Ahrensburg/Fogarasch. 3528-Kilometer-Hilfskonvoi: Seit 1994 fahren Ahrensburger und Großhansdorfer nach Rumänien, um zu helfen. Das Abendblatt hat sie begleitet.

Wer, um zu helfen, 3528 Kilometer weit mit dem Auto über Schnellstraßen und Schlaglochpisten fährt, der meint es ernst mit dem Helfen. Der Ahrensburger Verein Copilul und die Siebenbürgenhilfe aus Großhansdorf fahren seit 21 Jahren jeden Frühling und Herbst mit mehreren Autos aus der Stormarner Heimat über deutsche, über tschechische oder österreichische, über slowakische, ungarische und rumänische Straßen nach Fogarasch. 1764 Kilometer hin, 1764 Kilometer retour. Das Abendblatt hat sie bei ihrer jüngsten Tour begleitet.

Herzlicher Empfang mit Gulasch und Umarmungen

Christoph Wicht, Vorsitzender des Vereins Copilul, steigt nach der zweitägigen Hinfahrt aus dem Wagen, streckt sich und sagt: „Die Reise ist schon immer anstrengend.“ Macht aber nichts. In der 30.700-Einwohner-Stadt in Transsilvanien (auch Siebenbürgern genannt) werden die Stormarner von den Mitgliedern der örtlichen evangelischen Kirchengemeinde herzlich willkommen geheißen – mit festen Umarmungen, Gulasch, Krautsalat und selbst gebranntem Pflaumenschnaps.

Zuvor schleppen die Stormarner allerdings noch Kisten mit Kleidung, Kinderwagen und weiteren Spenden über den sandigen Innenhof der Kirche, deren graublaue Fassade mit Patina überzogen ist. Die Spenden werden in einem Raum der Kirchengemeinde gestapelt. Sie sollen später im Gebrauchtwaren-Geschäft verkauft werden. Mit dem Gewinn werden etwa die Projekte des Vereins finanziert.

Verein Copilul unterstützt soziale Projekte in Fogarasch (Rumänien)
Verein Copilul unterstützt soziale Projekte in Fogarasch (Rumänien) © Mira Frenzel

Gründung der Siebenbürgenhilfe

Die Partnerschaft besteht seit 1984. Damals war der ehemalige Pfarrer der Gemeinde, Georg Scheeser, nach Großhansdorf geflüchtet, gründete dort die Siebenbürgenhilfe. Sie wird mittlerweile von Ehrhardt Wagner und dessen Frau Gertrud leitet. Von der Organisation spaltete sich 1994 der Verein Copilul (rumänisch für Kind) ab.

Seit 2007 gehört Rumänien, das im Westen an Ungarn und im Osten an das Schwarze Meer grenzt, zur EU. Und doch: Die Gegensätze, die die Helfer aus Stormarn jährlich auf ihren Reisen erleben, sind enorm. Wicht: „Das Durchschnitteinkommen in Rumänien liegt bei etwa 350 Euro im Monat.“ In den meisten Geschäften in Fogarasch gibt es Lebensmittel, gebrauchte Kleidung und Haushaltswaren – nach Luxusprodukten sucht der Konsument lange (und oft vergebens).

Gemüse und Getreide werden selbst angebaut

In den Orten rund um die Stadt verfallen an unbefestigten Straßen Häuser zu Ruinen, besser erhaltene Lehmhäuser werden von Großfamilien bewohnt. Ihre Lebensmittel kommen selten aus dem Supermarkt. Gemüse, Getreide und Fleisch werden selbst angebaut, gezüchtet und getauscht. Statt mit Autos, bewegen sich die Menschen mit Pferdekarren vorwärts. „Um die Eindrücke, zu verarbeiten, brauche ich immer ein paar Tage“, sagt Wicht, obwohl er bereits seit elf Jahren in die Region kommt.

Lebensmittel werden in Fogarasch selbst angebaut, gezüchtet und getauscht
Lebensmittel werden in Fogarasch selbst angebaut, gezüchtet und getauscht © Mira Frenzel

Dreiklassengesellschaft

Es ist auch ein bisschen eine Dreiklassengesellschaft, die Wicht und seine Mitstreiter vor Ort erleben: Da gibt es die Siebenbürger Sachsen. Die Nachkommen deutscher Siedler aus dem 12. Jahrhundert, gehören in der Regel zu den wohlhabendsten Bewohnern. Sie sprechen Siebenbürgisch-Sächsisch, ein deutscher Dialekt. Besser situiert sind auch viele der „echten Rumänen“, wie sich die größte Bevölkerungsgruppe in Transsilvanien bezeichnet. Die Ärmsten der Armen, das sind meist Roma. Oft fehlt nicht nur das Geld für eine gute Versorgung, es fehlt auch der Zugang zu Bildung. Die Situation zumindest für einige Mitglieder der ethnischen Minderheit sowie armer Rumänen zu verbessern ist das Ziel der Stormarner.

Vermittler zwischen den Kulturen

Christoph Wicht und Ehrhardt Wagner sowie ihre Helfer sammeln dafür daheim Sachspenden und Geld für die Projekte, in Fogarasch sammeln sie Erfahrungen. Wicht: „Wir müssen uns über die zweckmäßige Verwendung unseres Geldes vor Ort informieren.“ Es gehe auch darum, zu sehen, ob es Verbesserungsmöglichkeiten bei den Projekten gibt. So sitzen die Vereinsmitglieder an mehr als einem Tag einige Stunden mit Pfarrer Johannes Klein zusammen, beraten sich und schmieden Pläne, wie die Projekte vorangehen beziehungsweise erweitert werden können. Klein, ein Siebenbürger Sachse, ist nicht nur Partner der Stormarner, er ist für die Deutschen auch der Vermittler zwischen den Kulturen.

Doch Klein, die Mitglieder seiner Kirchengemeinde, die Projektbetreuer vor Ort, sie sind auch Freunde der Stormarner geworden – eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Wicht: „Unser langfristiges Ziel kann es nur sein, dass unsere Projekte irgendwann auch finanziell vor Ort getragen werden können. Bis dahin fahren die Stormarner 3528 Kilometer, um zu helfen – zweimal im Jahr. Weil es ihnen ernst ist.

Die Projekte von Copilul und der Siebenbürgenhilfe stellt das Abendblatt in den kommenden Tagen vor. (Mira Frenzel)