Redemund führt in Trittau eine der letzten Drogerien Deutschlands. Von drei Drogerien blieb nur ihre übrig.

Auf der anderen Seite der Ladentür riecht es nach Gallseife. Und da sitzt sie, die kleine, weißhaarige Frau, sitzt hinter dem hölzernen Verkaufstresen in einem Sessel. Anna Redemund ist 84 Jahre alt. Seit fast 50 Jahren ist sie die Chefin in der Adler-Drogerie in der Poststraße 37 in Trittau. Einrichtung und Angebot sind seitdem nahezu unverändert. Heute zählt das 1907 gegründete Geschäft zu den Letzten seiner Art. Nicht nur im Kreis Stormarn, sondern bundesweit.

Schon Redemunds Eltern führten eine Drogerie

Fotografiert werden will Anna Redemund in ihrem Sessel auf keinen Fall. „Das sieht ja aus, als würde ich mich ausruhen“, sagt sie so vehement, dass ihr niemand widersprechen mag. In ihrem Leben hat sie immer gearbeitet und mit Ehemann Walter noch drei Kinder großgezogen.

Schon Redemunds Eltern führten eine Drogerie, und für die junge Anna stand früh fest, dass auch sie diesen Beruf ausüben will. Drei Jahre dauerte die Ausbildung, danach ging sie auf die Drogisten-Akademie in Braunschweig. „Der Abschluss dort ist vergleichbar mit dem Ingenieurstitel“, sagt Anna Redemund. Die Akademie gibt es nicht mehr. So, wie es auch kaum noch inhabergeführte Einzelhandels-Drogerien gibt. In den Regalen findet sich ein buntes Sortiment, das unweigerlich an die Besuche bei Oma und Opa denken lässt: Speick-Seife, Hattric-Aftershave, Atrix-Handcreme neben Kerzen, Blumendünger und Vogelfutter. „Babynahrung hatten wir auch lange im Angebot“, sagt die 84-Jährige. „Doch seit die sogenannten Drogeriemärkte diese Produkte zu Schleuderpreisen verkaufen, lohnt sich das für uns nicht mehr.“

Die Jahre 1966 bis 1975 waren die beste Zeit

Franzbranntwein, Paraffin, Vaseline und Salmiakgeist stehen hinterm Tresen in großen, alten Glasflaschen HA Verena Künstner

Es sei schwierig, in der heutigen Zeit mit dieser Konkurrenz mitzuhalten. Von einstmals drei Drogerien in Trittau ist nur ihre übrig geblieben. „Das geht nur, weil ich keine Miete bezahlen muss“, sagt Anna Redemund. Sie wohnt über dem knapp 70 Quadratmeter großen Laden, den ihr Mann und sie 1966 gekauft haben. „Wir hatten in Süddeutschland eine Drogerie. Dann bekamen wir ein günstiges Angebot, das Haus inklusive Geschäft hier an der Poststraße zu übernehmen.“ 5000 Einwohner hatte Trittau damals. Sieben ausgebildete Fachangestellte unterstützten das Ehepaar Redemund in den Jahren zwischen 1966 und 1975, den besten Zeiten. „Das ist das, was eine gute Drogerie ausmacht und von modernen Märkten unterscheidet: eine kompetente Beratung“, sagt Anna Redemund. „Ich kann zu jedem Produkt genau sagen, wofür es gut ist.“

Das schätzt auch Reinhart Florian. Der 81-Jährige kommt regelmäßig in die Trittauer Drogerie, um dort das zu bekommen, was er anderswo vergeblich sucht. „Wo kriegen Sie denn heute noch 50 Milliliter Salmiakgeist? Oder Hirschhornsalz und Pottasche? Und obendrein handfeste Tipps zur Verwendung? Nirgends.“ Florian ist selbst Drogist, schloss seine Drogerie in Ammersbek vor 14 Jahren. Ihm sieht man sein Alter ebenso wenig an wie seiner aktiven Kollegin Redemund. „Wir Drogisten halten uns eben gut“, sagt er. Anna Redemunds Ehemann Walter, mit dem sie 54 Jahre Leben und Arbeit teilte, starb vor fünf Jahren. Er wurde 100.

