Perth. René Andresen aus Ahrensburg war für vier Monate „Down Under“ – reisen, arbeiten, Land und Leute kennenlernen. Die Eindrücke bleiben.

Stundenlang sitzen sie bereits im Auto. René lenkt den Wagen, Alexander ist Beifahrer und Lars darf hinten schlafen. Die australische Sonne knallt auf das Dach des Autos, das mit üppiger Drei-Liter-Maschine ausgestattet ist. 32 Grad, Windstille, weit und breit ist nichts außer den Weiten des sogenannten Outbacks zu sehen. René schwitzt, das Atmen fällt schwer. Doch der Ahrensburger René Andresen hat sich eines fest vorgenommen: Er will auf vier Rädern in vier Monaten quer durch den Kontinent am anderen Ende der Welt.

14.466 Kilometer Luftlinie von Zuhause entfernt

Gelandet ist der 22-Jährige in Perth, der Hauptstadt von Westaustralien. 14.466 Kilometer Luftlinie von Zuhause entfernt sitzt er in seinem frisch erworbenen Mitsubishi Delica. Zusammen mit seinen beiden Freunden Lars Otto, 22, und Alexander Neumann, 23, hat er sich auf den Weg gemacht, die Kultur Australiens kennenzulernen und sein Englisch zu verbessern. Zunächst geht es die Westküste hinunter, den Süden entlang und schließlich die Ostküste wieder hoch.

Der silber-metallic-farbene Van der Jungs – eigentlich ein Sechssitzer – wurde zu einem typischen Backpacker-Wagen ausgebaut: Die zwei hinteren Sitze haben die Vorbesitzer herausgeschraubt und eine große Holzplatte eingebaut, um das Schlafen angenehmer zu gestalten. Umklappbare Sitze, eine kleine Musik- sowie Klimaanlage gehören außerdem zur Ausstattung. Die Temperatur regeln die drei Norddeutschen allerdings immer ohne Anlage. „Zwar ist es teilweise ohne kaum auszuhalten, denn die Hitze in Australien ist besonders intensiv”, sagt René. „Die Klimaanlage frisst aber zu viel Benzin, das Geld wollen wir sparen – Backpacker-Style halt.”

Die Idee „Reisen in Australien“ entstand im Berufsschulunterricht

17 Stunden Flugzeit, dazu neun Stunden Wartezeit in Dubai hat René, der für den Ahrensburger TSV als linker Mittelfeldspieler im Fußball aktiv ist, zurückgelegt. Zusammen mit Alexander und Lars hat er seine Berufsausbildung als Groß- und Außenhandelskaufmann im Januar dieses Jahres abgeschlossen. Er war bei Fielmann in Hamburg tätig. Die Idee „Reisen in Australien“ ist während des Berufsschulunterrichts gewachsen. „Es war schon immer mein Traum, für einen längeren Zeitraum nach Australien zu gehen“, erzählt René, während er konzentriert auf die Straße schaut. „Viele Freunde von mir waren bereits hier. Die Natur, das Klima und das Freiheitsgefühl, so weit entfernt von zu Hause zu sein, das reizt einfach.“

Mittlerweile sind die Drei sicher bei ihrem geplanten Zwischenstopp in Margaret River, einer der bekanntesten Weinregionen Australiens, angekommen – körperlich völlig am Ende, mit Gliederschmerzen und wunder Haut vom tagelangen Sitzen. Mit ihrem Smartphone und der App „WikiCamps“ sucht Alexander nach einem kostenlosen Nachtlager, wo sie ihr Dreimann-Zelt aufschlagen können. „Diese App ist jedem Backpacker zu empfehlen“, sagt er. „Wir konnten eine Menge Geld dadurch sparen.“ Man könne mit ihr kostenlose Campingplätze, öffentliche Toiletten, Duschräume sowie Wi-Fi-Zugänge finden. Zudem zeige sie besuchenswerte Orte in der Umgebung an.

Nicht immer gehen Pläne vollständig auf

Schließlich hilft das Handy auch in Margaret River. Etwas abgelegen, mitten in einem Wald, befindet sich ein Campingplatz. Er ist fast komplett belegt, denn Mitte Februar – von Dezember bis Februar ist Sommer in Australien – herrscht Hochbetrieb auf den Wein-Plantagen und viele Backpacker versuchen, Geld für ihre zukünftigen Reisen zu sparen.

Genau dies war auch der Plan von René und seinen Freunden. Doch wie es manchmal so ist, gehen Pläne nicht ganz auf. „Ich habe hier in Australien wirklich gelernt, dass du im Voraus nicht alles planen kannst“, sagt René. „Wir wollten auf der Plantage in Margaret River arbeiten, doch leider hatten die Farmer keine Arbeitsplätze mehr frei.“ Es lohne sich zwar, sich Gedanken zu machen, was man alles sehen möchte. „Doch was die Arbeitssuche angeht, muss man sich im Vorfeld entweder konkrete Zusagen einholen oder spontan das nehmen, was man bekommt.“

Etwas enttäuscht geht es für René und seine Kumpels weiter. Ab auf die Great Ocean Road, von Adelaide nach Melbourne, dann nach Sydney, Byron Bay, Surfers Paradise, Brisbane, wo sie in einer mit dem Auto etwa drei Stunden entfernten Stadt namens Bundaberg schließlich doch noch einen Job finden – und zwar auf einer Mandarinen- und Zitronen-Plantage. Farmer Malcolm Fuller heißt die drei Deutschen, die zuvor noch nie körperlich hart gearbeitet haben, mit australischen Akzent willkommen: „How is it going, mates?“. Anfangs hatte René noch Probleme, das australische Englisch zu verstehen, nach mittlerweile drei Monaten Reise, antwortet er aber souverän. Malcolm, der wie viele andere Australier noch nie in seinem Leben Schnee gesehen hat, fängt direkt an, den Jungs zu zeigen, wie in Australien Früchte gepflückt werden.

