Ahrensburg. Feuerwehrleute aus Ahrensfelde sind wegen Brandstiftung angeklagt. Jetzt äußert sich die Ortswehrführung erstmals zu den Ereignissen.

Ein halbes Jahr ist vergangen, seit die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Ahrensfelde die Hiobsbotschaft erreichte: die Festnahme vier ihrer Kameraden. Um wen es sich handelte, war zu dem Zeitpunkt noch nicht bekannt. Den Grund kannte hingegen fast jeder: Die Vier sowie zwei weitere junge Männer sollen für eine Brandserie insbesondere im Ahrensburger Ortsteil Ahrensfelde verantwortlich sein.

Für die Feuerwehrleute war es ein Schock. Mittlerweile sei wieder etwas Normalität eingekehrt im Alltag der Kameraden, meinen Ahrensfeldes Ortswehrführer Michael Mey und sein Stellvertreter Peter Körner. Im Abendblatt sprechen beide zum ersten Mal öffentlich über die Ereignisse. „Als ich damals von den Festnahmen erfuhr, überlegte ich erst mal, wer das überhaupt sein könnte“, sagt Michael Mey.

Zu dem Zeitpunkt war der 53-Jährige noch stellvertretender Wehrführer, er wurde vor rund drei Monaten zum Wehrführer gewählt. Er sei innerlich alle Kameraden durchgegangen, sagt Mey. „Man guckt sich seine Leute an und denkt sich dann: ,Nee, also der kann es nicht sein. Und der? Nein, der auch nicht.’“ Bei jedem habe es Gründe gegeben, die dagegen sprachen.

Facebook verriet, um wen es sich handelte

Peter Körners Strategie führte schneller zum Ziel: „Um wen es sich handelte, ließ sich recht schnell über Facebook feststellen“, sagt er. „Diejenigen, die nicht online waren, hatten ganz offensichtlich keinen Internetzugang mehr. Einfaches Ausschlussverfahren, das ging ruck, zuck.“ Und doch hätten die schweren Beschuldigungen einfach nicht zu dem Bild gepasst, das sie von ihren damaligen Kameraden gehabt haben, sagt Mey.

Die Brandstifter, zum Zeitpunkt der Festnahme zwischen 19 und 21 Jahre alt, waren seit vielen Jahren Mitglieder der Wehr. Drei von ihnen stiegen bereits als Zehnjährige bei der Jugendfeuerwehr ein, wurden von klein auf zum Brandbekämpfer und Lebensretter aufgebaut. „Wir hatten denen so viel beigebracht. Wir hatten sie ausgebildet mit allem Pipapo – aus ihnen waren gute Feuerwehrleute geworden“, sagt Mey. Bis heute habe er keine Erklärung für ihre Taten finden können. „Wir warten darauf, dass sie sich melden und sich bei denen entschuldigen, die sie geschädigt haben“, sagt Körner. „Und auch bei denen, die sie maßlos enttäuscht haben.“

Geschädigt und enttäuscht: Da sind auf der einen Seite die Landwirte, die durch die brennenden Strohmieten hohen Schaden erlitten haben, auch Sorgen und schlaflose Nächte. Und auf der anderen Seite die Mitglieder der kleinen Ortswehr Ahrensfelde: Anfangs belagert von Journalisten, vorverurteilt von Außenstehenden, geschädigt im öffentlichen Ansehen. „Es wurde so stark verallgemeinert“, sagt Ortswehrführer Mey. „Ach, da fahren wieder die Brandstifter“, habe es da teilweise geheißen, wenn die Kameraden mit dem Feuerwehrauto unterwegs waren. „Und eben nicht: ,Einer von denen könnte vielleicht ein Brandstifter sein’“, so Mey.

Unschuldige Kameraden wurden öffentlich verurteilt

Mey spricht sehr sachlich, während er erzählt. Mitleid wollten er und Körner auf keinen Fall, macht er deutlich. Aber die Enttäuschung darüber, in welches Licht die unschuldigen Kameraden der Wehr teils gerückt worden waren, ist spürbar. Mey: „Wir riskieren für die Öffentlichkeit unser Leben. Während bei einem Brand die Menschen normalerweise rauslaufen, laufen wir rein ins Feuer. Und dann wendet sich auf einmal das Blatt, und man steht plötzlich als schlechter Mensch da. So, als seien alle Feuerwehrleute Brandstifter.“

Das beginne bei Gesprächen über die Feuerwehr an der Supermarktkasse, die man unbeabsichtigt mitanhören müsse, und reiche bis zu Kommentaren während der Einsätze. Körner: „Einmal hatten wir nur eine Türöffnung zu machen. Da kam ein Passant vorbei und sagte: ,Na, habt ihr heute mal kein eigenes Feuer gelegt?’“ Das tue verdammt weh, so Körner.

