Die vielen inhabergeführten Läden sind ein Markenzeichen der Innenstadt. Wir haben einige nach ihren Perspektiven befragt.
Wie dicht Freude und Wehmut beieinander liegen können, haben Angelika Möller und Helga Todtmann noch einmal am letzten Öffnungstag der Buchhandlung Münnich erfahren. Die Inhaberinnen der Buchhandlung an der Hagener Allee verabschiedeten sich mit einem Fest von ihren Kunden. Was als kleines Beisammensein mit Musik gedacht war, wurde zu einer überwältigenden Sympathiebekundung. Den Buchhändlerinnen war die Rührung anzusehen, als Hunderte Kunden sie mit vielen freundlichen Worten, einem Meer von Blumen, mit Wein, Schokolade und sogar Büchern reich beschenkten. Ganz nebenbei wurden Bücher fast wie im Weihnachtsgeschäft verkauft.
Den Stammkunden war anzumerken, dass ihnen bewusst war, was sie mit der unwiderruflichen Schließung der 1946 gegründeten Buchhandlung verlieren. Einige Tage danach, im ausgeräumten Laden, die restlichen Bücher wurden fast alle remittiert, war Angelika Möller noch immer überwältigt. „Zu unserem Abschiedsfest kamen mehr als 300 Menschen. Nachdem im Februar bekannt geworden war, dass wir Ende April schließen, lief das Geschäft plötzlich. Wenn das immer so gelaufen wäre wie in den letzten zwei Monaten, hätten wir weitergemacht.“ Doch leider hatte sich das Geschäft mittlerweile so schlecht entwickelt, dass Todtmann und Möller aufgaben.
Ein Einzelfall? Nein. Traditionsgeschäfte haben es schwer in diesen Zeiten. Online-Preiskonkurrenz, hohe Mieten, die schwierige Nachfolgerfrage sind nur einige der vielen Probleme. Dabei gehören die inhabergeführten, traditionsreichen Geschäfte zu den Stärken der Ahrensburger Innenstadt. Ein Schatz, den es zu bewahren gilt. Wie denken die Kaufleute darüber? Das Abendblatt hat nachgefragt.
Die Bio-Pioniere: „Nach 35 Jahren gehören auch wir zu den Etablierten“
Die Zeiten, in denen die Gründer von Grünkern in Ahrensburg Bio-Pioniere waren, sind Iris Behnke noch sehr präsent, auch wenn das schon mehr als 35 Jahre zurückliegt. Insofern amüsiert sie die Vorstellung, dass der Bio-Supermarkt, den sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Burkhard Krebs nach dem letzten Umzug des Ladens seit 2009 auf deutlich vergrößerter Verkaufsfläche an der Hamburger Straße betreibt, zu den Ahrensburger Traditionsgeschäften gehört. „Früher waren wir die Aufmüpfigen, jetzt gehören wir zu den Etablierten“, sagt Iris Behnke und lächelt.
Sie ist hochzufrieden mit der Entwicklung am neuen Standort: „Wir können uns auf eine wachsende Stammkundschaft verlassen. Und unser neues Erscheinungsbild nimmt Menschen, die sich erstmal nur orientieren wollen, die Schwellenangst vorm Bio-Laden.“ Ein wenig Sorge macht ihr nur die in den kommenden Jahren anstehende Sanierung der Hamburger Straße. „Hoffentlich kostet uns das keine Kunden“, sagt sie und hofft auch darauf, dass keine Parkplätze verloren gehen. Denn das sei wichtig für einen Supermarkt – auch wenn er Bio ist.
