Grosshansdorf. Ein aus Japan stammender Pilz befällt einen Großteil der Bäume. Förster sprechen von dramatischen Konsequenzen für den Wald.

Förster Andreas Körber legt den Kopf in den Nacken und schaut mit leicht zusammengekniffenen Augen gegen den hellgrauen Himmel. Er sagt: „Der Baum da vorn sieht eigentlich noch ganz gut aus, aber bei genauerer Betrachtung erscheint das Blattwerk etwas zu büschelig, die Krone insgesamt zu licht. Er dürfte bereits erkrankt sein.“

Wovon der Fachmann spricht, wird für den botanischen Laien in der Umgebung der etwa 25 Meter hohen Esche sehr viel deutlicher. Die Nachbarn des noch stattlichen Baumes bieten ein klägliches Bild. Die meisten haben nur noch Inseln von Blättern, einige sind vollkommen kahl und wirken wie Baumskelette. Der einstige Eschenwald ist hier bereits stark gelichtet.

Der Parasit ist verantwortlich für das sogenannte Eschentriebsterben.

Der wissenschaftliche Name des Problems lautet Hymenoscyphus fraxineus. Damit wird eine Unterart des Schlauchpilzes bezeichnet, die ursprünglich aus Japan stammt, vermutlich über das Baltikum und Polen nach Deutschland gekommen ist und sich dort seit etwa 2002 verbreitet hat. Der Beiname fraxineus verweist auf den Wirt, den sich dieser Pilz ausgesucht hat: die Esche. Der Parasit ist verantwortlich für das sogenannte Eschentriebsterben.

In Schleswig-Holstein wurde der zugewanderte Pilz 2005/2006 nachgewiesen. Der Großteil der Bestände der gemeinen Esche (Fraxinus excelsior), die überwiegend in Europa vorkommt, ist inzwischen befallen. Die Konsequenzen sind dramatisch. Denn der parasitäre Pilz schwächt die Bäume so sehr, dass sie ihre Lebensfähigkeit verlieren.

„Die Kernbotschaft dieses Problems lautet, dass die Baumart Esche verschwindet. Sie wird in absehbarer Zeit keine Rolle mehr in unseren Wäldern spielen“, sagt Jens-Birger Bosse aus der zuständigen Abteilung 3 der Schleswig-Holsteinischen Landesforsten in Neumünster. Der Befund eines zweiten Experten beschreibt, dass die Bäume dem Parasiten schutzlos ausgeliefert sind: „Wir haben ein schwerwiegendes Problem durch die Pilzerkrankung. Und das lässt sich nicht aufhalten, denn die Erkrankung wird über Sporen in der Luft verbreitet. Wir haben jedes Jahr einen starken Neubefall und können nichts dagegen tun. Die Esche hat sozusagen schlechte Karten“, sagt Ulrich Bressem, in der Abteilung Waldschutz der Nordwestdeutschen Forstwissenschaftlichen Versuchsanstalt in Göttingen für Mykologie und Komplexerkrankungen zuständig.

Pilz-Sporen werden vom Wind über weite Entfernungen transportiert

Sein Institut hat vor zwei Jahren eine Praxis-Information herausgegeben, die Waldbesitzer und Revierleiter über das Eschentriebsterben informiert. Dieser mit detaillierten Fotos bebilderte Text beschreibt anschaulich die Verbreitung der Krankheit, ihren Verlauf und die Konsequenzen.

Demnach werden die Sporen des Pilzes durch Wind rasch und über weite Entfernungen in der Luft verbreitet. Jahr für Jahr werden von den Fruchtkörpern des Pilzes, die sich im abgefallenen Laub bereits erkrankter Eschen entwickeln, neue Sporen gebildet. Diese Sporen dringen über Blätter und Stiele in die Pflanze ein und sie infizieren auf diesem Weg die jungen Triebe der Eschen. Erste Symptome des Eschensterbens sind welke und verfärbte Blätter. Es folgt ein Triebsterben, das über einen längeren Zeitraum zur Verlichtung der Baumkrone führt. Der Stoffwechsel der blattarmen Esche wird zusehends schlechter, Äste trocknen aus und werden brüchig. Der Baum beginnt abzusterben. Dieser Prozess wird oft noch durch weitere Parasiten wie den Holz zersetzenden Pilz Hallimasch beschleunigt. Das Immunsystem der Bäume ist so geschwächt, dass sie im Wurzelbereich zum Wirt für den Pilz werden, dem vitale Bäume widerstehen.