Dabei sind die Feuerwehrleute durch jeden Einsatz selbst Gefahren ausgesetzt: Allein der Weg vom Bett zum Feuerwehrhaus bringt statistisch gesehen ein achtmal höheres Unfallrisiko als eine gewöhnliche Autofahrt mit sich. Geht der Melder, steigt meist auch der Adrenalinpegel im Blut. Schließlich geht es um Minuten, vielleicht um Sekunden.

„Die Feuerwehr hat sich nichts vorzuwerfen“

„Ich hoffe, den Vieren ist bewusst, was sie da angerichtet haben, auch innerhalb der Feuerwehr“, sagt Mey über seine ehemaligen Kameraden. Schon lange vor den Festnahmen hatte die Gerüchteküche außerhalb der Wehr gebrodelt. Verdächtigungen wurden hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen, auch die Namen der vier Beschuldigten waren gefallen. Körner betont, er haben die jungen Männer mehrfach darauf angesprochen. Doch es habe einfach keine Verdachtsmomente gegeben. „Nur einmal. Und da haben wir ihnen geglaubt“, so Körner. Die vier hatten ein Alibi samt Zeugen parat.

Heute sagt Körner: „Kein Wunder, zu dem Zeitpunkt waren ja auch schon die Subunternehmer am Werk.“ Die Subunternehmer, das sind jene beiden Männer, die im Auftrag der vier Feuerwehrleute handelten: Sechs von acht Brandstiftungen gehen laut Staatsanwaltschaft auf deren Konto. Von heute an stehen sie vor dem Jugendschöffengericht in Ahrensburg.

„Die Feuerwehr hat sich nichts vorzuwerfen“, sagt Körner. „Wir haben unsere ganze Pflicht und Schuldigkeit getan.“ Denn man müsse auch die andere Seite der Medaille betrachten, so der stellvertretende Wehrführer. Denn hätte sich herausgestellt, dass die verdächtigten Feuerwehrleute unschuldig sind, „dann hätte man seinen Beitrag dazu geleistet, das Leben und den Ruf vier junger Menschen zu ruinieren“, sagt Körner. Mey ergänzt: „Man muss natürlich auch sehen, dass wir sie schon jahrelang kannten.“ Auch Körner hat den jungen Männern vertraut. Bei zwei von ihnen hat er früher, ganz früher den Weihnachtsmann gespielt.

Dazu kam: Körner und Mey glaubten zunächst an eine Art Strohballen-Mafia, die für die Brände verantwortlich sein könnte. „Das war unser erster Gedanke“, so Mey. „Denn in dem Moment, in dem es hier kein Stroh mehr gäbe, müsste es von anderen Anbietern eingekauft werden. Und die könnten dann auch den Preis diktieren.“

Festnahmen belasteten die Ortswehr massiv

Von den ehemaligen Kameraden, momentan sind sie vom Dienst suspendiert, wünscht sich Körner eine „vernünftige Entschuldigung“. „Feuerwehrtechnisch sind sie unten durch, das ist klar. Aber man muss sich doch auch irgendwann wieder in die Augen gucken können“, sagt Körner. Die Festnahmen hätten die Ortswehr sehr belastet. „Gerade die gleichaltrigen Jugendlichen, die quasi ständig mit denen zusammen waren, waren geschockt“, sagt Ortswehrführer Mey. „Weil sie von nichts wussten.“ Sie bekamen psychologisch Unterstützung.

Die meisten Kameraden hätten die Geschehnisse mittlerweile gut weggesteckt. Mey: „Wir gucken nach vorn. Aber in diesem Fall ist so viel auf der Strecke geblieben: die menschliche Enttäuschung. Die investierte Arbeit. Der Verlust von vier Leuten in einer nicht sehr großen Wehr.“ Besonders jetzt, zum Prozess, kämen diese Gedanken dann doch immer mal wieder hoch.