Die Feinkost-Händler: „Unser Geschäft ist leider ein Auslaufmodell“
Jörg und Marion Boy, beide Jahrgang 1955, feiern in diesem Jahr runde Geburtstage, die auch Anlass bieten über die Zukunft ihres 90 Jahre alten Delikatessen-Geschäfts nachzudenken. Marion Boy sagt: „Es sind schwierige Zeiten für inhabergeführte Geschäfte, die oft auch Familienbetriebe sind. Die jüngere Generation hat hautnah mitbekommen, wie sehr ihre Eltern eingebunden sind und dass sie jeden Tag 15 Stunden arbeiten müssen. Deshalb schließen die meisten Kinder aus, dass sie das fortsetzen. Auch unsere Töchter werden das Geschäft nicht fortführen, es wird also das 1925 gegründete Unternehmen Delikatessen Boy nicht in vierter Generation geben. Die Art von Geschäft, das wir führen, ist ein Auslaufmodell. Heute wird der schnelle und anonyme Einkauf bevorzugt. Die Qualität hat zwar auch im Supermarkt zugenommen, doch fehlt es dort meist an Zeit und Kompetenz für individuelle Beratung. Das ist unser Plus. Aber die Kundenfrequenz hat bei der großen Konkurrenz abgenommen. Wir müssen das mit Qualität und Wendigkeit kompensieren. Dennoch macht das Arbeiten hier viel Spaß, und das merken unsere Kunden uns auch an.“
Stoffe und Betten: Zum rechten Zeitpunkt aus eins zwei gemacht
Erfolgreiche Unternehmer wissen, wann sie entscheidungsfreudig und mutig sein müssen. So gesehen, haben Tanja Klam und ihre Mutter Ingrid Ebeling ihre Geschäftstüchtigkeit schon vor einigen Jahren nachgewiesen und gezeigt, dass sie Gespür für zukunftsweisende Entscheidungen haben. Tanja Klam erinnert an die Anfänge und die Fusion zweier Geschäftsideen: „Betten Bubert gibt es seit 1947, und die Stoffideen hat meine Mutter 1980 an der Großen Straße 19 eröffnet. 2011 habe ich Betten Bubert übernommen und beide Geschäfte in der Hagener Allee 14 zusammengelegt. Wir sind sehr zufrieden mit diesem Standort, obwohl die Parkplatzsituation besser sein könnte. Mit unseren Sortimenten, die sich gut ergänzen, sind wir bestens für die Zukunft aufgestellt. Der Online-Handel ist für uns als Fachgeschäft keine Konkurrenz, die wir fürchten. Stoffe muss man sehen, anfassen und fühlen, um sich vorzustellen, wie sie fallen. Und beim Kauf einer neuen Matratze oder eines Lattenrostes muss man sich sorgfältig beraten lassen, um eine individuell passende Lösung zu finden. Das alles kann das Internet nicht bieten.“
Der Konditor: Handarbeit ist industriellen Produkten überlegen
Die Hamburger Straße 7 ist eine erste Adresse in Ahrensburg – was das Konditorenhandwerk betrifft. Stephan Gerads setzt dort in dritter Generation die gute Tradition fort. Er setzt weiterhin auf Qualität: „Unser Betrieb wurde 1947 gegründet. Seit 2003 leite ich ihn. Was wir hier in der Backstube machen, ist noch echte Handarbeit. Das ist nicht nur qualitativ den industriell gefertigten Produkten überlegen, wir können auch viel flexibler reagieren. Gerade habe ich quasi auf Zuruf rasch sieben Torten für eine Firma fertigen müssen, weil die den Geburtstag des Chefs vergessen hatten. Die Leitung eines solchen Betriebs wird immer anspruchsvoller, nicht zuletzt durch die Bürokratie. Zum Beispiel müssen wir wegen des Mindestlohns neuerdings auch die Arbeitszeiten genau dokumentieren. Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich nebenbei noch eine Lehre als Bürokaufmann hätte machen müssen. Zum Glück hilft mein Vater im Büro. Das spart viel Zeit, aber auch Kosten. Was den Standort betrifft, fühlen wir uns hier ein bisschen stiefmütterlich behandelt. Wenn die Hamburger Straße endlich saniert wird, ist es wichtig, dass ausreichend Parkraum bleibt.“
Der Optiker: „Die Ahrensburger haben Verständnis für Qualität“
André Forster, 52, hat das 1969 gegründete Geschäft Fleischmann Augenoptik im Jahr 1995 vom Gründer übernommen und führt es seither gemeinsam mit einer Angestellten. „Die Hagener Allee ist trotz verschärfter Konkurrenzsituation bei den Augenoptikern noch immer ein guter Standort. Den meisten von uns machen selbstverständlich auch die Online-Anbieter zu schaffen, aber das ist wohl in kaum einer Branche zu vermeiden“, sagt Forster. Die Mitbewerber im Internet seien aber eine wirkliche Konkurrenz nur bei austauschbaren Produkten wie Sonnenbrillen. Beim individuellen Anpassen einer Brille könnten die Online-Optiker nicht den stationären Handel ersetzen.