Knapp 4000 Euro hatte René als Startkapital für die Reise gespart

Mit lediglich einer Leiter, dicken Handschuhen und einem Korb vorm Bauch ausgerüstet, jagt der 56-jährige Australier von Baum zu Baum. Alles muss schnell gehen, schließlich wird auf den meisten Farmen in Australien nach vollen Körben bezahlt. Je mehr Mandarinen, desto mehr Geld. Im Laufschritt bewegt er sich fort. Zielstrebige Handbewegungen lassen Mandarine nach Mandarine in den Korb plumpsen. Die Jungs geben alles und sind nach acht Stunden Arbeit am ersten Tag komplett erschöpft. René Andresen: „Die Arbeit war sehr anstrengend. Zwei Wochen, länger halte ich das nicht aus.“ Die Bezahlung sei für die harte Arbeit einfach zu wenig.

Glücklicherweise konnten die Jungs während ihrer Ausbildung etwas Geld für ihren Trip sparen. Knapp 4000 Euro hat René als Budget. Das Work-und-Travel-Visum, welches 300 Euro gekostet hat, sowie die 1300 Euro für den Hin- und Rückflug sind da aber noch nicht mit einberechnet.

Aufgrund der sparsamen Lebensweise haben die Drei noch genügend Geld, um sich den Höhepunkt ihrer Reise zu leisten: drei Tage auf Fraser Island, der größten Sandinsel der Welt, für 350 Dollar. Das Highlight ist allerdings auch gleichzeitig das Ende der gemeinsamen Reise. René zieht es nach Deutschland zurück, Alexander und Lars fahren noch weiter in den Norden, nach Cairns. Mit dem Bus geht es für René nach Sydney und von da aus mit dem Flieger nach Hamburg. Vier Monate war er insgesamt unterwegs – und davon die meiste Zeit im Auto.

Die beiden giftigsten Tiere der Welt sind auf dem fünften Kontinent zu Hause

Auf ihrem Weg, den die drei Jungs überwiegend entlang der Küste bewältigt haben, war der konzentrierte Blick auf die Straße sehr wichtig. Denn in Australien leben Tiere, die es in Deutschland nicht gibt. Die beiden giftigsten Tiere der Welt sind auf dem fünften Kontinent zu Hause, die Seewespe und der Inlandtaipan. Bei dem ersten handelt es sich um eine Qualle, deren Gift bis zu 250 Menschen töten kann. Der Inlandtaipan ist eine Schlange, deren Gift für 100 bis 200 Menschen tödlich ist. Es gibt hier aber auch äußerst süße Tiere wie Koalas, Quokkas und Kängurus, die jedoch beim Autofahren zur Gefahr werden können. „Wir haben während unseres Trips bestimmt 50 tote Kängurus gesehen“, sagt René. „Teilweise wurden sie gerade erst von einem Lkw erwischt. Blutige Angelegenheit.“ Während der Nacht hätten sie zwischenzeitlich nur 30 Kilometer pro Stunde fahren können, da es überall von Kängurus wimmelte.

Wilde, gefährliche Tiere – teilweise zum Knutschen, teilweise zum Fürchten. Ewige Weiten von Wüste, kilometerlange Strände, eine Sonne, die – zumindest im Norden von Australien – so stark ist, dass Sonnencreme mit Schutzfaktor 50+ unbedingt nötig ist. Wunderschöne Metropolen wie Sydney mit 4,8 Millionen Einwohnern, partylastige Städte direkt am Strand und verlassene Farmen mit Tausenden Hektar von Land. Das hinterlässt Eindrücke. Australien ist der Fläche nach das sechstgrößte Land der Welt, hat dem Outback geschuldet aber nur 23,5 Millionen Einwohner. Das Land „Down Under“ lockt genau wie René und seine Freunde auch Millionen weitere Backpacker aus der ganzen Welt an.

Erneut hat René Schweißperlen auf seiner Stirn, dieses Mal aber nicht aufgrund der Hitze im Auto. Vollgepackt mit seinem 18 Kilo schweren Rucksack, der eng an seinem Rücken anliegt, ist er soeben in Hamburg gelandet. Die Reise habe ihn wesentlich selbstständiger und reifer werden lassen. Auch vorm Englischsprechen habe er keine Bange mehr. Niemand weiß von seiner Rückkehr. „Als erstes werde ich meine Mutter überraschen“, sagt René. „Ich freue mich, alle wiederzusehen. Vergessen werde ich die Zeit am anderen Ende der Welt aber nie.“