Was das konkret bedeutet, zeigt sich im Beimoorwald nördlich von Großhansdorf. Hier gibt es die größten Eschenbestände der Försterei Lütjensee, dem Revier von Andreas Körber. Der Förster schätzt, dass die Esche im Beimoorwald auf etwa 20 Hektar den Bestand dominiert. „Fast jeder Baum ist befallen“, sagt Körber. Der Schaden sei immens: ökologisch wie auch wirtschaftlich.

Wissenschaftler schöpfen Hoffnung, weil einige Bäume gesund bleiben

Forstwissenschaftler Jens-Birger Bosse schätzt, dass in Schleswig-Holstein landesweit 3500 Hektar Esche stehen. „Wenn diese Bäume ausfallen, müssen wir uns überlegen, wie wir wieder Fläche in den Wald bringen“, sagt Bosse.

Berechnen lässt sich der Schaden nicht. Jens-Birger Bosse wagt eine Schätzung der Wiederaufforstungskosten, indem er mit 1750 Hektar die Hälfte des Eschen-Territoriums in Schleswig-Holstein ansetzt und von 6000 bis 8000 Setzlingen pro Hektar ausgeht. Das allein wären 10,5 bis 14 Millionen Euro für die Jungpflanzen. „Und das wäre nur ein Mosaikstein“, sagt er. Der Ausfall beziehungsweise die Entwertung des Eschenholzes im Wirtschaftswald ist ebenso wenig zu beziffern, wie es die ökologischen Kosten sind.

Bosse: „Mehr als 100 Tier- und Pflanzenarten sind mit der Esche im ökologischen Raum Wald vergesellschaftet. Ich befürchte, dass diese Baumart über einen längeren Zeitraum ausfallen und bestimmte Funktionen nicht mehr wahrnehmen wird.“

Bäume, die überleben könnten resistentes Saatgut liefern

Stellt sich die Frage, wie mit den betroffenen Bäumen umgegangen wird. Sicher ist, dass es einen vermehrten Einschlag bei den Eschen geben wird. Zum einen aus Gründen der Verkehrssicherheit: Betroffene Bäume, die dicht an Spazierwegen stehen, müssen gefällt werden. Zum anderen erfordert die Verwertung des Eschenholzes im Wirtschaftsraum Wald verstärktes Handeln, es sollte also geschlagen werden, solange die Holzqualität nicht beeinträchtigt ist. Bosse: „Wir entnehmen Bäume, wenn nur noch einzelne Blätter und kaum noch Feinäste vorhanden sind, der Baum also im Prinzip schon tot ist.“ Forciert werden soll das Schlagen aber nicht, auch mit Blick auf die Preise.

„Ich gehe davon aus, dass die Baumart Esche nicht ganz aus Schleswig-Holstein verschwindet“, sagt Forstwissenschaftler Bosse. Hoffnung macht, dass ein minimaler Anteil, etwa ein bis drei Prozent, nicht infiziert ist, also möglicherweise Resistenzen ausgebildet hat. Förster Andreas Körber: „Wir hoffen, dass einige Bäume überleben und sich andere genetisch verändern. Und dass wir von denen resistentes Saatgut gewinnen.“ Jens-Birger Bosse erzählt davon, dass Bäume außerhalb der Wälder bislang eine Chance hatten, verschont zu bleiben. „Auf dem Hof, auf dem ich lebe, steht eine 200 Jahre alte Esche, die noch vollkommen gesund ist.“ Kurze Pause. „Jetzt sollte ich wohl besser rasch auf Holz klopfen.“ Vielleicht zurzeit nicht gerade auf Eschenholz.