„Das Geschäft ist härter geworden. Man muss immer mehr Umsatz machen, um einen ähnlichen Gewinn wie vor 20 Jahren zu erzielen, weil die Kosten allgemein enorm steigen“, sagt der Augenoptikermeister. Forster setzt auf ein großes Sortiment von Markenbrillen sowie auf Qualitätsprodukte und Maßarbeit bei den Gläsern. Und auf seine Stammkunden: „Ahrensburg ist ein gutes Pflaster für Optiker – das Verständnis für Qualität ist da.“
Der Eisenwarenladen: Sehr viel Arbeit und sehr wenig Urlaub
Entsprechend dem Motto eines qualitätsbewussten Versandhändlers möchte man als Kunde im Geschäft Ernst Kretzschmann an der Manhagener Allee 15 ausrufen: Es gibt sie noch, die guten Dinge. Der Haushalts- und Eisenwarenladen riecht charakteristisch, er hat viele Schubkästen und Regale, wo man alles zu finden glaubt. Das Ganze wirkt wie ein Überbleibsel aus alten Tagen. Der Laden überlebte, weil Inhaber Klaus Lehmann neue Akzente setzte: „Unser Geschäft gibt es seit 90 Jahren. Ich habe es 1990 von der Gründerfamilie übernommen. Wir kommen klar, weil wir uns auf das Geschäft mit Fahrrädern konzentriert haben. Als ich hier meine Lehre machte, hatten wir nur zehn Fahrräder im Angebot. Inzwischen ist das unser Kerngeschäft mit einem großen Sortiment und einer Werkstatt, in der ein Meister und ein Geselle arbeiten. Insgesamt sind wir ein Team von neun Leuten. Außerdem bieten wir Sicherheitstechnik und handeln mit Eisen- und Haushaltswaren. Bei uns bekommt der Kunde noch einzelne Haken und Schrauben, das ist aber nur noch ein Zubrot. Wir sind insgesamt sehr zufrieden und kommen gut zurecht, müssen dafür aber auch Einsatz zeigen. Urlaub und Achtstundentage sind nicht drin. 80 Prozent unserer Kunden sind Stammkunden. Ich denke noch lange nicht ans Aufhören, aber schon jetzt ist klar, dass dieses Geschäft erhalten bleiben soll – und dass der Nachfolger einer sein muss, der Ahrensburg und die Menschen hier kennt, also zum Beispiel jemand aus dem Kreis der Leute, die hier arbeiten.“
Der Schuhmacher: Seine Kunden gehören nicht zur Wegwerfgesellschaft
Andreas Gerstenkorn pflegt ein Handwerk, in dem sich der Wandel der Zeiten beobachten lässt. Er ist Schuhmacher und weiß aus Erfahrung, was der Slogan von der Wegwerfgesellschaft bedeutet. „Vor allem junge Leute kaufen sich billige modische Schuhe und entsorgen sie, wenn die nach nur einer Saison ruiniert sind. Das ist die Mentalität, die uns in Müllbergen ersticken lässt“, sagt Gerstenkorn, der 2003 die inzwischen 70 Jahre alte Schuhmacherei Timmermann übernommen hat.
Gut für Gerstenkorn, dass es in Ahrensburg noch ausreichend Menschen gibt, die sich langlebige Schuhe leisten, die neu besohlt oder repariert werden. „Meine Kundschaft kommt vor allem aus der älteren Generation, aber auch einige jüngere Menschen entwickeln wieder ein Bewusstsein für Qualität und Nachhaltigkeit“, sagt er.