Besonders ins Auge fällt in Anna Redemunds Drogerie die Registrierkasse aus dunklem Holz, Baujahr 1923. Regelmäßig erhielt die Drogerie-Chefin Angebote der Herstellerfirma. „Die wollten die Kasse für ihr Museum haben.“ Im Austausch hätte die Trittauerin eine vollelektronische Kasse bekommen. Ihre Reaktion war immer dieselbe: „Die können Sie behalten!“ Die Kassenfirma gibt es nicht mehr, die Drogistin dreht immer noch täglich an der Kurbel.

Auch der Bürgermeister hat als Kind Gummi-Teddys bekommen

Die hölzerne Registrierkasse ist noch älter als ihre heutige Besitzerin. Ihr Baujahr ist 1923 HA Verena Künstner

Auch sonst erinnert die Einrichtung an Filme aus den 50er-Jahren. Kein Wunder, die massiven Eichenholzregale und der Tresen stammen aus dieser Zeit. 1966 bauten Redemunds das Haus um, modernisierten die Wohnräume. „Wir fragten unsere Kunden, ob wir die Drogerie auch renovieren sollen“, erinnert sich Anna Redemund. „Die haben gesagt, wir sollen auf keinen Fall etwas verändern.“ So ist es bis heute geblieben.

Viele Kunden haben schon als Kinder ihre Eltern beim Einkauf begleitet und durften sich bei „Tante Anna“ einen Gummi-Teddy abholen. Darunter auch der heutige Bürgermeister Mesch. „Ach ja, der Oliver. Das ist ein Guter“, schwärmt Anna Redemund und verrät: „Deswegen habe ich ihn auch gewählt.“ Einen anderen Kunden, den sie von Kindesbeinen an kennt, überraschte sie am Tag seiner Hochzeit. „Als die Kutsche an der Drogerie vorbeifuhr, habe ich sie angehalten und ihm ein Päckchen Gummi-Teddys mit roter Schleife überreicht.“

Von neun bis 12.30 Uhr und 14 bis 18 Uhr hat die Adler-Drogerie geöffnet. Sonnabends ist um 12.30 Uhr Feierabend. In den Pausen macht sich Anna Redemund etwas zu essen und legt sich hin. Das könnte die 84-Jährige eigentlich den ganzen Tag tun. Oder Kaffee trinken. Oder Ausflüge machen. „Das wäre mir alles viel zu langweilig“, sagt sie. „Mir macht meine Arbeit einfach Spaß.“ Wie lange sie noch hinterm Tresen stehen möchte? „Bis ich keine Lust mehr hab’. Dann mach’ ich zu.“

Wein aus der Drogerie

Saftgewinnung: Reife Johannisbeeren waschen, zerkleinern. Ein Enzympräparat verhindert das Gelieren des Fruchtbreis und erleichtert am folgenden Tag das Abgießen des Saftes. Sechs Liter Saft ergeben 20 Liter Wein.

Gäransatz: Saft in eine 25-Liter-Ballonglasflasche füllen, eine Kultur Reinzuchthefe dazugeben. Zehn Liter Wasser erhitzen und sechs Kilo Zucker darin auflösen. Acht Hefenährsalz-Tabletten zerstoßen und hinzugeben. Das abgekühlte Zuckerwasser mit dem Saft vermischen. Flasche schließen.

Vergärung: Nach zwei bis vier Monaten ist die Gärung abgeschlossen. Klare Flüssigkeit von der Bodenschicht abheben und umfüllen.

Schwefelung: Eine Schwefeltablette (1 Gramm/10 Liter) hilft bei der weiteren Klärung des Jungweins.

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