Mit zwei Angestellten hat Gerstenkorn sein Geschäft erweitert auf Schlüssel- und Schloss-Service, Ledernäharbeiten, Stempel- und Schilderherstellung. Die Entscheidung, für Ahrensburg, hat der Hamburger, dessen Vater auch Schuhmacher war, nicht bereut. Mit seinem Standort an der Manhagener Allee ist er zufrieden, auch wenn nicht alles optimal sei: „Es fehlen Parkplätze, und wir haben zu viel Leerstand in der Umgebung. Immerhin verschafft mir Fisch Schloh Laufkundschaft, daran mangelt es nämlich in dieser Lage.“
Im übrigen ist er davon überzeugt, dass seine Arbeit gut für die Stadt sei: „Wir sind drei Schuhmacher hier. Jeder von uns nützt Ahrensburg.“
Das Sanitätshaus: Die demografische Struktur der Stadt ist günstig
Die Geschichte des Sanitätshauses Buder begann schon 1905 in Schirgiswalde bei Bautzen mit einer kleinen Herstellung von Miedern und Leibbinden. Die Gründer Josef und Maria Buder fingen 1955 in Ahrensburg neu an, nachdem sie aus der DDR geflüchtet waren. Gabriele Baaß leitet das Geschäft seit 2002 in vierter Generation. Damals wurde das etwa 200 Jahre alte Gebäude komplett renoviert, die Geschäftsräume wurden erweitert. Das Sanitätshaus verkauft orthopädische Hilfsmittel, Reha-Technik, aber auch Miederwaren, Bademoden und Gesundheitsschuhe. In der eigenen Werkstatt werden unter anderem maßgeschneiderte Einlagen für Schuhe hergestellt oder Änderungen ausgeführt. Der Kunde hat die Wahl zwischen Kassen- und Premiumprodukten. Die Zukunft ihres Geschäfts, das zehn Mitarbeiter hat, sieht Geschäftsführerin Gabriele Baaß rundum positiv. Der Umsatz sei trotz reduzierter Krankenkassenleistungen stabil, Tendenz steigend, und das Potenzial groß. „Wir haben in Ahrensburg eine für unser Geschäft günstige demografische Struktur“, sagt die Geschäftsführerin. Zufrieden ist sie auch mit der guten Entwicklung am Standort – zumal Ahrensburg eine hohe Kaufkraft habe. Was sich auch daran ablesen lässt, dass ein überregional aktiver Mitbewerber eine Filiale vor Ort eröffnet hat. Das Sanitätshaus befindet sich als alteingesessenes Unternehmen trotzdem in bester Lage – nicht zuletzt als Nachbar der Stadtresidenz Ahrensburg für Senioren.
Die Weinhändler: Ihr großes Wissen und ihre Kontakte sind ihr Kapital
Das Weinhaus Lafargue ist eines der Traditionsgeschäfte, deren guter Name so ausstrahlt, dass er auch Kunden von weiter her anzieht und dazu beiträgt, das Ahrensburger Zentrum zum attraktiven Einkaufsort zu machen. Das liegt vor allem am unverwechselbaren Sortiment, das Klaus Junge, der das Geschäft 1984 in Ahrensburg eröffnete und gemeinsam mit seiner Frau Christel betreibt, zusammengestellt hat: kein Mainstream, sondern Weine ausgesuchter Winzer aller wichtigen deutschen und internationalen Anbaugebiete, die zum größten Teil anderswo schwer zu finden sein dürften.
Junge verlässt sich dabei auf sein Weinwissen und über Jahrzehnte gewachsene Verbindungen. Das macht Lafargue unverwechselbar. Insofern ist das Ehepaar Junge auch gelassen, was die Zukunft betrifft: „Mit unserem Angebot haben wir ein Alleinstellungsmerkmal. Unsere Stärken sind die Qualität des Sortiments, neben dem Wein hochwertige Spirituosen, und unsere Beratung. Wir können uns auf eine große Stammkundschaft verlassen. So etwas kann man sich nicht kaufen, das muss man sich erarbeiten“, sagt Klaus Junge und fügt hinzu: „Wir haben keine Zukunftssorgen, weil es genügend Interessenten für unser Sortiment gibt.“ Auch, weil die Junges sich um neue Kunden kümmern: „Uns macht es großen Spaß, junge Menschen, die wenig Wein-Erfahrung haben, so zu beraten, dass sie gern wiederkommen. Wenn man sie also motiviert, gute Weine zu trinken. Das sind unsere Kunden von morgen“, sagt Christel Junge.